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Der Kommissar laboriert an Traumata, der Täter wird zurechtpsychologisiert: Im Fernsehkrimi werden Backstorys häufig so stark aufgeplustert, dass der Kriminalfall fast zur Nebensache wird. Im ARD-Vierteiler
Eine junge Frau kehrt vom Joggen nicht mehr zurück. Das Dorf im Südbadischen, in dem sie lebt, zählt kaum 1.000 Einwohner und gerät in helle Aufregung. Freiwillige Suchtrupps formieren sich, durchkämmen die angrenzenden Weinberge - gegen den Willen der Polizei, die befürchtet, wichtige Hinweise könnten dabei zertrampelt werden. Spuren nämlich, das ist die Währung, in der hier gehandelt wird. Ohne Spuren keine Theorie, keine zielgerichtete Fahndung, kein Ermittlungserfolg.
Die vermisste Frau taucht bald darauf aus dem nahen Fluss auf, seit drei Tagen tot und sexuell misshandelt. 30 Kilometer entfernt gibt es kurz darauf eine weitere Tote, ebenfalls eine junge Frau, vom Fahrrad gezerrt und ermordet. Hängen die Fälle zusammen? Ist ein Serienkiller am Werk - oder ein Zufallstäter? "Wenn das ein Zufallstäter war, dann wird das eine lange Strecke", heißt es einmal.
In herkömmlichen Fernsehkrimis würde jetzt das übliche Prozedere in Gang gesetzt: die psychologische Durchleuchtung des Umfelds der Opfer und auch des unter den Nebenfiguren versteckten Täters. Parallel würde das Privatleben der Ermittlungsbeamten ausgebreitet: Welche Traumata schleppen sie mit sich herum? Leben sie in Scheidung? Haben sie tödliche Krankheiten? Gibt es Amouren innerhalb des Teams? Und wann lugt der grantige Polizeichef um die Ecke, um ein paar launige Sprüche abzulassen? Nicht wenige gibt es, die sich an diesen längst im Stereotyp erstarrten Abläufen sattgesehen haben. Und besonders da, wo sie auf True-Crime-Fällen beruhen, können solcherlei Krimis schnell unpassend wirken.

"Spuren" (die vier 45 Minuten langen Teile sind jetzt in der ARD-Mediathek streambar) geht diesen Weg entschieden nicht. Die Miniserie beruft sich auf die Stärken des klassischen Polizeikrimis und stellt die Ermittlungsarbeit an und für sich in den Mittelpunkt. Über das Privatleben der Kommissar*innen erfahren wir nur das Allernötigste, die Täter selbst bleiben Randfiguren. Vom möglicherweise ungewollten Nebeneffekt, Mörder "interessant" zu machen, war schon lange keine Serie mehr so weit entfernt wie "Spuren". (Ryan Murphy darf da gerne mal reinschauen!)
Das Drehbuch von Robert Hummel und Martina Mouchot basiert lose auf dem Sachbuch "Soko Erle" von Walter Roth, dem zuständigen Pressesprecher jenes Kommissariats, das 2016 mit den realen, medial star beachteten Mordfällen befasst war, die für diese Serie fiktionalisiert wurden. Aus Carolin G. und Maria Ladenburger werden hier, in zentralen Details abgeändert, Stefanie Berghoff und Josephine Schora. Die beiden ermittelnden Kommissare sind rein fiktive Figuren.Dabei handelt es sich um die gerade aus Berlin nach Südwestdeutschland zurückgekehrte Kriminaloberrätin Barbara Kramer (Kunzendorf) und ihren Kollegen Thomas Riedle (Tilman Strauß), der selbst in jenem zwischen idyllischen Weinbergen gelegenen Örtchen lebt, aus dem die ermordete Joggerin Stefanie Berghoff stammt. Ihre Ermittlungsgruppe wird zur 40-köpfigen Sonderkommission (Soko) aufgestockt, die in leerstehenden Büroräumen des lokalen Gesundheitsamts unterkommt. Weil anfangs tragfähige Indizien fehlen, beginnt jene Sisyphusarbeit, die die drei Stunden Laufzeit der Serie maßgeblich prägen: Mitarbeiterinnen stehen mit Lupe in der an den Tatort angrenzenden Flora, um die Pflanzen tagelang Blatt für Blatt nach Hinweisen abzusuchen; riesige Datensätze müssen durchkämmt, Zeugen vernommen, DNA-Abstriche gemacht werden. Unzählige Stunden Überwachungskamera-Material werden gesichtet, im Labor stoisch Zahlenketten in Rechner getippt.
