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TV-Kritik/Review: "Litvinenko": Miniserie über aufsehenerregenden politischen Mord bleibt trotz David Tennant blass
von Marcus Kirzynowski(16.02.2023/ursprünglich erschienen am 23.12.2022)

Es ist ebenso erstaunlich wie erschreckend, wie wenig sich in mancherlei Hinsicht in der Welt über die Jahrzehnte hin ändert. Bestes Beispiel dafür ist die russische Politik unter Wladimir Putin. Seit neun Monaten sind seine verbrecherischen Taten in der Ukraine in aller Munde, aber auch schon vor 15 Jahren ließ er wahrscheinlich gezielt Menschen töten. Eines seiner berühmtesten Opfer war der ehemalige KGB-Agent und spätere Regimekritiker Alexander Litwinenko, der 2006 in London an einer Vergiftung mit einem ebenso seltenen wie höchst radioaktiven Stoff starb. Es ist eine dieser wahren Geschichten, die zu unglaubwürdig klingen würden, wären sie ausgedacht.
Der britische Sender ITV hat die Geschehnisse rund um diesen Mordanschlag und vor allem die folgenden polizeilichen Ermittlungen nun in einer vierteiligen Miniserie mit dem simplen Titel
Die Erzählhandlung beginnt mit dem noch gesunden Alexander Litwinenko (durch
Für die Scotland-Yard-Beamten, die schließlich an Litwinenkos Krankenbett erscheinen, ist der Fall ein absolutes Novum: die erste Mordermittlung, bei der es (noch) keinen Toten gibt.

Das Opfer ist jedoch bereits schwer gezeichnet: Glatzköpfig und schwach beginnt er, den Ermittlern Brent Hyatt (Neil Maskell,

David Tennant, einer der derzeit größten britischen Fernsehstars, spielt die Titelfigur mit starkem russischen Akzent und großem Bemühen zur Authentizität. Es kommt beim Zusehen trotzdem die Frage auf, warum die Rolle eigentlich nicht mit einem russischsprachigen Schauspieler besetzt werden konnte. Zumal Tennant als Zugpferd eher ein Trojanisches Pferd ist, da er nur in der Auftaktfolge physisch präsent ist. Die weiteren Teile fokussieren sich dann ganz auf die Ermittlungsarbeit der Polizei. Am Rande thematisiert die Miniserie aber durchaus auch die psychische Belastung der Beamten. So befürchtet Hyatt, sich durch den tagelangen engen Kontakt zu Litwinenko, selbst einer hohen radioaktiven Strahlung ausgesetzt und dadurch unter anderem seine Zeugungsfähigkeit verloren zu haben (seine noch kinderlose Ehefrau und er versuchen seit einiger Zeit, Eltern zu werden). Es sind diese leisen privaten Momente, die den größten emotionalen Eindruck hinterlassen.
Ansonsten funktioniert die Produktion nämlich eher wie eine Dokumentation denn wie ein klassisches Drama. Zu journalistisch ist die Erzählweise des Drehbuchs von George Kay (

Bei der Vielzahl der auftretenden Personen, meist mittelalten Männern in 08/15-Anzügen, die für verschiedene Polizei- und Geheimdienst-Behörden arbeiten, verliert man schnell den Überblick. Die Figuren entwickeln auch keinerlei eigenen Charakter, da sie rein funktionelle Rollen haben. Eine Ausnahme ist bedingt der von Anfang an präsente Hyatt, dem Neil Maskell (sonst eher als Darsteller skrupelloser Bösewichter bekannt) zumindest ein bisschen individuelle Persönlichkeit verleiht. Und dann ist da noch Margarita Levieva als Litwinenkos Gattin respektive Witwe, die den emotionalen Aspekt der Geschichte verkörpert. Ihre Rolle in den ersten beiden Episoden beschränkt sich jedoch weitgehend auf die der tröstenden und nach Alexanders Tod trauernden Partnerin.
Angesichts der furchtbaren Ereignisse in der Ukraine, die seit Februar 2022 die Welt erschüttern, folgt man der Handlung weitgehend fassungslos. Wie war es möglich, dass Putin von westlichen Politikern noch nach diesen Ereignissen so lange als Partner und teils sogar "lupenreiner" Demokrat behandelt wurde? Alexander Litwinenko, der lange selbst Teil des Systems war, hat dessen staatsterroristische Natur irgendwann erkannt und daraus seine Konsequenzen gezogen. Für seine öffentliche Kritik und seine Enthüllungen hat er mit seinem Leben bezahlt. Auf seinem Sterbebett versichert er den ihn verhörenden Polizisten, dass er nichts bereue, denn zumindest sterbe er als freier Mann.
Es sind die Bezüge zur gegenwärtigen weltpolitischen Situation, die der Geschichte ihre Relevanz verleihen. Man hätte sich allerdings gewünscht, dass die Macher mehr filmische Möglichkeiten genutzt hätten, um sie auch visuell und erzählerisch interessant umzusetzen. So wirkt die ständige Aneinanderreihung von talking heads, die Fakten und Ermittlungsergebnisse referieren, auf die Dauer doch reichlich ermüdend. Mit einer Dokumentation zum Thema ist man in diesem Fall wohl besser bedient.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden der Miniserie "Litvinenko".
Die vierteilige Miniserie "Litvinenko" wurde beim britischen Streamingangebot ITVX Mitte Dezember veröffentlicht. Sat.1 zeigt die Serie ab dem 16. Februar donnerstags um 20.15 Uhr als Deutschlandpremiere.
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