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Die neue Dramedy mit Bob Odenkirk beginnt richtungslos, hat aber jede Menge Potenzial
Vogelwild in die Midlife-Crisis: Englischprofessor William Henry Devereaux Jr. (Bob Odenkirk)
AMC
TV-Kritik/Review: "Lucky Hank": Frust im Kapitol der Mittelmäßigkeit/AMC

Preisträger und Publikumslieblinge wissen es längst: Das größte Problem an einem gigantischen Erfolg ist das Folgeprojekt. Dann liegt die Messlatte so hoch, dass sie eigentlich nur gerissen werden kann, selbst wenn das Enttäuschende unter anderen Umständen gefeiert worden wäre. Bob Odenkirk hat das Problem, dass er mit seiner Rolle als Jimmy McGill alias Saul Goodman, die er über gleich zwei Serien hinweg -  "Breaking Bad" und  "Better Call Saul" - entwickeln konnte, eine so komplexe und ikonische TV-Figur erschaffen hat, dass in Zukunft alles gegen sie zu verblassen droht. Als  "Lucky Hank" ist Odenkirk nun trotzdem zu seinem Stammsender AMC zurückgekehrt. Die ersten beiden Folgen der Dramedy sind bereits gelaufen. Sie mischen trockenen Humor mit alltagstragischem Ernst und sind insgesamt ziemlich gut. Das Problem: Sie sind eben nur gut.

Schon vor den letzten "Better Call Saul"-Folgen hatte sich Odenkirk mit dem Kino-Actionthriller  "Nobody" ein wenig von der Saul-Figur zu lösen versucht, als "Lucky Hank" sucht er nun sogar den größtmöglichen Kontrast. Sieht man von der typischen Odenkirk-Krächzstimme ab, ist hier vom halbseiden zwischen Justiz und Verbrechen pendelnden "Slippin' Jimmy" nichts mehr zu sehen: William Henry Devereaux Jr., so heißt seine Figur hier, ist ein ganz gewöhnlich lebensfrustrierter Englischdozent an einem mäßig gut beleumundeten College in Pennsylvania, ein graubärtiger und griesgrämiger Endfünfziger im Sakko. In der Pilotfolge sorgt er für einen mittelschweren Eklat: Er weigert sich, einen schwer von sich selbst eingenommenen Studenten seines Creative-Writing-Kurses zu loben und tituliert seinen eigenen Arbeitgeber, das (fiktive) Railton College, als "Kapitol der Mittelmäßigkeit".

Klar ist, was danach passiert: Empörung in der Unizeitung, Empörung der College-Sponsoren, Rausschmissforderungen, Nierenbeschwerden. Das in Langeweile eingerostete Leben von William Henry, genannt Hank, droht wenige Jahre vor der Pensionierung aus den Fugen zu geraten. Vielleicht aber wäre genau das mal gut? Früher hatte Hank mal als literarisches Wunderkind gegolten, doch nach seinem Debütroman, einem moderaten Erfolg, kam nichts mehr nach. Stattdessen landete er in der Lehre, obwohl er das Unterrichten hasst. Sein Writer's Block - im Vorspann symbolisiert durch die bedrohlich über Hank schwebenden Typenhebel einer Schreibmaschine - begleitet Hank nun schon seit Jahrzehnten. Schuld daran sind auch die übergroßen Fußstapfen seines Vaters: William Devereaux Sr. ist berühmter Journalist.

"Lucky Hank" basiert auf dem 1997 veröffentlichten Roman "Straight Man" des Pulitzer-Preisträgers Richard Russo, der darin eigene Erfahrungen als College-Dozent in der Provinz verarbeitete. Eine deutsche Ausgabe von "Straight Man" ist unter dem Titel "Mittelalte Männer" erst vor zwei Jahren erschienen; so richtig aus dem Schatten von Autoren wie (beispielsweise) Philip Roth oder John Updike ist Russo bei uns nie herausgetreten - obgleich er nicht zum ersten Mal verfilmt wird.  "Nobody's Fool" mit Paul Newman und Bruce Willis war 1995 ein Programmkino-Hit und sogar zweifach für den Oscar nominiert.

