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TV-Kritik/Review: Quarry

Interessante Darsteller-Riege liefert gekonnt balancierte Mischung aus Drama- und Crime-Anteilen - von Gian-Philip Andreas
(26.09.2016)

Logan Marshall-Green in der Titelrolle von "Quarry"
Logan Marshall-Green in der Titelrolle von "Quarry"


Der Anfang ist nachtblau, die Konturen sind unklar. Mac liegt im Uferwasser irgendeines Sees, erhebt sich mühsam, schleppt sich durchs Zwielicht, schießt schließlich einen anderen Mann über den Haufen und lässt ihn im Gewässer davontreiben. Eine Schildkröte schaut müde dabei zu. Dann schaltet sich die Titelkarte dazwischen, angemessen flirrend und gebrochen, wie das moderne Crime-Drama-Serien heute eben so machen:  "Quarry". Englisch für Steinbruch. Steinbruch? Die Erklärung kommt später.

Als es nach dieser Vorausblende weitergeht, kneift man die Augen zu, so gleißend ist plötzlich das Licht. Die Marines Mac (Logan Marshall-Green aus "Prometheus") und sein Kriegsgenosse Arthur ( "Bosch"-Co-Star Jamie Hector) kehren gerade nach Memphis, Tennessee, zurück, aus Vietnam, wohin sich Mac aus noch unklaren Gründen gleich zweimal hat versetzen lassen. Es ist Sommer 1972: Diesen Frisuren, Schlaghosen und braun-orangen Couchgarnituren entkommt man derzeit nicht, man hat sie neulich erst in Scorseses  "Vinyl" und Luhrmanns  "The Get Down" gesehen. Wie dort wird auch in "Quarry" jede Menge zeittypische Musik eingespielt: Sie plärrt aus dem Autoradio, wird eigenhändig aufgelegt, nachgesungen und kommentiert auch textlich oft sehr deutlich die Handlung. Aus Funk und Fernsehen dringt Zeitgeschichte in Nachrichtenform in die Erzählung. Man wird daran erinnert: Wäre 1972 nicht Nixon US-Präsident geworden, sondern sein Kontrahent George McGovern, wäre der Vietnamkrieg möglicherweise früher beendet worden und auch sonst ziemlich viel sehr anders gewesen.

Doch die seit 1976 erscheinenden "Quarry"-Krimis des "Road to Perdition"-Autors Max Allan Collins, auf denen diese Cinemax-Serie (recht locker) beruht, halten sich an die unverrückbar katastrophale Timeline der uns bekannten Weltgeschichte, und Rückkehrer aus 'Nam waren im Post-Hippie-Amerika nicht immer wohlgelitten. Vor dem Flughafen wird protestiert, Mac und Arthur sollen am "Massaker von Quan Thang" beteiligt gewesen sein - das ist fiktiv, erinnert aber natürlich an das Gemetzel von My Lai (1968). Mac und Arthur werden Mühe haben, Jobs zu finden; alte Bekannte werden sich abwenden; selbst Macs Vater (trocken gespielt von Skipp Sudduth aus  "Third Watch") bittet ihn ganz freundlich beim Welcome-Home-Bier, sich am besten gar nicht in die Nähe des Elternhauses zu wagen. Immerhin kann Mac in seinen Bungalow, mit Pool, zurückkehren, in dem Freundin Joni (Jodi Balfour) ihn vermeintlich freudig erwartet, auch wenn sie verdächtigerweise seine Lieblings-Otis-Redding-Platten gegen Van Morrison eingetauscht hat.

Auch im Poster zur Serie spielen die Macher mit der Wassermetapher
Auch im Poster zur Serie spielen die Macher mit der Wassermetapher

Diese Atmosphäre der allumfassenden Ernüchterung, eine Stimmung aus freundlicher Zurückweisung und klaustrophobischer Ausgrenzung: Das ist etwas, das "Quarry" in der überlangen Pilotfolge und auch später sehr gut hinbekommt. Regisseur Greg Yaitanes (bekannt für unzählige  "Dr. House"- und  "Banshee"-Episoden) beschwört die schwüle Hitze im sommerlichen Tennessee ebenso greifbar herauf wie den pop-zeitgeschichtlichen Kontext, und wenn Mac durch Memphis mit seinen Gospel-Gottesdiensten cruist, stellt sich durchaus ein Südstaaten-Feeling ein wie in der ersten Staffel von  "True Detective". Wichtiger aber ist die traumatisierte Hauptfigur, die, bevor sie in die Kriminalität abgleitet, erst einmal mit den eigenen Dämonen und der äußeren Ablehnung kämpfen muss: Für die beredte Langsamkeit, mit der das geschieht, sind Michael D. Fuller und Graham Gordy Spezialisten. Die beiden Autoren, die die "Quarry"-Romane hier für zunächst acht Episoden in Serie bringen, haben zuvor an  "Rectify" mitgeschrieben; und das Motiv des ins Zwielicht gerückten Rückkehrers findet sich hier klug variiert wieder - wenn auch stärker um Krimi-Aspekte erweitert. Geblieben ist das Kontemplative, das Atmosphärische, das immer Zeit und Luft zum Atmen lässt zwischen den Konfrontationen aller Art, auch wenn der immer leicht verschwitzt durch Memphis stiefelnde Marshall-Green mit seinen fettigen Haaren, dem Walross-Schnauzer und der mauligen Laune mit Aden Youngs famosem Innerlichkeitsspiel in "Rectify" nicht mithalten kann.

