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Routiniert durchkonzipierte Krimi-Miniserie mit "Die Brücke"-Star Sofia Helin
Sucht gleich mehrere Wahrheiten: Sofia Helin als seelisch gezauste Cold-Case-Ermittlerin Iris Broman.
ZDF / Carolina Romare
TV-Kritik/Review: "Iris - Die Wahrheit": Leiche im Wald, Geist vor dem Haus/ZDF / Carolina Romare

Zu den prägendsten Ermittlerinnen der jüngeren Fernsehgeschichte zählt ohne Zweifel Saga Norén, die autistische (oder zumindest autistisch wirkende) Kommissarin aus  "Die Brücke". Gespielt von Sofia Helin, faszinierte die in Malmö, auf der schwedischen Seite des Öresund, wirkende Figur durch ihre schmerzhaft direkte Art: engagiert, brillant, auf soziale Normen pfeifend - und meistens schlecht gelaunt. Keine Überraschung also, dass "Brücke"-Co-Autorin Camilla Ahlgren jetzt als Showrunnerin dieses neuen Sechsteilers ein paar Elemente recycelt: In der schwedisch-deutschen Co-Produktion  "Iris - Die Wahrheit" (vorab veröffentlicht in der ZDFmediathek) spielt ebenfalls Sofia Helin die Hauptrolle. Erneut ermittelt sie in Malmö. Und erneut hat sie dabei meistens schlechte Laune. Das sorgt für routinierte Krimi-Unterhaltung auf hohem Produktionsniveau, die an die kultisch verehrten "Brücke"-Staffeln allerdings nicht heranreicht.

Am Anfang steht das Trauma: In wenigen, verwischten Bildern stellt Regisseurin Linnéa Roxeheim das Unheil voran, das Sofia Helins Figur fortan begleiten wird. Ein Mann wird angeschossen, fällt um, eine Frau bricht in Panik aus, stürzt zu ihm hin. Der Mann, offenbar ihr Partner, stirbt. Dann schon sitzt die Frau im Zug, mit einer Urne auf dem Schoß. Die Frau - das sehen wir daran, dass Helin sie spielt - wird die Protagonistin dieser Miniserie sein: Iris Broman, eine Polizistin, die im Anschluss an die erwähnte Tragödie ihren Dienst in der schwedischen Hauptstadt Stockholm quittiert, um gut 600 Kilometer weiter südlich, in der Grafschaft Skåne, neu anzufangen und nach Möglichkeit auch wieder zu sich selbst zu kommen. Sie wohnt dort zunächst im schmuck an der südschwedischen Küste liegenden Strandbungalow ihrer in Paris lebenden Halbschwester - die Urne kommt auf den Wohnzimmertisch, der Inhalt der Gefriertruhe wird verspeist, unfreiwillig auch die Hasch-Schokokekse, die dort noch lagerten.

Der Mann, der am Anfang der Serie sein Leben lässt, ist nicht aus dem Spiel und nicht aus der Serie - als Geist stapft er weiter durch Iris' Leben. Christian, so sein Name, sitzt ihr im Zug gegenüber, steht mit Journalisten vor dem Haus, wandert über Dünen. Ihre Trauerarbeit, zeigt dies, hat Iris noch längst nicht bewältigt, und das auch nicht ohne Grund: Die Mörder sind nach wie vor auf freiem Fuß. Warum sie Christian töteten, scheint Iris zu ahnen, vielleicht sogar zu wissen. Die Zuschauer aber dürfen es erst später erfahren.

Halbschwestern an der Küste von Skåne: Iris mit der aus Paris angereisten Kattis (Hedda Stiernstedt, l.).
Halbschwestern an der Küste von Skåne: Iris mit der aus Paris angereisten Kattis (Hedda Stiernstedt, l.). ZDF / Carolina Romare

Mit gängiger Salamitaktik im Aufdecken der komplexen Hintergründe geht Showrunnerin Ahlgren vor, wenn sie mit ihren versierten Co-Autoren (der norwegische Regisseur Martin Asphaug und der schwedische Schriftsteller Alex Haridi) daran geht, die Traumata nicht nur ihrer Protagonistin, sondern auch diverser Nebenfiguren aufzudecken: Zum ungelösten Fall rund um Iris' toten Partner kommt denn auch schnell noch ein ungelöster Kriminalfall aus den Nullerjahren hinzu, der wieder aufgerollt wird, als zwei Teenager im Wald die Reste einer Leiche finden. Der jugendliche Benjamin Serén war in besagtem Wald seinerzeit spurlos verschwunden: Ist er es? Die Forensik macht sich an die Arbeit.

