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TV-Kritik/Review: The Affair

TV-Kritik zum Showtime-Ehebruchdrama - von Marcus Kirzynowski
(23.10.2014)

Verhängnisvolle Affäre: Alison Lockhart (Ruth Wilson) und Noah Solloway (Dominic West) kommen sich näher
Verhängnisvolle Affäre: Alison Lockhart (Ruth Wilson) und Noah Solloway (Dominic West) kommen sich näher


Viel passiert im Grunde nicht in der Pilotfolge des neuen Showtime-Dramas  "The Affair": Noah Solloway (Dominic West), ein Lehrer und Schriftsteller-Neuling mittleren Alters, wehrt bei einem morgendlichen Schwimmbadbesuch die Flirtversuche einer attraktiven jüngeren Frau ab, denn er ist (scheinbar?) glücklich verheiratet. Nach der Heimfahrt unternimmt er mit seiner Ehefrau Helen (Maura Tierney) einen Morgensex-Anlauf, die Beiden werden aber von der wach gewordenen jüngsten Tochter Stacey gestört. Nach einigen weiteren Hindernissen bricht die ganze Familie, zu der noch die älteste Tochter und zwei Söhne gehören, im Auto in die Ferien auf. Ziel ist das Anwesen von Helens Eltern in Montauk, einem beliebten Urlaubsort auf Long Island vor den Toren New Yorks, in dem auch der Schriftsteller Max Frisch einmal eine Wochenendaffäre hatte, die er in seinem Buch "Montauk" eindrücklich beschrieb. Beim Essen in einem rustikalen Fischrestaurant bleibt der kleinen Stacey eine Murmel im Hals stecken, die Kellnerin Alison Lockhart (Ruth Wilson) rettet ihr durch beherztes Eingreifen das Leben. Als sich Noah bei der Angestellten bedankt, knistert es von beiden Seiten.

Später trifft Noah Alison am Strand wieder und begleitet sie nach Hause. In der Einfahrt knistert es zwar noch mehr, es passiert aber eigentlich nichts, außer dass Noah Alison beim rauen Sex mit ihrem Gatten Cole (Joshua Jackson) beobachtet. Das eigentlich Interessante an der ganzen Geschichte ist jedoch nicht, was passiert (oder eben nicht), sondern wie sie erzählt wird: Nach der halben Laufzeit der Folge beginnt sie nämlich von vorne, mit veränderter Perspektive. Was wir vorher aus Noahs Sicht geschildert bekamen, sehen wir nun noch einmal, so wie sich Alison daran erinnert. Und die beiden Versionen des gleichen Geschehens unterscheiden sich nicht nur in unwichtigen Details.

Ähnlich wie in HBOs gefeiertem Crime-Drama "True Detective" haben wir es also mit gleich zwei unzuverlässigen Erzählern zu tun. Eine "objektive" Wahrheit der gezeigten Ereignisse gibt es nicht, denn auch die weiteren Episoden folgen demselben Erzählmodell. Nicht nur die Handlungen und Dialoge weichen in den beiden nacheinander gezeigten Versionen jeweils voneinander ab, auch die Charakterisierung der beiden Hauptfiguren wirkt unterschiedlich: In Noahs Version ist Alison die heftig flirtende Verführerin, die mehrmals die Initiative ergreift, die ihn mit ins Haus nehmen will, die ihn fragt, ob er ihre Außendusche ausprobieren will und stattdessen dann selbst nackt vor ihm duscht. In Alisons Version kommt sie selbst wesentlich introvertierter und auch unsicherer rüber, während sich Noah mehr an sie heran wirft, sich selbst zu ihr nach Hause einladen will. Diese Diskrepanz bleibt auch in der zweiten Folge bestehen, wo Noah in seiner Version betont, die Ehe sei ihm heilig, während er in Alisons Erinnerung das Eheversprechen wesentlich unverbindlicher interpretiert.

