Es gibt auf diesem Planeten rund 650 Rosteiger. Kaum einer kennt sie; das mag daran liegen, dass sie in einem unbedeutenden Nebental eines unwichtigen Seitentals leben, das von einem ziemlich unbekannten Tal abzweigt. Die Täler liegen in den Nordvogesen, im Elsass. Nun mag man sagen, Rosteig sei mit seinen zwei Gaststätten, zwei Kirchen und einer Bürgermeisterei nichts Besonderes, und das mag sogar stimmen, wenn man das Dorf auf der Rue principale, der einzigen Durchgangsstraße, binnen 120 Sekunden durchfahren hat. Aber wenn man genauer hinschaut, dann steckt dieser idyllische Flecken voller wunderschöner kleiner Geschichten. Wie die von Martine, der Agentin für Lebensqualität und Produzentin des Rosteiger Lokal-Fernsehens. Das ist wochentags immer auf Sendung: Notdienste, Sportresultate, Geburtstage und wackelige Video-Bilder aus dem Dorf schneidet Martine neben dem WC auf dem Rathaus zusammen. Dann geht die "Chaîne locale" auf Sendung, auf Kanal 24 des Kabels - exklusiv in und für Rosteig. 72 Prozent Subventionen hat man für die Einrichtung dieses Miniatur-Fernsehens bekommen. In Rosteig ist man ganz vernarrt in Subventionen. Lucien Jochem, der Gemeindesekretär, verfügt glücklicherweise über die notwendige Erfahrung, um für praktisch jede Ausgabe in Paris oder beim Departement ein paar Euro locker zu machen. Martines Gehalt wird übrigens zu 80 Prozent vom Staat bezahlt. Charles Schwenk, der Bürgermeister, wird ebenfalls von Paris subventioniert, mit lausigen 2.300 Euro pro Jahr. Der "Maire" ist Rentner und verzichtet freiwillig auf 50 Prozent der ihm zustehenden Aufwandsentschädigung. Er ärgert sich aber hundertprozentig, wenn ihm jemand ins Gehege kommt. Zum Beispiel der Erzbischof, der in das leerstehende Pfarrhaus wieder einen Priester setzt. Schwenk wollte es in Mietwohnungen umbauen, und sein Kummer ist unbeschreiblich, als der neue Priester feierlich in Rosteig Einzug hält. Die Gemeinde muss rund 300 Gäste im Gemeindesaal bewirten. Der "Maire" weiß genau: Paris zahlt keinen Cent an Subventionen. Doch dann gibt es wie üblich Gugelhupf und Riesling. Man sieht: Schon ist die Welt wieder in Ordnung.
(SWR)
Länge: ca. 80 min.