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TV-Kritik/Review: "Britannia": Historische Fantasy-Serie mit Überdosis Psychedelik feiert Deutschlandpremiere
(22.02.2018)
Was die Butterworths und ihre Regisseure (Metin Hüyesin und Sue Tully) aus dieser Vorgabe machen, präsentiert sich freilich weniger als akkurates Historiendrama denn als krude Mischung aus den vorgenannten Serien, angereichert mit einer Extraprise Psychedelik. Das fängt schon bei Donovans Kiffer-Klassiker "Hurdy Gurdy Man" an, der im runenmystisch hingetuschten Vorspann erklingt (und nochmals als Rausschmeißer im Abspann), es geht weiter mit rauchgeschwängerten Fruchtbarkeitsriten der keltischen Bewohner bis hin zu den Druiden, die mit tellergroß gemorphten Pilzschnüffler-Augen irgendwo im Wald zusammenhocken und sich, an Moos und Wurzeln lutschend, in fremde Sphären schießen. Vieles davon ist nicht ganz freiwillig komisch: die Briten, ein Volk, aus benebelten Druffis? Zur nationalistischen Selbstvergewisserung im Angesicht des selbst eingebrockten Brexit taugt die Serie jedenfalls nur bedingt.
Den Eroberer Plautius verkörpert David Morrissey (der "Governor" ausEin anderer Druide, aus den offiziellen Waldschrat-Zirkeln ausgestoßen, nennt sich Divis und wird vom Dänen Nikolaj Lie Kaas (
Außerdem mit im Spiel: Die sich einander bekriegenden keltischen Stämme der Regni und Cantii. Erstere werden von der sarkastischen Königin Antedia (Zoë Wanamaker,
Müßig zu erwähnen, dass es seine Zeit braucht, um dieses Figurengestrüpp in Gänze zu überblicken, zumal es auch unter den Römern neben Aulus noch weitere nennenswerte Charaktere gibt, den Präfekten Lucius etwa (Hugo Speer aus
Wer bei den Cantii-Intrigen nun an Cersei und Jamie Lannister denkt oder, wenn Cait und Divis frotzelnd durch die Klippenlandschaft spazieren, an Arya und den Hound; wer angesichts der brutal niedergemetzelten Dörfer "Vikings" von Ferne grüßen hört, der hat natürlich Recht. Die Vorbilder bleiben erkennbar. Die Butterworths bemühen sich zudem um flotte Dialoge (die mit ihrem Übermaß an unflätigen Invektiven freilich arg neumodisch daherkommen) und rasche Konflikteskalationen. Noch dazu sieht die Serie blendend aus mit ihren malerischen, oft fast impressionistisch in Szene gesetzten Wald-, Strand- und Klippenlandschaften, die in Wales und Tschechien aufgenommen wurden. Dennoch kann man das Ergebnis nicht wirklich ernstnehmen, und das nicht nur wegen Reillys wehender Fönwelle. Zu divers sind die Spielstile der vielen Akeure, die zwischen pathosdröhnend, flapsig und schrill schwanken; zu sehr grenzt auch das verdrogte Druidengeraune ans Spinnerte. Mitunter hat man das Gefühl, der Parodie einer anderen Serie zuzusehen, dann wieder wird es plötzlich ganz ernst und schicksalsschwer: Den richtigen Ton gefunden hat "Britannia" in den frühen Folgen jedenfalls noch nicht.
Bleibt also noch der Vergleich in den für dieses Genre wichtigsten Kategorien: Über die geschichtliche Akkuratesse mögen Experten urteilen, aus UK kam jedenfalls viel Gemoser über die zahlreichen Anachronismen - wenn etwa von Kairo die Rede ist, einer Stadt, die erst ab dem Mittelalter jenen Namen trägt. In Sachen Gewalt ist "Britannia" nicht zimperlich, schon in der ersten Folge werden Kehlen und Extremitäten durchgetrennt, das Blut spritzt nur so. Das ist definitiv auf (ausgequetschter) Augenhöhe mit "GoT" oder, schlimmer, Kurt Sutters
Ist das Ganze nun eine würdige Urlaubsvertretung ihrer Vorbilder? Schwer zu sagen. Am besten mal kurz reinschauen: Wem das ganze mystische Räucherstäbchengetue, die ständig irgendwo dekorativ herumzüngelnden Feuerflammen und die im Takt der römischen Marschmusik erzitternden Farnhalme in Nahaufnahme schon in der ersten halben Stunde auf den Zeiger gehen, der ist definitiv in der falschen Serie.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie "Britannia".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Sky
Bei Sky Atlantic werden ab 23. Februar 2018 immer freitags um 20.15 Uhr neue Episoden gezeigt - zum Auftakt die 70-minütige Pilotfolge, danach jeweils Doppelfolgen. Alle neun Episoden werden bereits ab diesem Datum über die On-Demand-Angebote von Sky abrufbar sein (Sky on Demand, Sky Go und Sky Ticket). Passend zum Serienstart von "Britannia" präsentiert Spiegel Geschichte HD die Dokuserie
Über den Autor
Leserkommentare
Stefan_G schrieb am 06.04.2018, 23.52 Uhr:
Also ich bin s c h o n froh, dass die Sprache einheitlich ist. Hab da keinen Bock drauf, keltische Originalsprache zu hören - und anschließend die ganzen (deutschen) Untertitel abzulesen!!
