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TV-Kritik/Review: "Limbo - Gestern waren wir noch Freunde" bedrückt Publikum der ARD
(02.08.2024)
Ein Autounfall ihrer Söhne schockiert drei Frauen: Ebba (Rakel Wärmländer), Gloria (Louise Peterhoff) und My (Sofia Helin) wirken glaubwürdig in
Zu bewundern ist die realistische Darstellung, dass Leute das Einerlei mit Geldsorgen oder Kinderwunsch schnell fortsetzen. Die Teenager treten in den Hintergrund, wie ein Blick in die ARD Mediathek ab dem 2. August belegt. Die sechsteilige Miniserie aus Schweden läuft auch im Ersten: In der Nacht zum 3. August, wenn die olympischen Übertragungen und die
Rakel Wärmländer kennt fürchterlichen Schwebezustand
Rakel Wärmländer erlebte Ende der 90er-Jahre, wie ein Mitschüler schwer verletzt wurde. Die Handlung beruht also auf einem wahren Ereignis. Langsam ist die Idee zu einer Fernsehserie gereift. Die betroffenen Familien haben die Hauptdarstellerin beraten, als sie zusammen mit Emma Broström das Drehbuch geschrieben hat. Die beiden Autorinnen beweisen Feingefühl in ihrem Skript, wobei die Schauspielerinnen und Schauspieler eigenes Empfinden in Szenen einbringen.
Allerdings rekonstruiert das Duo keinen Unfall: Ihr Team zeigt, wie widersprüchlich Angehörige auf diesen Schicksalsschlag reagieren. Sie hängen in der Luft, so die Übersetzung des englischen Ausdrucks to be in limbo
. Dazu gehört die religiöse Bedeutung als Vorhölle
. Phantasie füllt die Lücken aus der Realität, um Ängste und Konflikte einzufangen. Dabei werden Gefühle und Tragik dick aufgetragen. Andererseits ist die aufgeladene Atmosphäre zu spüren. Auf und vor den Bildschirmen verlangen die Geheimnisse viel Geduld bis zur Aufklärung. Vorwürfe belasten die mannigfaltigen Beziehungen.
Finden Sie Halt zwischen Untreue des Ehegatten und lesbischer Liebe
Leider lenken Nebenhandlungen von den wichtigen Vorgängen ab. Einige Themen seien genannt: Rollenverteilung bei Paaren, Karrieresucht, lesbische Liebe, verzweifelter Wunsch nach einer Schwangerschaft, männliche Untreue, Spätpubertät, weibliche Gemütsschwankungen, Nachwirkungen früherer Beziehungen, finanzielle Unabhängigkeit, Kindererziehung, Generationskonflikte, Selbstzweifel, Kontrollsucht - ach und überhaupt. Man kann die Freude am Detail übertreiben.
Der Ballast wächst mit jeder Minute. Dennoch funktioniert der Spannungsbogen. Geschickte Andeutungen wecken die Neugier. Die Eltern vermuten, dass ein oder zwei Mädchen im Unfallwagen saßen. In der Enge verhielt sich Jakob wohl etwas dumm. Oder er alberte leichtsinnig herum, sodass er aus dem Cabrio in die Höhe schoss und auf die Straße knallte. Die ewige Ungewissheit nagt an den Nerven. Bewusst oder unbedarft dosieren die Ärzte und das Pflegepersonal ihre Informationen sparsam. Im Krankenhaus erhalten die Eltern stundenlang keine Auskunft. Dann sind höchstens Ausreden und billiger Trost verfügbar.
Eltern lesen online über angetrunkenen Teenager
Immerhin gelingt es Regisseurin Sofia Adrian Jupither, das Publikum sachte in das Geschehen einzuführen und den passenden Rhythmus zu schlagen. Wir überblicken jederzeit die Zusammenhänge. Sogar die Namen fallen an den richtigen Stellen, um zum Beispiel Personen einzuführen. Moderne Medien verändern die Perspektive: Lukas' und Sebbes Eltern lesen online einen Bericht, dass ein junger Bursche angetrunken gefahren sei. Später motzt Ebba herum, als sie den Artikel entdeckt und Lukas als Schuldigen brandmarkt. Indes registriert er kaum einen Shitstorm, weil er abgelenkt ist.