Schlechte Stimmung in der Fakultät: (v. l.) Emma (Shannon DeVido), Paul (Cedric Yarbrough), Finny (Haig Sutherland), Gracie (Suzanne Cryer), Billie (Nancy Robertson), Teddy (Arthur Keng) und June (Alvina August) canceln Hank.
Schlechte Stimmung in der Fakultät: (v. l.) Emma (Shannon DeVido), Paul (Cedric Yarbrough), Finny (Haig Sutherland), Gracie (Suzanne Cryer), Billie (Nancy Robertson), Teddy (Arthur Keng) und June (Alvina August) canceln Hank.AMC

Die Produzenten Paul Lieberstein ( "The Office",  "King of the Hill") und Aaron Zelman ( "The Killing",  "Damages") haben Russos Roman nun als achtteilige Serie umgesetzt, bei der nach den ersten beiden gesendeten Episoden nicht ganz klar ist, worauf sie hinausläuft: Bleibt es bei der Romanverfilmung, und nach acht Folgen ist Schluss? Oder wird die Figur des Lucky Hank als (Anti-)Held so weit etabliert, dass er es in weiteren Staffeln mit neuen Problemen zu tun bekommen könnte? Dafür würde der Rest der Besetzung sprechen, die als Ensemble einer Workplace Comedy ausgelegt worden zu sein scheint.

Den größten Raum der ersten Folgen nehmen daher auch die Zustände am English Department des besagten Railton College ein, dem Hank nicht nur als Dozent zu Diensten ist: Zusätzlich hat er noch das Unglück, die Fakultät als Lehrstuhlinhaber leiten zu müssen. Die literaturwissenschaftliche Kollegenschar besteht aus spleenigen Neurotikern, die eher mild-satirisch überzeichnet werden: Da gibt es den großspurigen Macho Paul (Cedric Yarbrough aus  "Reno 911!"), der in seinen Seminaren weibliche Lyrik verspottet und sich ansonsten vor allem um den Parkplatz seines protzigen Sportwagens sorgt. Charakterlich ihm diametral entgegensetzt ist Gracie DuBois (Suzanne Cryer aus  "Silicon Valley" und  "Ein Trio zum Anbeißen"), die sich in einer besonders kleinen Nische feministischer Poesie eingerichtet hat. Emma (Shannon DeVido aus  "Difficult People") sitzt im Rollstuhl, das Dozentenpaar June (Alvina August,  "Woke") und Teddy (Arthur Keng,  "As We See It") gibt sich verdächtig harmlos. Es gibt die dauerbeschwipste Veteranin ebenso wie den nur in literarischen Zitaten sprechenden Nerd - und natürlich den überforderten Dekan (Oscar Nuñez, den Showrunner Lieberstein von  "The Office" mitgebracht hat), der versucht, den Laden zusammenzuhalten.

In der ersten Episode lässt Gracie Hank seines Postens entheben, doch als die Abteilung einen neuen Chef wählen soll, erhält Hank erneut die meisten Stimmen: zwei. Es ist diese Art von Absurdität, die sich auch fortan durch die Episoden ziehen wird, etwa wenn in der zweiten Folge ein berühmter Autor (Brian Huskey,  "Another Period") das College besucht, der auch ein alter Bekannter von Hank ist. Die Karriere des Mannes nahm etwa zu der Zeit richtig Fahrt auf, als Hanks eigene Schriftstellerlaufbahn zum Erliegen kam. Natürlich kommt der Mann bei Hanks Studierenden viel besser an als er selbst, natürlich versucht Hank ihn fortwährend auf jämmerliche Weise zu torpedieren.

Hank ist doch lucky, oder? Frühstück mit Ehefrau Lily (Mireille Enos) und Tochter Julie (Olivia Scott Welch) im trauten Eigenheim.
Hank ist doch lucky, oder? Frühstück mit Ehefrau Lily (Mireille Enos) und Tochter Julie (Olivia Scott Welch) im trauten Eigenheim. AMC

Bob Odenkirk geht dabei bewusst das Risiko ein, eine ziemlich unausstehliche Figur zu porträtieren. Dass er das kann, ist seit "Better Call Saul" bestens bekannt: Auch Jimmy McGill war keine aus sich heraus sympathische Figur, erst im Zusammenspiel der Autoren mit Odenkirks Schauspielkunst wurde aus dem Kleinganoven und Lügner die bekannt vielschichtige Figur. "Lucky Hank" steht ein solcher Prozess erst noch bevor: Bislang grenzen Hanks wie ein Schild vor sich hergetragener Sarkasmus und seine kindischen Abwehrkämpfe gegen Kollegen und Studierende gefährlich ans Nervtötende, einzig Odenkirks Charme sorgt dafür, dass man das Interesse an den (Luxus-)Problemen dieses "mittelalten Mannes" nicht verliert, der die Geschichte überdies als zynischer Off-Erzähler begleitet.