Dann ist die Sprache eben deutsch (synchronisiert natürlich) - na und?!??
Dann iss es eben so...User 65112 schrieb am 27.02.2018, 12.49 Uhr:
Das klingt mir zu sehr nach A-Papst. Es ist nunmal keine Doku, sondern eine Unterhaltungsserie. Und was das Storytelling angeht, haben die Autoren einen richtig guten Job gemacht. Das künstlerische Konzept der Serie passt auch zusammen, ja, sogar mit dem Titellied. So kann man Geschichte einem modernen Pubikum, schmackhaft machen. Ich bin eigentlich auch jemand, der auf eine akurate Geschichtsdarstellung steht. Hier haben mich die Modernisierungen aber überhaupt nicht gestört, weil sie einfach sehr gut umgesetzt sind. Die Story ist frech und gut und düster und intensiv, die Darsteller sind ziemlich gute, erfahrene Schauspieler, denen ich gerne beim Spielen zusehe. Auch visuell, super gefilmt, die Magie ist nicht nur behauptet, sondern zum Miterleben. Mich holt das in diese (fiktive keltisch/römische) Welt rein. Die Serie ist nicht A, wie der Reenactor sagen würde, zugegeben, aber sie überzeugt mich absolut als Unterhaltungsformat. Wenn man sich darauf einlässt, ist sie sogar ziemlich geil :-)
"Vikings" ist auch nicht A. "The Last Kingdom" ist nicht A. "Spartacus" ist nicht A. Trotzdem schaut man es gern, weil es einfach saugutes Drama ist. Und: Vikings und Spartacus haben auch Titelsongs, die nicht historisierend sind. Ist das ein Grund, die Serien nicht zu schauen? Was für ein seltsames Argument. Jeder heute komponierte Song hat nichts mit der historischen Zeit zu tun, weil wir gar nicht wissen, wie Musik in der Eisenzeit wirklich geklungen hat. Da kann man höchstens Überlegungen anstellen. Oder: Warum sprechen die Figuren in Spartacus eigentlich nicht latein sondern ein modernes, britisches englisch? Kann ich verraten: Man versteht sie dadurch deutlich besser :-) Hand hoch: Wem würde Britannia besser gefallen, wenn er es mit Untertiteln schauen müsste? (es gibt übrigens die Andeutung der keltschen Sprache in den Folgen!)User 1338156 schrieb am 25.02.2018, 18.26 Uhr:
Kann die Analyse von Lysander nicht nachvollziehen.
Es ist wirklich interessant, wie verschieden die Sichtweisen von uns Menschen sind.
Bin selber voll auf Seiten von Herrn Andreas, wobei ich noch einige zusätzliche "Unstimmigkeiten"
festgestellt habe.
Wenn man eine historisch angehauchte, geheimnisumwobene Fantasy-Serie sieht, dann möchte man für ein paar Augenblicke der heutigen Wirklichkeit entfliehen und in diese geheimnisvolle Welt eintauchen. Zuminderst möchte ich das.
Alles, was dieses Hineingleiten in eine andere Welt, in eine andere Zeit und Kultur verhindert,
zerstört dies.
Das fängt schon mit der Titelmusik an, die rein gar nichts mit dieser Zeit zu tun hat.
Wieso sprechen eigentlich Kelten und Römer die gleiche Sprache?
Wieso sprechen die Bewohner so "flapsig" wie es im heutigen Sprachgebrauch üblich ist?
Auch werden die "Urengländer" als unsaubere, leicht verblödete Hinterweltler dargestellt.
All das zusammen mit der Kritik von Herrn Andreas ergibt für mich höchstens 2 Sterne von Fünfen.User 65112 schrieb am 25.02.2018, 10.34 Uhr:
Ich habe mir die ersten Folgen gestern angeschaut und konnte gar nicht mehr aufhören. Ich muss sagen, ich habe eine neue Lieblingsserie. Sie setzt wirklich ihren eignen Ton, und der ist so gut, so frech, so respektlos, aber auch so dunkel, dass man leichte Anachronismen ebenso wie das erkennbar preiswerte Kostümbild verzeihen kann. Wenn ich vorher gedacht hätte, es sei nicht möglich, finster und witzig in der gleichen Episode, ja in der gleichen Szene zu inszenieren, wurde ich eines Besseren belehrt. Alle Figuren schrappen leicht am Wahnsinn vorbei. In der Dichte der emotionalen und blutigen Intensität fühle fühle ich mich oft an "Spartacus - Blood an Sand" erinnert. Also Leute, vergesst die drei Sterne des Rezensenten, die Serie verdient mindestens sechs von fünf Sternen.
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