Originalpremiere: 1964
FSK 12
Die kahlköpfige Prostituierte Kelly verprügelt in höchster Wut ihren betrunkenen Zuhälter, bevor sie sich ihren Geldanteil nimmt und geht. Nach zwei Jahren des Umherreisens ist sie 1963 in die typisch amerikanische Kleinstadt Grantville gekommen und trifft sogleich auf den korrupten Polizeichef Griff, mit dem sie eine Nacht verbringt. Griff will sie schnell in das außerhalb liegende Bordell schicken, doch Kelly, inspiriert vom idyllischen Schein der Stadt, möchte ein neues Leben beginnen und nimmt einen Job als Pflegerin im orthopädischen Krankenhaus für behinderte Kinder an. Liebevoll und voller Zuwendung kümmert sie sich um diese. Im Krankenhaus lernt sie auch Griffs Freund Grant, den reichen, in der Gemeinde angesehenen Nachfahren der Stadtgründer, kennen und lieben. Doch vor der Hochzeit wird der Schein von Perfektion und vollkommenem Glück abrupt zerstört, als Kelly die bisher geheime, kranke Psyche von Grant entdeckt. Zufällig wird sie Zeugin, wie er ein Kind sexuell missbraucht. Voller Abscheu und Wut über Grant, der seine Abnormalität nicht anstößig findet, bringt Kelly ihn um. Sie wird des Mordes beschuldigt und muss ins Gefängnis, weil niemand der ehemaligen Prostituierten die Wahrheit glaubt. Abseits der glanzvollen Hollywood-Ästhetik waren emotionale Ausbrüche, soziale Außenseiter und amoralische Helden kennzeichnende Elemente in den Filmen des Regisseurs Samuel Fuller (1912 bis 1997). "Ein Film ist wie ein Schlachtfeld" (Fuller) - dies wird auch in seinem 17. Spielfilm deutlich, in dem erneut eine moralische Geschichte im Zentrum steht. "Der nackte Kuss" (1964) kritisiert mit kreativer Bildsprache und sarkastischem Humor die Korruption, Heuchelei und verlogene Moral der amerikanischen Gesellschaft der 50er und 60er Jahre. Fullers gnadenlose und konsequente Erzählweise konfrontiert das hochglanzpolierte Bild der Kleinstadtidylle mit einer allgemeingültigen sozialen Kritik, die er schon im Jahr zuvor in "Shock Corridor" zum Ausdruck brachte.
(ZDF)