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TV-Kritik/Review: "Schleudergang": Zwischen Retro-Nostalgie und moderner Tristesse
von Gregor Löcher(04.06.2024)

Waschsalons waren mal richtig cool und angesagt. In den 90ern ließen gerne House-Diven wie Robin S. ihre Musikvideos dort spielen. Und Levis nutzte sie auch als Setting; ihr wisst schon, der junge Mann, der sich seiner Jeans entledigt, um diese dann in die Waschmaschine zu legen. Salons hatten einen Flair von Großstadt und Freiheit. Man brauchte nicht mehr ganz spießig seine eigene Maschine, um saubere Klamotten zu tragen. Mir wurde während meiner ersten Studentenjahre unterstellt, ich ginge nur aus Coolness in den Waschsalon (tatsächlich war es aber eine Frage der begrenzten finanziellen Möglichkeiten und des beengten Lebensraumes eines Studenten). Diese Zeiten sind lange her, und im hier rezensierten Waschsalon hätte Robin S. wohl kein Video gedreht. Denn hier herrscht eher Bonner Republik als angesagte Popkultur.
ja heutzutage jeder seine eigene Waschmaschine hat
, wie sein Besitzer Erik (Dirk Martens) zutreffend bemerkt, ist der Laden kaum noch frequentiert. Was die Situation nicht weniger traurig macht, ist, dass Erik jedes Mal, wenn sich die Tür öffnet, freudig um die Ecke schaut, weil endlich mal wieder Kundschaft im Laden ist.

In dieser Kulisse treffen unterschiedliche Charaktere aufeinander und tauschen sich kammerspielartig über ihre Lebensrealitäten aus. Da ist die mittellose Studentin, die Prostituierte, der trauernde Witwer und der in die Jahre gekommene Bon-Jovi-Fan. Die Begegnungen führen manchmal scheinbar zu Verbindungen, oft auch zu Auseinandersetzungen; und letztendlich gehen dann doch alle separat ihren Weg, sobald die Wäsche gewaschen ist.
Eigentlich könnte man Salonbesitzer Erik, einen mittelalten Mann mit Hornbrille, wegen der Hingabe zu seinem Salon und auch wegen seiner positiven Herangehensweise an all die Fremden, die täglich in seinen Salon kommen, bewundern. Doch auch er kann den Niedergang seines Ladens nicht aufhalten. Vergeblich versucht er, ihn zu verkaufen oder für eine Kunstausstellung zu vermieten. Sein letzter Hoffnungsschimmer sind die frisch zubereiteten Hühnerkroketten, die mit guten Bewertungen im Internet glänzen, bis die schockierende Wahrheit über ihre Zutaten ans Licht kommt.Während die Serie zunächst leicht und humorvoll erscheint, wird sie nach und nach immer trister und beklemmender. Die finanzielle Situation des Salonbesitzers wird immer aussichtsloser, und er flüchtet sich schließlich in Fieberträume, während sein krampfhaftes Festhalten an der Vergangenheit Risse bekommt. Seine verzweifelten Versuche, seine Finanzen zu verbessern, werden erst fragwürdig, dann kriminell. Der skurrile Kontrast dazu ist sein Untermieter Toy7 (Marc Boutter), ein Influencer, der seine modernen Videos im untervermieteten Raum produziert und so die Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart verdeutlicht.

"Schleudergang" ist sicherlich keine aufregende Serie, aber sie ist gut gemacht und bietet Einblicke in skurrile Alltagssituationen. Obwohl der Hauptcharakter eher neutral und ausgleichend wirken soll, wirkt er manchmal etwas blass. Vielleicht hätte es geholfen, einige der Charaktere aus den frühen Folgen in späteren Folgen wieder auftreten zu lassen, um eine stärkere Bindung aufzubauen.
Teilweise fragt man sich, ob die Serie Klischees hinterfragt oder doch nur bedient. Dies fällt auf, als ein junger Mann mit Migrationshintergrund ein Gangstarap-Musikvideo dreht und dann den Anwesenden Pillen verkaufen will. Doch wie sich herausstellt, ist das nur sein Alter Ego, um Geld zu verdienen, denn eigentlich studiert er Germanistik und diskutiert gern über Kant.
Hauptcharakter Erik wird verkörpert von Dirk Martens, der eine sehr eindrucksvolle, weil lange Filmografie vorzuweisen hat. Auch nahezu alle anderen Mitwirkenden sind hinlänglich aus anderen deutschen Serienproduktionen bekannt, treten aber alle jeweils nur in einer einzigen Episode auf - bis auf Serien-Neuling Marc Boutter, der in mehreren Folgen eher kurze Auftritte hat.
Von Ansatz her erinnert das vom Hessischen Rundfunk in Auftrag gegebene "Schleudergang" an den guten alten

In einer Welt im Wandel, in der das Digitale das Analoge verdrängt, wird "Schleudergang" zu einer Metapher für das Verschwinden von Altem zugunsten des Neuen. Während Waschsalons einst ihre Hochzeit in der Popkultur der 90er hatten, verkommt der Salon in dieser Serie zu einem tristen Monument vergangener Tage. Insofern ein interessantes Zeitzeugnis, dass man sich gut mal ansehen kann. Das Konzept der wechselnden Waschsalonkundschaft hätte eigentlich noch gut für weitere Folgen funktionieren können - mal sehen, ob es entgegen der Ankündigung als Miniserie doch noch eine Fortsetzung gibt. Vegetarier sollten sich die erste Folge allerdings nicht während des Abendessens anschauen - ein Tipp aus eigener Erfahrung.
Dieser Text beruht auf der Sichtung der kompletten sechsteiligen Miniserie "Schleudergang".
Alle sechs Folgen liegen auf Abruf in der ARD Mediathek bereit. Die lineare TV-Premiere erfolgt in Dreierpacks im hr-fernsehen: am 4. Juni ab 22.30 Uhr und am 5. Juni ab 23.25 Uhr.
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