Iris' Bungalow steht in der Nähe von Ystad, also fährt sie nun täglich mit dem Zug eine Stunde westwärts nach Malmö, wo sie nach ihrem Wegzug aus Stockholm nun praktischerweise einer Abteilung für "Cold Cases" vorsteht: Fälle, die vor Jahren als ungelöst weggeheftet wurden und nun wieder hervorgekramt werden. Das erlaubt es den Autor*innen der Serie, die beiden erwähnten Fälle sozusagen simultan abzuhalten. Das läuft ungefähr folgendermaßen ab: Iris' privates Drama, das bisweilen die Züge eines Rachethrillers erhalten wird, läuft anfangs nur im Hintergrund mit, ehe es später ins Zentrum rückt. Der eigentliche Kriminalfall um die Leiche im Wald treibt dagegen zu Beginn den Plot voran und kommt irgendwann an einen Punkt, an dem der Fall möglicherweise gar keiner mehr ist bzw. ein ganz anderer wird - womit die Handlung trotzdem weitergehen kann.

Zu Iris' Team in der Cold-Case-Abteilung gehören der freundliche Mittfünfziger Jens (Håkan Bengtsson,  "The Hunt for a Killer"), der Iris schon länger zu bewundern scheint; die zynische Veteranin Kerstin (Kajsa Ernst aus  "Huss - Verbrechen am Fjord"), die Iris mehrfach Steine in den Weg rollt; und die doppelt bezopfte Profilerin Nina (Inez Andersson - die im Abspann seltsamerweise unerwähnt bleibt), jung und engagiert.

Nach klassischem Krimimuster wird nun ersten Hinweisen nachgegangen, werden die Verdächtigen sondiert. Am Ende der ersten Folge montiert die Serie sich einmal quer durchs frisch eingeführte Personentableau, um möglichst alle Beteiligten suspekt erscheinen zu lassen. Da sind also die Eltern des vermissten Benjamin, die längst getrennt leben: Vater Fredrik (Joakim Sällquist,  "Box 21") ist nie über das unaufgeklärte Verschwinden des Sohnes hinweggekommen, Mutter Åsa (Lotten Roos,  "Die Lüge") scheint besser damit klarzukommen. Ein verloren durchs Leben taumelnder Kleinkrimineller, der in der Nacht von Benjamins Verschwinden Streit mit ihm gehabt haben soll, steht derzeit bei halbseidenen Gestalten in der Kreide; sein im Rollstuhl sitzender Vater ist in der Sozialsiedlung von Malmö vom überforderten Pflegedienst abhängig und spricht dem Alkohol zu. Wir lernen Benjamins frühere Lehrerin Hillevi (Hanna Ullerstam,  "Detective No. 24") kennen, die ihre Teenie-Tochter Liv (Lea Jarl) allein erzieht, sich einsam fühlt und mit dem verdächtig freundlichen Kellner Peter (Johannes Lassen,  "Countdown Copenhagen") anbändelt. Alsbald kommt eine Prostituierte ins Spiel, ein offenbar in undurchsichtige Taten verwickelter Bauunternehmer, dessen Frau, ein erpresster Handlanger - und was ist eigentlich mit den beiden Mädchen, die die Leiche während eines Orientierungslaufs fanden und ein Foto davon auf Instagram posteten?

Iris' Team von der Polizei Malmö kramt ungelöste Fälle hervor: Nina (Inez Andersson, l.), Kerstin (Kajsa Ernst, 2. v. l.) und Jens (Håkan Bengtsson, r.).
Iris' Team von der Polizei Malmö kramt ungelöste Fälle hervor: Nina (Inez Andersson, l.), Kerstin (Kajsa Ernst, 2. v. l.) und Jens (Håkan Bengtsson, r.). ZDF / Carolina Romare

Es ist die übliche Mixtur von Figuren aus der High bis Low Society, die Ahlgren & Co. hier auffahren. Am Ende werden diese Menschen alle mehr oder weniger stark mit einem der erwähnten Fälle zu tun haben, wenn auch nicht unbedingt mit jenem, mit dem sie anfänglich zusammenzuhängen scheinen. Das Auseinanderfädeln der Personenkonstellation wirkt zuweilen etwas schematisch, gelingt aber insgesamt elegant. Das Spiel mit falschen Verdächtigungen, seltsamen Geständnissen und mit den plötzlichen Eingebungen einer genialen Ermittlerin ist bekannt, aber wirkungsvoll.

Und dennoch steht der Krimi-Aspekt fast im Hintergrund des Sechsteilers. Denn Iris kämpft vor allem mit ihren eigenen Dämonen - schließlich wird sie von Sofia Helin verkörpert! So kommt also Halbschwester Kattis (Hedda Stiernstedt,  "The Restaurant") urplötzlich mit ihren zwei Kindern im Schlepptau zu Besuch in ihren eigenen Ferienbungalow. Es ist ein sozialer Mehraufwand, auf den Iris erkennbar gerne verzichtet hätte. Zu allem Überfluss zerschmeißen die Kids auch noch die Urne: Die staubigen Überreste von Christian, dem Geist, verstreuen sich auf dem Wohnzimmerteppich. Zudem zerrt noch ein Erbstreit mit Christians Schwester an Iris' Nerven, der anfangs nur angedeutet wird, später aber stärker zum Thema wird und auch ein neues Licht auf die Beziehung von Iris und Christian wirft.