Wie sehr Polizeiarbeit Teamarbeit ist und wie wenig dies das üblich genialische Bild eines Fernsehkrimi-Kommissar-Duos abbildet, das mal eben an den Tatort marschiert und sofort mit zielführenden Hinweisen wieder von dannen zieht, wird in "Spuren" schnell deutlich. Alles dauert nicht nur Tage, sondern Wochen, Monate. Als nach einem halben Jahr immer noch keine engeren Kreise um mögliche Täter gezogen werden können, muss die Soko wieder zur Ermittlungsgruppe zurückgestutzt werden. Erst ein Cold Case aus Österreich, der Ähnlichkeiten mit dem Mordfall Stefanie Berghoff aufweist, eröffnet schließlich eine neue Spur. Wieder müssen, nun länderübergreifend, gewaltige Datenberge abgetragen werden. Am Ende aber steht der Erfolg.

Der akribische Nachvollzug der Ermittlungsarbeiten, das ewige Suchen nach der Nadel im Heuhaufen, immer wieder Besprechungen und Sitzungen - das mag sich spröde anhören, was er für die beteiligten Polizeibeamten sicher auch war: Ein eingeblendeter Counter zählt die Ermittlungstage mit, deren Anzahl bald dreistellig wird. In der Serie aber, unter der sehr genau beobachtenden Regie des vielfach preisgekrönten Stefan Krohmer (
Dass das Privatleben der Ermittelnden völlig ausgespart bleibt und ihre Arbeitsperspektive konsequent gewahrt bleibt (bis auf sehr wenige Szenen), erweist sich als Glücksgriff: Die untergründige Spannung, die sie schnell einstellt, und auch die Empathie mit den Figuren stellen sich hier ausschließlich aus den Beziehungen der Beamten untereinander her. Auf dramatische Effekte wird gezielt verzichtet. Es gibt keine reißerischen Cliffhanger, keine großgestischen Zerwürfnisse, die Musik von Stefan Will verzichtet auf alles Gefühlsmanipulative und schon der Vorspann mit seinen zerfließenden Bild-Glitches verweist auf das zu erwartende Vorwärtsstolpern der Ermittlungen. Bevor etwas eindeutig wird, ist es das eben sehr lange nicht.
Die Sekunden vor dem Mord an Josephine Schora inszeniert Krohmer aus einer weit entfernten Totale - auf der Tonspur plätschert das Wasser, dann ein Schrei, zu sehen ist kaum etwas. Diese distanzierte Haltung prägt alle vier Folgen, und doch erzählt die Serie mit diesen betont leisen Tönen sehr viel über die Figuren. Dass es Brüche im Leben von Barbara Kramer gegeben hat, die zurück ins Haus ihres Vaters gezogen ist, liegt auf der Hand, ohne dass es umfänglich dargelegt werden müsste. Das Unbehagen, das Riedle die Tätersuche in seinem Heimatdorf bereitet, muss ebenfalls nicht auserklärt werden - man sieht es in Strauß' Spiel.
Überhaupt die Hauptdarsteller: Kunzendorf, die schon in einem der besten deutschen Fernsehfilme der letzten 15 Jahre -

Der Rest der (übrigens überwiegend schwäbisch sprechenden) Soko fällt dabei keineswegs ab, und obgleich man auch hier kaum etwas über die persönlichen Hintergründe erfährt, haben sich einzelne herausgehobene Nebenfiguren am Ende zu einem Team geformt, dem man gerne auch in weiteren Staffeln zusehen würde. Wie Božidar Kocevski (
Ebenso beeindruckend ist es, wie "Spuren" den soziokulturellen Impact, den die realen Fälle hatten, gleichsam nebenher miterzählt. Wenn Kramer und Riedle zum Feierabendbier in einer Kneipe sitzen, werden sie von anderen Gästen beschimpft, weil sie den Täter noch immer nicht gefunden haben. Auch die Hoffnung der Dorfbewohner, dass es sich beim Mörder nicht um einen der Dörfler, sondern um einen Fremden handeln möge, am besten um einen Flüchtling, also einen bequemen Sündenbock, wird mehrfach deutlich - nicht zuletzt in der "Erleichterung", als im Mordfall Schora ein unbegleitet eingereister junger Afghane ins Visier gerät.
