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TV-Kritik/Review: "Britannia": Historische Fantasy-Serie mit Überdosis Psychedelik feiert Deutschlandpremiere

Die erste Serien-Kollaboration von Sky und Amazon bleibt hinter ihren Vorbildern zurück
Feldherr Aulus (David Morrissey) und Kerra (Kelly Reilly) in "Britannia"
Stanislav Honzik/Sky
TV-Kritik/Review: "Britannia": Historische Fantasy-Serie mit Überdosis Psychedelik feiert Deutschlandpremiere/Stanislav Honzik/Sky

 "Game of Thrones" setzt vor dem Finale ein ganzes Jahr lang aus,  "Vikings" befindet sich in der Winterpause - passender Zeitpunkt also für die leicht trashige Synthese dieser beiden Erfolgsserien: Fantasy trifft Geschichtsserie, harte Gewalt auf mäßig expliziten Sex, magischer Mumpitz auf Römerpathos.  "Britannia" ist die erste Kollaboration von Sky Atlantic mit Amazon Prime Video, konzipiert wurde sie von  "Edge of Tomorrow"-Autor Jez Butterworth, seinem Bruder Tom ( "Die letzte Legion") und  "Monsters"-Produzent James Richardson. Der Plot: Im Jahr 43, während der Regierungszeit von Kaiser Claudius, macht sich Feldherr Aulus Plautius mit 20.000 Legionären von der gallischen Küste auf zu den britischen Inseln, die Julius Caesar neun Jahrzehnte zuvor nicht erobern konnte. Erschreckt von Druiden und anderen Unbequemlichkeiten auf den Inseln der Wilden hatte er die Mission seinerzeit abgebrochen. Plautius trifft nun auf ein Land, das mit dem Römischen Reich längst Handelsbeziehungen aufgenommen hat - und sich eher mit sich selbst im Krieg befindet. Die verschiedenen keltischen Stämme sind sich spinnefeind, und der eitle Römer wittert die Chance, Britannien endlich dem Kaiserreich einzuverleiben und die Zinnvorräte auszubeuten.

Was die Butterworths und ihre Regisseure (Metin Hüyesin und Sue Tully) aus dieser Vorgabe machen, präsentiert sich freilich weniger als akkurates Historiendrama denn als krude Mischung aus den vorgenannten Serien, angereichert mit einer Extraprise Psychedelik. Das fängt schon bei Donovans Kiffer-Klassiker "Hurdy Gurdy Man" an, der im runenmystisch hingetuschten Vorspann erklingt (und nochmals als Rausschmeißer im Abspann), es geht weiter mit rauchgeschwängerten Fruchtbarkeitsriten der keltischen Bewohner bis hin zu den Druiden, die mit tellergroß gemorphten Pilzschnüffler-Augen irgendwo im Wald zusammenhocken und sich, an Moos und Wurzeln lutschend, in fremde Sphären schießen. Vieles davon ist nicht ganz freiwillig komisch: die Briten, ein Volk, aus benebelten Druffis? Zur nationalistischen Selbstvergewisserung im Angesicht des selbst eingebrockten Brexit taugt die Serie jedenfalls nur bedingt.

Den Eroberer Plautius verkörpert David Morrissey (der "Governor" aus  "The Walking Dead") als jovialen Machtmenschen im schmierenden Shakespeare-auf-der-Freiluftbühnen-Modus: "Ich bin ein Römer! Und wo ich bin, ist Rom!" dröhnt er, kaum dass er seinen Fuß auf britischen Boden setzt. Die Legionäre zittern im Kollektiv, eingedenk der Gruselgeschichten von dunkler Druiden-Magie, die seit Caesars Fehlschlag Legende sind. Tatsächlich residiert irgendwo im Gebüsch der kahlköpfige Druide Veran samt Gefolge - ein knorriger Grottenolm mit in die Fingerkuppen eingenähten Silberringen und vielen Tattoos (wie überhaupt die Maskenbildner fast jeden Darsteller mit Runen oder anderen Symbolen zugekritzelt haben), gespielt von Mackenzie Crook ( "The Office") mit Geisterbahn-Moves und Krächzestimme, als würde er in einem alten Musikvideo von The Prodigy mitspielen. Veran ist mit der Unterwelt im Bunde - und den Ruf der Toten hört, das wird schnell klar, bald auch Feldherr Aulus.

