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TV-Kritik/Review: "Deutscher": Erfreulich komplexe Familienserie aus einem Land, in dem die Rechten regieren

(28.04.2020)

Als Alexander Gauland, Ex-Vorsitzender der AfD, vergangenen November seinen Posten abgab, gewährte er in einem Interview mit dem Focus einen interessanten Einblick in seine soziale Situation: "Ein Teil meiner Familie hat völlig mit gebrochen
, gestand er da. Fast die gesamte Verwandtschaft meiner Frau lehnt die AfD völlig ab.
Es war ein anschauliches Beispiel für den Riss, den die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft in nahezu allen Teilen der Welt, besonders aber in den vermeintlich aufgeklärteren, "westlichen" Ländern, quer durch Freundesgruppen, Belegschaften und eben auch Familien eingezogen hat - eine Polarisierung mithin, auf die Gauland und seine AfD jahrelang kräftig hingewirkt haben. Öffentliche Empörung und scharfe Auseinandersetzungen in Talkshows, auf Twitter oder in anderen sozialen Medien sind eben nur die eine Seite dieser Medaille - die andere Seite ist der gesellschaftliche Alltag, der um diese Verwerfungen herum immer wieder neu organisiert werden muss.
Das am konkreten Beispiel einmal durchzuspielen, ist Absicht und kein geringes Verdienst der brillant besetzten Miniserie
Rogall und die beiden bislang vor allem im Kurzfilmbereich tätigen Jungregisseure Simon Ostermann und Sophie Linnenbaum spielen das zum großen Glück nicht an klischeehaften Schießbudenfiguren oder Pars-pro-toto-Karikaturen aus dem Satiresendungenmilieu durch, sondern beispielhaft an zwei durchaus glaubwürdig gezeichneten und gespielten Familien, deren Häuser (das eine rot, das andere blau) direkt nebeneinander stehen, in einer stinknormalen Wohnsiedlung irgendwo im rheinisch-bergischen Kreis. Die Schneiders verstehen sich als progressiv und sind entsetzt über den Ausgang der Wahl, die Pielckes dagegen hoffen auf eine Regierung, die die Probleme im Land "endlich anpackt". "Deutscher" betrachtet beide Familien zumindest in den ersten beiden Episoden mit gleich großem Interesse, vergleichbarer Empathie und ohne jede Häme, ohne dabei die rechtspopulistischen Ausfälle kleinzureden. Vor allem interessiert sich die Serie für die Mikro-Ebene der sozialen Zusammenhänge - und wie sich größere politische Themen darin wiederfinden. Und am Rande stellt sie die zunehmend wichtige Frage, wie das möglich ist, dass sich rechte Themen so weit in der gesellschaftliche Mitte ansiedeln konnten.

Die beiden Familien, um die es geht, leben nicht an den gesellschaftlichen Rändern. Sie leben mehr oder weniger in genau dieser bürgerlichen Mitte, wenn auch unterschiedlich gut situiert und gebildet. Eva Schneider (Meike Droste,
Die sozialen Unterschiede in Geschmack und Habitus, schon an den Namen der Sprösslinge (David vs. Marvin) und den unterschiedlich repräsentativen Autos in den Auffahrten ablesbar, werden schnell deutlich. Bei den Schneiders wird "bio" gegessen und im Ehebett französische Philosophie gelesen, am Arbeitsplatz ist ein Europafähnchen befestigt, im Regal stehen Reiseführer für Individualtouristen, und wenn mal ganz ordinär entspannt werden soll, dann immerhin noch beim Glas Rotwein vor "Bares oder Rares" im Fernsehen. Die Pielckes dagegen grillen am Wochenende sehr viel Fleisch. Das Wahlergebnis, das Deutschland eine rechte Regierung beschert, wird entsprechend unterschiedlich aufgenommen: Bei den Schneiders herrscht Entsetzen, und man hört man die hilflosen Kommentare, die man auch nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten vielfach vernahm ("Bei den Umfragen haben sie gesagt, das passiert auf keinen Fall!
, Jetzt können die sich schön selbst entzaubern!
), bei den Pielckes wird zum triumphalen Beischlaf gebeten. Doch "Deutscher" wird dabei nie denunziatorisch: Obwohl Frank Pielcke das Vokabular rechter Wutbürger nutzt (Medien sind "Faktenverdreher" mit "Gutmenschengelaber", Türken sind "Ölaugen"), bleibt er letztlich ein netter, zumindest aber in seinen Aktionen nachvollziehbarer Mann; mit seinem voraussichtlich fatalen Zug, sich mit einem verdächtig kumpelhaften Immobilientypen (Michael Lott,

Wie bisher Unsagbares plötzlich sagbar wird, wie sich Rassisten plötzlich in der Mehrheit wähnen, wie die Herabsetzung von Minderheiten salonfähig wird und man sich bang selbst versichern muss, dass "die Justiz noch unabhängig" ist, all das zeigt "Deutscher" an vielen Details, die immer wieder in das Leben der beiden Familien hineinspielen. So ist David in die junge Türkin Cansu (Lara Aylin Winkler) verliebt, deren Familie einen Burger-Imbiss betreibt. Dieser geht eines Tages in Flammen auf. An der Schule machen arabische Schüler Ärger, was besonders der schmächtige Marvin zu spüren bekommt - gerät er deshalb in falsche Kreise, hat er gar mit dem Brand zu tun? Christian bemerkt den neuen politischen Wind auch in seinem bislang so sozial-liberalen Kollegenkreis (die Rektorin wird von