Die Serie entstand, so steht es im Abspann, "in Anerkennung der Maria-Ladenburger-Stiftung". Diese wurde von den Eltern der von einem Geflüchteten ermordeten Maria Ladenburger zur Unterstützung ausländischer Studierender bei der Integration ins Medizinstudium gegründet - nachdem Ladenburgers Vater, ein EU-Jurist, zu Besonnenheit aufgerufen hatte und von der AfD und ihren Unterstützermedien angegangen worden war, er trage eine "Mitverantwortung für die Flüchtlingskrise". Wie grausame Taten immer wieder zu Sippenhaftsgelüsten führen und die Tragik eines Einzelfalls auf Bevölkerungsgruppen hochgerechnet wird, das muss diese kluge Produktion gar nicht im Einzelnen durchdeklinieren. Es schwingt auch so immer mit.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der kompletten Miniserie.
Die komplette Serie "Spuren" liegt seit dem 7. Februar auf Abruf in der ARD Mediathek bereit. Linear wird die Serie am Samstag, den 15. Februar mit allen vier Folgen am Stück ab 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.
Über den Autor
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Leserkommentare
Zuckerkorn schrieb am 10.02.2025, 18.36 Uhr:
Gefiel mir auch ganz gut, gerade weil die Story sehr realistisch präsentiert wird. 4 Folgen waren auch perfekt gewählt.
Cable schrieb am 09.02.2025, 16.34 Uhr:
Habe den 4teiler jetzt durch und es ist wie in der Kritik beschrieben. Keine Hektik, keine Action und doch eine Grundspannung die immer da ist, mit guten schauspielerischen Leistungen, absolut empfehlenswert. Einfach nichts für Aktions-Junkies.
Mit dem schwäbischen, so lang nicht allzu schnell gesprochen wurde, hatte ich soweit auch keine mühe . Als Schweizer ist man sich ja an Dialekte gewöhnt. 😂DerGlotzer schrieb am 07.02.2025, 21.48 Uhr:
Klingt tatsächlich vielversprechend. Kann den Ausführungen des Autors nur zustimmen, diese ständigen Traumata, Psychosen, oder was sonst, nerven mich auch schon lange. Typischer Textbaustein zu vielen Filme/Serien: "und muss sich gleichzeitig seinen eigenen Dämonen aus der Vergangenheit stellen", oder so ähnlich. Da klingeln dann immer meine Alarmglocken. Ok, je nach Umsetzung kann das noch gelingen. Aber in der Masse nervt das halt.
Filme/Serien, wo es tatsächlich vorrangig um den Fall und die Polizeiarbeit geht und nicht um gestörte Ermittler, sind leider Mangelware. Schaffen es die Autoren nicht mehr, daraus einen spannenden Handlungsbogen zu kreieren? Hervorheben kann man da auch die Filme zur Soko Thiel mit Heino Ferch als Chefermittler.
Lirum, larum, werde mir die Serie hier auf jeden Fall anschauen.Old School schrieb am 07.02.2025, 17.05 Uhr:
Na da bin ich mal gespannt, klingt vielversprechend und die Kunzendorf mag ich sowieso. Schade das sie so schnell aus dem Totort raus ist. Schaumer mal! 😎
Sentinel2003 schrieb am 08.02.2025, 11.28 Uhr:
Eigentlich konnte Nina Kunzendorf für den Ausstieg nichts....eigentlich hätte die Kostümbildnerin "Ihren Hut nehmen" müßen. :-) lch kann mich nämlich noch sehr gut erinnern, dass es hieß, Nina ist ausgestiegen, da Sie für das Publikum zu sexy ausgesehen haben soll...Diese aussage fand ich damals sooo derart komisch und kurios.
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