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TV-Kritik/Review: "Carol & The End of the World": Animierte Netflix-Miniserie erzählt auf schräge Weise vom Warten auf unvermeidbare Apokalypse

(16.12.2023)

Ganz anders sieht es bei Carol Kohl (Originalstimme: Martha Kelly/deutsche Stimme: Frauke Poolman) aus. Irritiert und ratlos steht das graue Mäuschen mit den großen, traurigen Augen vor dem hedonistischen Treiben, schaut sich etwa ohne besondere Regungen ein Video ihrer draufgängerischen Schwester Elena (Bridget Everett/Almut Zydra) an, die von einem adrenalingetränkten Abenteuer zum nächsten eilt. Auch ihre komplett nackt durch die Gegend stapfenden Eltern Bernard (Lawrence Pressman/Rainer Gerlach) und Pauline (Beth Grant/Daniela Strietzel) werden vom Reisefieber gepackt und besteigen mitsamt ihrem Vollzeitpfleger Michael (Delbert Hunt/Tilo Schmitz), der gleichzeitig als ihr Liebhaber fungiert, ein Kreuzfahrtschiff. Viel Zeit haben sie eben nicht, um es ein letztes Mal richtig krachen zu lassen.

In liebevoll gestalteten, comichaften Bildern entwirft "Carol & The End of the World" ein Szenario, das sich schon durch seine skurrile Note, die weltumspannende Partystimmung von vielen anderen apokalyptischen Erzählungen unterscheidet. Nicht der raue Überlebenskampf oder die brutale Seite des Menschen im Angesicht der Katastrophe stehen hier im Zentrum, sondern die Suche einer höchst unspektakulären Hauptfigur nach Sinn und etwas Routine. Der Alltagstrott, an dem sie sich früher stets festklammern konnte, ist weggebrochen. Und Carol hat nun keine Ahnung, wie sie die Leere füllen soll. Worauf hat sie Lust? Wonach sehnt sie sich? Große Fragen, mit denen sie fortlaufend konfrontiert wird. Alle Welt erwartet von ihr, dass auch sie sich auslebt, verwirklicht. Dabei sind ihr eigentlich nur die kleinen Dinge wichtig: Gerne würde sie beispielsweise noch einmal fühlen, wie es ist, wenn man Geld angespart hat.
Serienschöpfer Dan Guterman (
Schräg wird es unter anderem, als Carol in der zweiten Episode ganz unverhofft einen Job in einer seltsamen Buchhaltungsabteilung bekommt und kurz darauf einen neuen Toner für den Kopierer besorgen muss. Auf der Suche nach einer ganz bestimmten Artikelnummer hetzt sie von einem derangierten Bürolager zum nächsten, nur um am Ende das gesuchte Produkt auf illegalem Weg zu ergattern und dabei, wie sie meint, ein bisschen die Kontrolle zu verlieren. Letzteres wird freilich durch ihr beherrschtes Verhalten, ihre Entschuldigungen und ihre unnachahmlich eintönige Sprechweise konterkariert. Aus der Haut zu fahren, liegt ihr definitiv nicht im Blut. Im eigenwilligen Kosmos von "Carol & The End of the World" wird das Aufstöbern eine Toners zu einer großen Aufgabe, die - natürlich - mit einer ironischen Pointe beschlossen wird.