Der Plot kommt in Gang, als Mac eines Nachts von einem ebenso jovialen wie gravitätischen alten Schotten besucht wird, der sich als der "Broker" vorstellt - ein Gangster, der über ein weitgespanntes Netzwerk von Killern gebietet und den desillusionierten, jähzornigen und deshalb joblosen Mac als Neuzugang gewinnen möchte. Der immer sehenswerte Peter Mullan (bekannt etwa als fieser Patriarch vom  "Top of the Lake") spielt den Broker als Faulkner-lesenden Grandseigneur mit stechendem Blick und Vorliebe für guten Whiskey. Mac lehnt den großzügig dotierten Killer-Job zunächst ab, muss dann aber erfahren, dass Kumpel Arthur die Offerte annahm. Arthur wird bei seinem ersten Einsatz erschossen, woraufhin Mac nun selbst ran muss - um Arthurs Witwe Ruth (Nikki Amuka-Bird) nicht in die Bredouille zu bringen und Arthurs Schulden beim Broker abzuzahlen. Der Broker weiß, wie er Mac an den Haken kriegt: Als ersten "Auftrag" (lies: Opfer) schanzt er ihm perfiderweise einen Typen zu, mit dem Jodi eine Affäre hat. Mac erfährt das erst vor Ort, und wie Fuller und Gordy sein Erkennen und die folgende Konfrontation mit der Freundin allein über eine verräterische Otis-Redding-Platte erzählen, ist durchaus gehobene TV-Serienkunst.

Im weiteren Verlauf der Staffel dürfte es sowohl um die innere Befindlichkeit des gehörnten Kriegsheimkehrers gehen dürfte (eine Variation von Themen also, die aus US-Kinofilmen wie "Die durch die Hölle gehen", "Coming Home" oder "Geboren am 4. Juli" vertraut sind) als auch um dessen zunehmende Verstrickung in den Killerzirkel des Brokers, dem alsbald zwei Cops hinterherermitteln. Die von Collins-Fans erwarteten Actionszenen sind bislang rar gesät, in ihrer Herausgehobenheit dann aber sehr effektiv ­- besonders die nüchtern choreografierte und ohne unterstützenden Score inszenierte Schießerei in einer Fabrikruine sticht heraus. Zum weiteren Kreis des Brokers gehören noch dessen Bodyguard Karl (Edoardo Ballerini) sowie die Killerkollegen Moses (Mustafa Shakir) und Buddy (hervorragend: Damon Herriman, "Der kleine Tod"). Letzterer ist bislang die interessanteste Figur: ein queerer Psychopath, der vor dem Spiegel (und im Unterhöschen) alte Harry-Nilsson-Schnulzen nachsingt, aber zu tödlichen Moves fähig ist.

So punktet "Quarry" mit einer gekonnt austarierten Mischung aus Drama- und Crime-Anteilen, serviert von einer interessanten Darstellerriege, angesiedelt in spannendem Setting. Marshall-Green lässt als Mac vielleicht ein wenig zu sehr den rasend gekränkten Drop-Out mit Jetzt-ist-mir-alles-egal-Haltung raushängen; wie aus dem Ex-Marine ein von Wahrnehmungsstörungen gepeinigtes Psycho-Wrack werden konnte, will man trotzdem wissen. Störend sind eher einige Plot-Unwahrscheinlichkeiten: Würden sich Mac und der Broker wirklich im Publikum einer Wrestling-Show mit Nennung von Klarnamen über die Morde unterhalten? Würde Joni wirklich kurz nach Macs Rückkehr mit ihrem eigentlich schon kaltgestellten Geliebten im eigenen Ehebett vergnügen? Reicht dieses Fremdgehen wirklich als Motivation für einen Job als Auftragsmörder? Auch muss man den Autoren einen Hang zu übertriebener Symbolik bescheinigen: diese Wassermetaphern! Der Pool, der See, der Bademeisterjob, Otis Reddings "You Don't Miss Your Water" und so weiter. Bedrohliche Flashbacks und Visionen von unter Wasser schwebenden vietnamesischen Masken deuten auf ein tiefsitzendes Trauma hin, das die Staffel gewiss noch aus der Verdrängung holen wird.

Fehlt noch der Titel, dessen Erklärung zwar aus Collins' Buchvorlage stammt - die aber als Seriendialog sehr hergeholt klingt. Bei einem der ersten Treffen mit dem Broker in einem Steinbruch findet der Gangster, dass Mac "hart wie Stein" und "von innen ausgehöhlt" sei, wie der Steinbruch, weswegen er ihn fortan so nennt: Steinbruch. Quarry. Naja. Dennoch: Von solchen Kruditäten abgesehen stimmt sehr vieles in "Quarry": Style, Spiel, Stimmung, düstere Ahnung. Könnte ein guter Krimi werden.


Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Quarry".

Meine Wertung: 4/5


Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Cinemax



 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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