Dann wird einer der mutmaßlichen Mörder in Stockholm gefasst: Iris platzt auf eine Weise in die Ermittlungen ihres Ex-Kollegen Adam (Pablo Leiva Wenger,  "Snow Angels"), die nicht nur Helin an ihre schauspielerische Grenze bringt, sondern auch das Drehbuch über die Limits der Glaubwürdigkeit hinausforciert: Der Wille der Macher zum großen Charakterdrama wird in der vierten Episode so überdeutlich erkennbar, dass man sich wünscht, sie hätten es lieber eine Nummer kleiner versucht.

Geliebte Asche auf Bungalowboden: Iris und Kattis nach dem Urnenbruch.
Geliebte Asche auf Bungalowboden: Iris und Kattis nach dem Urnenbruch. ZDF / Carolina Romare

Davon abgesehen aber rundet sich "Iris - Die Wahrheit" im Finale, in dem manch Handlungsstrang etwas zügig entwirrt wird, zur soliden Crime-Geschichte, zur überwiegend gut gespielten Schwedenkrimi-Routine, die mit bewährten Schauwerten zwischen Großstadt-Tristesse und südschwedischer Strandidylle aufwarten kann. Über die Norm des in diesem Genre Bewährten vermögen die sechs Episoden freilich nie hinauszuweisen: Alles bleibt bedenkenlos konsumierbare Krimikost, mit etwas Nordic-Noir-Flair, das sich aber nie so weit hinuntertraut wie die düstersten  "Wallander"-Episoden oder eben die "Brücke"-Staffeln.

Sofia Helin allerdings wird hier ein weiteres Mal eine ausreichend große Bühne bereitet. Der schwedische Star mit dem dekorativ vernarbten Gesicht hat hier mehrfach die Gelegenheit, ihr bewährt grimmiges Konfrontationscharisma zur Geltung zu bringen: Die Liste der Einstellungen, in denen sie waidwund in die unbestimmte Ferne oder entrückt auf den Boden blickt, ist wieder einmal lang. Andererseits fächert sie auch die anderen Seiten der Titelfigur auf - wenn sie sich etwa zaghaft der von ihr entfremdeten Kattis öffnet und mit ihr am Strand entlangreitet oder gefangene Mäuse grillt; oder wenn sie einem verzweifelten Verdächtigen fast zärtlich seine Optionen auseinandersetzt. Wer Helin ohnehin verehrt, wird auch diese Serie lieben. Und wer sie noch nicht kannte, wird hier fraglos auf sie aufmerksam.

Bleibt noch die Frage: Könnte es einen Nachschlag geben für Iris und das Cold-Case-Team in Malmö? "Die Wahrheit" ist zwar eindeutig als Miniserie konzipiert, der Fall bzw. die Fälle sind am Ende abgeschlossen, doch Hinweise auf Weitererzählbarkeit werden durchaus gestreut: Sind da zum Beispiel Ansätze einer Annäherung zwischen Iris und Jens zu erkennen? Wie könnte sich die Gegensatzpaarung Iris und Kerstin durch neue Fälle streiten? Cold-Case-Krimis erfreuen sich ja generell einer gewissen Beliebheit - von Jussi Adler-Olsens Mørck-Geschichten aus dem "Sonderdezernat Q" über  "Cold Case" von Jerry Bruckheimer bis hin zur (in Deutschland leider nie gelaufenen, aber hochdekorierten) UK-Serie  "Unforgotten". Unmöglich ist es insofern sicher nicht, dass "Team Iris" noch weitere Fälle zu knacken bekommt.

Dieser Text basiert auf der Sichtung aller sechs Episoden von "Iris - Die Wahrheit".

Meine Wertung: 3/5

In der ZDFmediathek stehen ab dem 10. Februar alle sechs Folgen von "Iris - Die Wahrheit" auf Abruf zur Verfügung. Die lineare Erstausstrahlung im ZDF erfolgt ab dem 25. Februar sonntags ab 22.15 Uhr in Doppelfolgen.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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Leserkommentare

  • Makipi schrieb am 13.02.2024, 12.18 Uhr:
    An DIE BRÜCKE auch nur annähernd ranzukommen, ist schwer bis unmöglich.
    Mich hatten alle Staffeln damals überzeugt; auch wenn's gelegentlich den einen oder anderen Durchhänger gab.
    Sofia Henlin finde ich großartig!