Die heute zu beobachtende, stetig wachsende Selbstfixierung vieler Menschen nimmt die Serie in Form einer maximalen Zuspitzung kritisch in den Blick. Da die Welt ohnehin in ein paar Monaten untergehen wird, schaut jeder nur noch auf sich und seine Bedürfnisse. Ein echter Austausch ist so fast nicht mehr möglich. In Carols Büro arbeiten die Angestellten die meiste Zeit still vor sich hin, ohne zu wissen, was genau sie überhaupt tun. Die ersten Versuche der Protagonistin, mit Kollegin Donna (Kimberly Hebert Gregory/Daniela Hoffmann) ins Gespräch zu kommen, ziehen bloß ein kurzes Nicken nach sich. Im dritten Kapitel entsteht jedoch eine kleine Gemeinschaft, die an einem eher ungewöhnlichen Ort, einem Sonnenstudio, über das Leben und frühere Versäumnisse zu philosophieren beginnt. Auf überraschende Weise wird es plötzlich existenziell. Und deutlich zeigt sich, worauf Serienerfinder Guterman mit seiner Geschichte auch hinaus will: eine neue Mitmenschlichkeit und die Frage, wie man seine Aufmerksamkeit verteilt.
"Carol & The End of the World" nimmt einen vielleicht nicht sofort gefangen, scheint gelegentlich in einem auch durch die Musikuntermalung erzeugten Schwebezustand festzustecken, sticht, zumindest nach den ersten drei Folgen, aber mit unkonventionellem Storytelling und ausgefallenem Witz aus dem Meer an Endzeitgeschichten heraus. Kaum zu glauben, dass sich ausgerechnet Netflix an dieses Experiment gewagt hat, wo der einst als Erneuerer bejubelte Streaming-Riese doch längst überwiegend belanglose, austauschbare Stoffe produzieren lässt. Mutige Projekte wie dieses dürfen gerne wieder öfters grünes Licht erhalten.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei von insgesamt zehn Folgen der Miniserie "Carol & The End of the World".
Alle zehn Folgen der Miniserie "Carol & The End of the World" sind seit dem 15. Dezember 2023 bei Netflix verfügbar.
Über den Autor
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Leserkommentare
User 1809063 schrieb am 07.01.2024, 22.17 Uhr:
Grandiose Serie. Man muss sich halt darauf einlassen. Das zu schauen hat schon was von Meditation aber es ist auch einfach schön und unterhaltsam. Regt dazu an selbst mal über sich nachzudenken.Ich hab die Serie sehr gefeiert. Gerne mehr davon.
Mir hat auch der Zeichenstil extrem gut gefallen. Einfach stimmig.Gerd W D schrieb am 23.12.2023, 11.36 Uhr:
Na ja, das Ende der Welt ist eben auch nicht mehr, was es mal war. wer sich in dieser Geschichte nicht so richtig wiederfindet, der sollte vielleicht einmal zum "Restaurant am Ende des Universums" hinüberbeamen, da herrscht eine ganz andere Perspektive. (Quellenhinweis: So heisst der zweite Band der "zunehmend unkorrekt bezeichneten Trilogie" "Per Anhalter durch die Galaxis" bzw. "The Hitchhiker'a Guide To The Galaxy" - Am Ende waren es fünf Bände.) Überhaupt hat Autor Douglas Adams ein sehr gebrochenes Verhältnis zu Enden - Am Anfang war das Ende von Arthur Dents Haus, dicht gefolgt vom Ende der Erde, die man dann später für teures Geld wieder aufbauen musste, weil sie noch gebraucht wurde. Und Douglas Adams selbst wurde auch nur 49 Jahre alt ... okay, das war jetzt vielleicht ein bisschen "off topic", aber es gehört doch als Ergänzung zu jeder Behandlung von Endzeitszenarien, oder?
DerLanghaarige schrieb am 17.12.2023, 10.49 Uhr:
Warum sehen diese Cartoons "für Erwachsene" eigentlich immer so grässlich aus? Damals, als MTV in den 80ern mehr oder weniger damit anfing, machte das ja noch Sinn, von wegen Counterculture und Punk Rock Ästhetik, aber dass man im Jahre 2023 immer noch Cartoons mit möglichst billigem und abstoßendem Charakterdesign produziert, einfach nur weil es "nicht für Kinder" ist, ergibt für mich einfach keinen Sinn. Naja, immer noch besser als dieser ewig gleiche Animelook. Wenn auch nur etwas.
Hans18 schrieb am 17.12.2023, 00.11 Uhr:
Habs auch gesehen, aber öfters auch vorgespult, weil es mir zu langweilig wurde. Und das ist dann auch mein persönliches Fazit: Die Prämise der Geschichte ist toll: Wie wäre die Welt, wenn alle wüßten in 7 Monate ist es vorbei. Mir war dann aber die Storyentwicklung zu dünn. Eigentlich tut sich fast gar nichts. Sicherlich gab es die einen oder anderen emotionalen Momente, aber das wars dann auch. Sie ist aber trotzdem nicht schlecht, immerhin breche ich viele Serien nach 10 Minuten oder 1 Folge ab. Das ist hier nicht passiert.
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