Ein anderer Druide, aus den offiziellen Waldschrat-Zirkeln ausgestoßen, nennt sich Divis und wird vom Dänen Nikolaj Lie Kaas ( "Kommissarin Lund") verkörpert. Divis, der ungewaschen und leicht wirr über die Insel streift, kann andere Leute telepathisch beeinflussen und sorgt für gewollten Comic Relief. Als die halbwüchsige Cait (Eleanor Worthington-Cox aus  "Unsichtbare Besucher") seinen Weg kreuzt, werden die beiden zum unwahrscheinlichen Duo, das streitend und witzelnd neuen Abenteuer entgegenwandert. Cait konnte gerade eben noch so jenem Massaker entkommen, dass die Römer an den Bewohnern ihres Dorfes verübten - der friedliche Keltenstamm war am Vorabend der Sommersonnenwende besonders schutzlos, da völlig zugedröhnt an einem Fruchtbarkeitsritual beteiligt, das Cait in den Erwachsenenzustand emporheben sollte. Was Cait nicht weiß: Ihr Vater Sawyer (Barry Ward,  "Jimmy's Hall") hat überlebt und wird von den Römer versklavt - ein rührendes Wiedersehen steht als narratives Ziel definitiv am Horizont des Neunteilers.

Die ungleichen Weggefährten Cait (Eleanor Worthington-Cox) und Divis (Nikolaj Lie Kaas) in "Britannia"
Die ungleichen Weggefährten Cait (Eleanor Worthington-Cox) und Divis (Nikolaj Lie Kaas) in "Britannia"

Außerdem mit im Spiel: Die sich einander bekriegenden keltischen Stämme der Regni und Cantii. Erstere werden von der sarkastischen Königin Antedia (Zoë Wanamaker,  "My Family") angeleitet, die sich per Kutsche chauffieren lässt und dabei so aussieht wie Tina Turners weiße Schwester aus dem dritten "Mad Max"-Film. Die Cantii dagegen leben in einer imposanten Felszitadelle und führen sich innerfamiliär so auf wie die Lannisters an besonders schlechten Tagen. King Pellenor (Ian McDiarmid, der Palpatine aus "Star Wars") ist druidengläubig und meistens mies gelaunt, der snobistische Spross und Erbe Phelan (Julian Rhind-Tutt,  "Green Wing") fühlt sich düpiert, weil seine intrigante Gattin Amena (Annabel Scholey,  "Walking on Sunshine") aus taktischen Gründen an den gallischen Adoptivsohn und harten Krieger Lindon (Stanley Weber,  "Borgia") weitervermählt wurde. Der allerdings wirft seine Augen lieber auf Pellenors ungeliebte Tochter Kerra (Kelly Reilly aus  "Black Box"), die möglicherweise von römischer Abstammung ist, mit Pfeil und Bogen durch die Wälder reitet und dabei eine schimmernde rote Mähne zur Schau trägt, als würde sie gerade für eine L'Oréal-Werbung durchs Dickicht paradieren. Und was ist mit der aus Antedias Obhut geraubten Ania (Liana Cornell) mit ihren schicken blauen Bemalungen im Gesicht?

Müßig zu erwähnen, dass es seine Zeit braucht, um dieses Figurengestrüpp in Gänze zu überblicken, zumal es auch unter den Römern neben Aulus noch weitere nennenswerte Charaktere gibt, den Präfekten Lucius etwa (Hugo Speer aus  "Die Musketiere") oder den schwarzen Legionär Vitus (Gershwyn Eustache Jnr aus  "Legends"). Einige Figuren aus dem Main Cast sind bis Ende der zweiten Episode noch gar nicht aufgetaucht - Fortunato Cerlino ( "Gomorrha") in der Rolle des Damals-noch-nicht-Kaisers Vespasian etwa, oder Joe Armstrong (aus dem BBC- "Robin Hood") als Eunuch Gildas.