Anders als Saul Goodman steckt William Devereaux in festen sozialen Verhältnissen: Mireille Enos ( "World War Z",  "Wenn ich bleibe") spielt Hanks deutlich geerdeter wirkende (und erkennbar jüngere) Ehefrau Lily, die mit fröhlicher Ironie auf Hanks Stimmungskapriolen reagiert. Auch sie steckt im Lehrbetrieb fest: Als Vizedirektorin einer Highschool ist sie fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in der Kleinstadt, doch als mit Hanks Entlassung die Eventualität eines gemeinsamen Umzugs nach New York im Raum steht, weht sie kurz die süße Möglichkeit eines Neubeginns an. Ihre erwachsene Tochter Julie (Olivia Scott Welch,  "Fear Street: 1994") macht derweil eher mit Planlosigkeit und einem unsoliden Partner von sich reden.

Dozenten unter sich: Tony (Diedrich Bader) und Hank sind beste Freunde.
Dozenten unter sich: Tony (Diedrich Bader) und Hank sind beste Freunde. AMC

Familienprobleme wechseln sich in den ersten beiden Folgen mit den Workplace-Scharmützeln in der Fakultät ab, was mal mehr, mal weniger lustig ist und auch ein bisschen ziellos wirkt. Die in diesem Punkt thematisch ähnliche Comedy  "Die Professorin" mit Sandra Oh kam da zuletzt pointierter rüber. Wer den Roman kennt, weiß, dass nicht allzu viel "Plot" (im Sinne von Verwicklungen und Turbulenzen) zu erwarten ist, was den Fokus also eindeutig auf die Charakterstudie lenkt. Und dabei ist Stand jetzt im Grunde alles möglich: dass Odenkirk allein die ganze Sache trägt und sogar Nachschlag möglich macht in Form weiterer Staffeln; aber auch, dass "Lucky Hank" als nettes und witziges, am Ende aber wenig originelles Akademikerdramolett durchgewunken werden muss; möglich ist auch, dass sich die Kollegenrunde am College noch besser einspielt und satirisch schärfer agiert. Und was ist überhaupt mit Hanks Kollegen und Racquetball-Partner Tony (Diedrich Bader,  "Better Things") und seiner früheren Doktorandin Meg (Sara Amini,  "Future Man") los, die laut Vorspann zu den Hauptfiguren zählen, bislang aber nur kurz vorbeischauten? Welche Rollen werden Kyle MacLachlan und Chris Diamantopoulos spielen, die später in der Staffel als Gäste dabei sein sollen? Kurz gesagt: Ein valides Urteil über "Lucky Hank" ist zu diesem Zeitpunkt schlicht noch nicht zu fällen.

Was bisher zu sehen war, ist allerdings gut und vielversprechend. Zum großen Teil liegt das an Odenkirk und Enos, deren gemeinsame Szenen als gut eingegroovtes Intellektuellen-Paar zu den bisherigen Highlights der Serie gehören. Es liegt aber auch an der unaufgeregten, gut getimeten und die Atmosphäre am Provinzcollege glaubwürdig einfangenden Regie des komödienerfahrenen Peter Farrelly ( "Green Book",  "Verrückt nach Mary").

Die große Frage ist, ob das genügt. Ob sich viele "Saul"-Fans nicht direkt wieder abwenden, wenn sie eine oder zwei Folgen gesehen haben - denn an Vince Gilligans Kultserie(n) kann, will und wird dieses Folgeprojekt nicht heranreichen. "Lucky Hank" ist kein Genrestoff, kein Krimi, kein Thriller und auch keine Ablach-Komödie, es kommen keine Drogenkartelle darin vor, keine blutigen Gewalttaten und auch keine clever ausgeklügelten Tricks und bizarren Perspektiven: Es geht hier bloß ums ganz gewöhnliche Leben mit seinen ganz gewöhnlichen Enttäuschungen. Es wird also vor allem darauf ankommen, ob Bob Odenkirk das Publikum auch in so einem Setting bei der Stange halten kann. Die ersten Folgen zeigen, dass es zumindest ziemlich gute Gründe dafür gibt, dass es ihm gelingen könnte.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Lucky Hank".

Meine Wertung: 3.5/5

"Lucky Hank" wird seit dem 19. März wöchentlich beim US-Sender und dem hauseigenen Streamingdienst AMC+ veröffentlicht. Ein deutscher Starttermin und eine deutsche Heimat sind noch nicht bekannt.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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