Die Betrogene: Helen Solloway (Maura Tierney)
Die Betrogene: Helen Solloway (Maura Tierney)

Warum wir überhaupt diese beiden unterschiedlichen Erinnerungen an die Tage in Montauk geschildert bekommen, bleibt unklar. Wie in der HBO-Serie gibt es auch hier zwischendurch kurze Szenen, die zu einem späteren Zeitpunkt spielen und in denen die beiden Protagonisten sich in Verhörsituationen befinden. Kam es zu einem Verbrechen und wenn ja, wer ist das Opfer? Ein Thriller ist "The Affair" jedoch auf keinen Fall, eher ein subtiles Drama über auf den ersten Blick ganz alltägliche Erlebnisse - die dann eben doch manchmal mehrere Leben komplett aus den Angeln heben können. Neben dem ungewöhnlichen erzählerischen Ansatz und der sorgfältigen Inszenierung überzeugt vor allem die Besetzung: Dominic West beweist nach dem Ende von  "The Wire" einmal mehr, dass er weit differenzierter spielen kann als ihm das in dem Baltimore-Epos möglich war. Auch Ruth Wilson, die schon als psychopathische Killerin in  "Luther" überzeugte, zeigt hier ein breiteres Spektrum, von verführerischer Femme Fatal bis innerlich zerbrochener Mutter eines toten Sohns.

Toll auch die weiteren Schauspieler: Maura Tierney, in  "Emergency Room" als Abby Lockhart (!) lange Jahre eine der Stützen des Langzeit-Klinikdramas, hat nach langer Wartezeit (und schwerer Erkrankung) endlich wieder eine Rolle, die sie verdient: die einer starken, selbständigen, zugleich höchst bodenständigen Frau. Einziger Kritikpunkt wäre, dass ihre Auftritte bislang noch etwas zu kurz kommen. Das Gleiche trifft auch auf Ex- "Dawson's Creek"- und  "Fringe"-Star Joshua Jackson zu, über dessen Rolle man sich nach zwei Folgen noch kein richtiges Bild machen kann. Cole scheint Sex sehr wichtig zu sein (auch mit wechselnden Partnerinnen?), aber macht ihn das schon zu einem schlechten Mann? Noahs ungeliebten reicheren und als Schriftsteller erfolgreicheren Schwiegervater (Noah: "Hast du mich gerade einen Schmock genannt?" - "Nun, ich habe es nicht beabsichtigt.") spielt ausgerechnet John Doman, der als stellvertretender Polizeichef Rawls schon in "The Wire" ständig mit Wests Jimmy McNulty aneinandergeriet - ein relativ genialer Castingcoup.

Insgesamt ist "The Affair" eine sehr erwachsen wirkende Serie in der Tradition jüngerer Serien des Pay-TV-Senders Showtime wie  "Masters of Sex" - nicht in erster Linie, weil es um eine außereheliche Affäre ginge oder Sex natürlich auch recht explizit ins Bild gerückt wird. Sondern, weil die ganze Art, wie die Geschichte erzählt wird, sehr erwachsen daherkommt - ein weiterer Beleg dafür, wie stark sich die Gattung Fernsehserie in den vergangenen Jahren von ihren recht trivialen Ursprüngen aus weiterentwickelt hat. Eine TV-Serie mit dem Konzept "Zwei verheiratete Menschen treffen sich und beginnen eine Affäre" hätte man noch vor wenigen Jahren wohl unmöglich an einen Sender verkaufen können.

Für langsames, reifes Erzählen in serieller Form stand bereits die HBO-Psychiaterserie  "In Treatment - Der Therapeut". Deren Autoren/Produzenten Sarah Treem und Hagai Levi stecken auch hinter "The Affair", wobei Treem, die auch für Netflix' Politdrama  "House of Cards" schrieb, für die Drehbücher der beiden Auftaktfolgen verantwortlich zeichnet. Mit  "Treme"-Koschöpfer Eric Overmyer ist zudem ein weiterer versierter Produzent beteiligt, der Erfahrung mit der Umsetzung alltäglicher Ereignisse in Serienform hat. Wenn  "Game of Thrones" und  "The Walking Dead" derzeit die US-Pay-TV-Serien sind, die für leicht vermarktbare Blockbusterunterhaltung stehen, dann ist "The Affair" ein Paradebeispiel für kleinere, leisere Serien, die vielleicht eher das etwas reifere Arthouse-Publikum ansprechen, dabei aber keinen geringeren Erzählsog erzeugen.

Dieses Review basiert auf der Sichtung der ersten zwei Episoden der Serie.

Meine Wertung: 4.5/5


Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Showtime


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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