Druide Veran (Mackenzie Crook) und Kerra (Kelly Reilly) in "Britannia"
Druide Veran (Mackenzie Crook) und Kerra (Kelly Reilly) in "Britannia"

Wer bei den Cantii-Intrigen nun an Cersei und Jamie Lannister denkt oder, wenn Cait und Divis frotzelnd durch die Klippenlandschaft spazieren, an Arya und den Hound; wer angesichts der brutal niedergemetzelten Dörfer "Vikings" von Ferne grüßen hört, der hat natürlich Recht. Die Vorbilder bleiben erkennbar. Die Butterworths bemühen sich zudem um flotte Dialoge (die mit ihrem Übermaß an unflätigen Invektiven freilich arg neumodisch daherkommen) und rasche Konflikteskalationen. Noch dazu sieht die Serie blendend aus mit ihren malerischen, oft fast impressionistisch in Szene gesetzten Wald-, Strand- und Klippenlandschaften, die in Wales und Tschechien aufgenommen wurden. Dennoch kann man das Ergebnis nicht wirklich ernstnehmen, und das nicht nur wegen Reillys wehender Fönwelle. Zu divers sind die Spielstile der vielen Akeure, die zwischen pathosdröhnend, flapsig und schrill schwanken; zu sehr grenzt auch das verdrogte Druidengeraune ans Spinnerte. Mitunter hat man das Gefühl, der Parodie einer anderen Serie zuzusehen, dann wieder wird es plötzlich ganz ernst und schicksalsschwer: Den richtigen Ton gefunden hat "Britannia" in den frühen Folgen jedenfalls noch nicht.

Bleibt also noch der Vergleich in den für dieses Genre wichtigsten Kategorien: Über die geschichtliche Akkuratesse mögen Experten urteilen, aus UK kam jedenfalls viel Gemoser über die zahlreichen Anachronismen - wenn etwa von Kairo die Rede ist, einer Stadt, die erst ab dem Mittelalter jenen Namen trägt. In Sachen Gewalt ist "Britannia" nicht zimperlich, schon in der ersten Folge werden Kehlen und Extremitäten durchgetrennt, das Blut spritzt nur so. Das ist definitiv auf (ausgequetschter) Augenhöhe mit "GoT" oder, schlimmer, Kurt Sutters  "Bastard Executioner". In Sex-Dingen herrscht dagegen noch Prüderie: Bis auf einen beiläufig gelupften Busen findet sich nichts, worauf die Lustgnome aus Westeros auch nur einen müden Blick werfen würden.

Ist das Ganze nun eine würdige Urlaubsvertretung ihrer Vorbilder? Schwer zu sagen. Am besten mal kurz reinschauen: Wem das ganze mystische Räucherstäbchengetue, die ständig irgendwo dekorativ herumzüngelnden Feuerflammen und die im Takt der römischen Marschmusik erzitternden Farnhalme in Nahaufnahme schon in der ersten halben Stunde auf den Zeiger gehen, der ist definitiv in der falschen Serie.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie "Britannia".

Meine Wertung: 3/5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Sky

Bei Sky Atlantic werden ab 23. Februar 2018 immer freitags um 20.15 Uhr neue Episoden gezeigt - zum Auftakt die 70-minütige Pilotfolge, danach jeweils Doppelfolgen. Alle neun Episoden werden bereits ab diesem Datum über die On-Demand-Angebote von Sky abrufbar sein (Sky on Demand, Sky Go und Sky Ticket). Passend zum Serienstart von "Britannia" präsentiert Spiegel Geschichte HD die Dokuserie  "Rom - Die letzte Grenze" aus dem Jahr 2009 ab dem 20. Februar um 21.00 Uhr. In drei Episoden werden die wahren Ereignisse, die den historischen Hintergrund für die Geschehnisse der Serie bilden, beleuchtet.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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Leserkommentare