Was darüber nicht vergessen wird, sind die privaten Probleme der Protagonisten - die eben nicht aufhören, nur weil sich der gesellschaftliche Kontext ändert. Ob nun das neue (möglicherweise ungewollte) Baby, das bei den Schneiders im Anmarsch ist, die beruflichen Wagnisse der Pielckes oder eben die Probleme im Umgang mit ihren renitenten Söhnen: Ehestreit bleibt Ehestreit, Familienkrach bleibt Familienkrach, und Rogall, der Regie und den vorzüglichen Darstellern gelingt es in den gesehenen Episoden erstaunlich souverän, diese Dinge ohne Übertreibung oder Karikierung mit den anderen Themen in Einklang zu bringen und immer wieder aufzuzeigen, wie und wo das eine in das andere hineinragt. Was sich dabei abzeichnet, sind erfreulich komplexe Figuren, die sich von ihren sicher gewähnten Standpunkten zu entfernen beginnen: Wie lange wird Christian den weltoffenen Pädagogen in sich aufrechterhalten können, während er an seiner Schule von arabischstämmigen Jungdealern verhöhnt wird? Wann werden Frank Zweifel am neuen Ungeist plagen? Wie loyal kann Ulrike bleiben?
Nur gelegentlich wirken die Dialoge in ihrem Bemühen, die Konfliktlinien nachzuzeichnen, etwas forciert diskursiv (in der Apotheke etwa, oder in der Lehrerkonferenz), meist aber bleibt das Szenario frei von didaktischer Thesenhuberei. Das ist eine Seltenheit und Wohltat im fiktionalen deutschen Fernsehen. "Deutscher" bringt sich fraglos in Stellung für den einen oder anderen Preis - als ebenso unterhaltsames wie intelligentes Sozialexperiment, das fürs Hinhören plädiert und Gemeinsamkeiten betont, ohne dabei die Gefahren des Rechtsrucks zu verharmlosen.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden der Miniserie "Deutscher".
ZDFneo beginnt am 28. April mit der Ausstrahlung der vierteiligen Miniserie "Deutscher" - am 28. und 29. April 2020 werden je ab 20.15 Uhr Doppelfolgen ausgestrahlt. Die komplette Serie steht bereits in der ZDFmediathek zum Abruf bereit.
Über den Autor
Leserkommentare
DanielPatrick schrieb am 29.04.2020, 19.46 Uhr:
Wie man vier von fünf Sternen vergeben kann, dies auch noch mit einem Studium der Kommunikationswissenschaften, während die Story extrem flach und fatal ist, werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr verstehen.
Die Idee dieser Miniserie ist sicher interessant, aber bei vier Episoden mit je ca. 45 Minuten, war zu erwarten, dass es entweder extrem radikal erzählt wird oder oberflächlicher nicht sein könnte und Letzeres wurde es am Ende. Oberflächlich und mit einer sehr merkwürdigen Botschaft - alles wird gut, auch wenn Nazis regieren.
Die beiden Jungs der Familie werden maximal auf Soap-Niveau gespielt. Die Texte der beiden Pubertären sind oft stockend und nichtssagend. Es ist lieblos runtergerotzt.
Es werden diverse Themen aufgegriffen, aber nichts geht in die Tiefe. Teilweise wirkt es absurd und verzweifelt, was die Produzenten da hinterlassen haben. Zu allem Überfluss wird dann auch noch mit Klischees gespielt, die dann aber durch völlig Irrsinn im Gegenzug ad absurdum geführt werden.
Als Befürworter deutscher Filme und Serien schäme ich für dieses Machwerk wirklich fremd, denn wenn es mal wieder heißt, dass die GEZ finanzierten TV-Sender eh nichts liefern, kann man hier wirklich nichts entgegensetzen, obwohl die Idee und auch einige Schauspieler es hätten hergeben können. Schmunzeln musste ich dennoch, die Story und der Name Emre lassen vermuten, dass die Jungdealer zumindest zum Großteil türkischstämmig sind, aber in Anbetracht der Erkenntnis der Serie, kann man auch sagen - egal ob rot oder blau, ob arabisch oder türkisch, alles in einen Topf, ist es eh immer das Gleiche. Ich würde einen halben Stern vergeben, vor allem weil das Elend nur vier Episoden ging und nicht viel mehr Geld und Zeit verbrannt wurde als nötig, um zu zeigen was alles nicht funktioniert.Anonymer Teilnehmer schrieb via tvforen.de am 28.04.2020, 19.11 Uhr:
Da werde ich nachher doch mal reinschauen.
7even schrieb am 28.04.2020, 17.20 Uhr:
ok, diese interessante Rezension hat mich jetzt neugierig gemacht... wehe, ich habe jetzt zu hohe Erwartungen aufgebaut! :D
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