  • Stefan_G schrieb am 06.04.2018, 23.52 Uhr:
    Also ich bin s c h o n froh, dass die Sprache einheitlich ist. Hab da keinen Bock drauf, keltische Originalsprache zu hören - und anschließend die ganzen (deutschen) Untertitel abzulesen!!
    Dann ist die Sprache eben deutsch (synchronisiert natürlich) - na und?!??
    Dann iss es eben so...
  • User 65112 schrieb am 27.02.2018, 12.49 Uhr:
    Das klingt mir zu sehr nach A-Papst. Es ist nunmal keine Doku, sondern eine Unterhaltungsserie. Und was das Storytelling angeht, haben die Autoren einen richtig guten Job gemacht. Das künstlerische Konzept der Serie passt auch zusammen, ja, sogar mit dem Titellied. So kann man Geschichte einem modernen Pubikum, schmackhaft machen. Ich bin eigentlich auch jemand, der auf eine akurate Geschichtsdarstellung steht. Hier haben mich die Modernisierungen aber überhaupt nicht gestört, weil sie einfach sehr gut umgesetzt sind. Die Story ist frech und gut und düster und intensiv, die Darsteller sind ziemlich gute, erfahrene Schauspieler, denen ich gerne beim Spielen zusehe. Auch visuell, super gefilmt, die Magie ist nicht nur behauptet, sondern zum Miterleben. Mich holt das in diese (fiktive keltisch/römische) Welt rein. Die Serie ist nicht A, wie der Reenactor sagen würde, zugegeben, aber sie überzeugt mich absolut als Unterhaltungsformat. Wenn man sich darauf einlässt, ist sie sogar ziemlich geil :-)
    "Vikings" ist auch nicht A. "The Last Kingdom" ist nicht A. "Spartacus" ist nicht A. Trotzdem schaut man es gern, weil es einfach saugutes Drama ist. Und: Vikings und Spartacus haben auch Titelsongs, die nicht historisierend sind. Ist das ein Grund, die Serien nicht zu schauen? Was für ein seltsames Argument. Jeder heute komponierte Song hat nichts mit der historischen Zeit zu tun, weil wir gar nicht wissen, wie Musik in der Eisenzeit wirklich geklungen hat. Da kann man höchstens Überlegungen anstellen. Oder: Warum sprechen die Figuren in Spartacus eigentlich nicht latein sondern ein modernes, britisches englisch? Kann ich verraten: Man versteht sie dadurch deutlich besser :-) Hand hoch: Wem würde Britannia besser gefallen, wenn er es mit Untertiteln schauen müsste? (es gibt übrigens die Andeutung der keltschen Sprache in den Folgen!)
  • User 1338156 schrieb am 25.02.2018, 18.26 Uhr:
    Kann die Analyse von Lysander nicht nachvollziehen.
    Es ist wirklich interessant, wie verschieden die Sichtweisen von uns Menschen sind.
    Bin selber voll auf Seiten von Herrn Andreas, wobei ich noch einige zusätzliche "Unstimmigkeiten"
    festgestellt habe.
    Wenn man eine historisch angehauchte, geheimnisumwobene Fantasy-Serie sieht, dann möchte man für ein paar Augenblicke der heutigen Wirklichkeit entfliehen und in diese geheimnisvolle Welt eintauchen. Zuminderst möchte ich das.
    Alles, was dieses Hineingleiten in eine andere Welt, in eine andere Zeit und Kultur verhindert,
    zerstört dies.
    Das fängt schon mit der Titelmusik an, die rein gar nichts mit dieser Zeit zu tun hat.
    Wieso sprechen eigentlich Kelten und Römer die gleiche Sprache?
    Wieso sprechen die Bewohner so "flapsig" wie es im heutigen Sprachgebrauch üblich ist?
    Auch werden die "Urengländer" als unsaubere, leicht verblödete Hinterweltler dargestellt.
    All das zusammen mit der Kritik von Herrn Andreas ergibt für mich höchstens 2 Sterne von Fünfen.
  • User 65112 schrieb am 25.02.2018, 10.34 Uhr:
    Ich habe mir die ersten Folgen gestern angeschaut und konnte gar nicht mehr aufhören. Ich muss sagen, ich habe eine neue Lieblingsserie. Sie setzt wirklich ihren eignen Ton, und der ist so gut, so frech, so respektlos, aber auch so dunkel, dass man leichte Anachronismen ebenso wie das erkennbar preiswerte Kostümbild verzeihen kann. Wenn ich vorher gedacht hätte, es sei nicht möglich, finster und witzig in der gleichen Episode, ja in der gleichen Szene zu inszenieren, wurde ich eines Besseren belehrt. Alle Figuren schrappen leicht am Wahnsinn vorbei. In der Dichte der emotionalen und blutigen Intensität fühle fühle ich mich oft an "Spartacus - Blood an Sand" erinnert. Also Leute, vergesst die drei Sterne des Rezensenten, die Serie verdient mindestens sechs von fünf Sternen.