Hat Sauferei die Katastrophe verursacht?
Die Polizei konfrontiert Lukas' Mutter Helena (Alexandra Zetterberg Ehn), ihre Lebensgefährtin My und den Vater mit einer Anzeige wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss
. Konrad befürchtet bloß, dass sein Sohn den frisch erworbenen Führerschein verliert. Andere Gedanken plagen Ebba und Fredrik. In dieser Krise stürzt die Fassade ihrer Ehe, dass Ebba alles kontrolliert und Fredrik Fürsorge walten lässt. Entgegen ihrer Zuneigung verstummt das Paar und entfernt sich voneinander. In ihrer Not fertigt Ebba die achtjährige Mathilda (Heidi Blanck) ab oder verwendet das Mädchen als Trostspenderin. Fredrik versorgt ihre gemeinsame Tochter und den Haushalt intensiver als je zuvor. Insgeheim träumt er von Alternativen und schiebt eine schnelle Nummer mit Gloria.
Psychotherapeutin entdeckt Drogen, und Immobilienmaklerin blutet heftig
Trotz der Trennung erhalten Gloria und Adam (Danilo Bejarano) ihr gutes Verhältnis. Sie zehrt vom Kontakt, datet aber zahlreiche Männer und versumpft mit Alkohol. Durch den Unfall wackelt ihre Welt, die erst durch Neuigkeiten ihres Ex-Manns zusammenkracht: Ihre Nachfolgerin Emma (Siham Shurafa) bekommt ein Baby. Deshalb sollen Gloria und Sebbe die große Wohnung aufgeben, die seinem Vater gehört. Der Alltag überfordert sowohl die Fotografin als auch ihre Freundin My, die Kinder und Jugendliche nur noch halbherzig als Psychotherapeutin berät.
Lediglich Ebba erschien früher unangreifbar und wickelte ihre Mitmenschen um den Finger. Sie will nicht unter Druck zerbrechen:Ich muss endlich wieder zu meiner Routine zurückkehren, erklärt die Immobilienmaklerin ihrer vereinsamten Restfamilie. Sie scheitert mit ihrem Vorhaben. So läuft sie beinahe Amok wegen gut gemeinter Blumengeschenke. Bei einer Hausbesichtigung mit Kunden verursacht der Stress Nasenbluten. Hingegen erstarrt My, als sie Drogen in der Schmutzwäsche von Lukas findet. So viel sei schon verraten: Erst bei einem Ausflug werden die Auseinandersetzungen anschwellen.
Männliche Ignoranz behindert weibliche Sicht
Unsicherheit prägt "Limbo - Gestern waren wir noch Freunde". Beteiligte handeln zum eigenen Vorteil, anstatt solidarisch vorzugehen. Ohne böse Absichten dient Anteilnahme der Tarnung. Gleichwohl lassen sich strapazierte Freundschaften retten. Das Trauerspiel drückt aufs Gemüt, was nicht jeder Zuschauerin und jedem Zuschauer behagt. Die Lust auf die gebotenen Erkenntnisse und Selbsterkenntnisse mag fehlen. Ohnehin leidet die originelle Miniserie unter Schwächen. So überzeugen die Anklagen wenig, die Lukas gegen sich richtet. Seltsam, dass kein Erwachsener auf seine Worte achtet. Nochmals sei die Überwältigung auf Nebenkriegsschauplätzen erwähnt. Vielleicht schmälert männliche Ignoranz die Fähigkeit, die weibliche Sicht zu teilen. Sie sollten einschalten, sofern Sie keine tiefen und anhaltenden Emotionen scheuen.
Dieser Text beruht auf Sichtung der Hälfte von sechs Folgen "Limbo - Gestern waren wir noch Freunde".
Streamen Sie die 40- bis 45-minütigen Episoden in der ARD Mediathek - ab Freitag, dem 2. August. "Limbo - Gestern waren wir noch Freunde" läuft zudem an einem Stück im Ersten - in der Nacht zum 3. August, nach der Übertragung von den Olympischen Spielen und der "Tagesschau". Die erste Folge startet voraussichtlich um 0.10 Uhr.
Über den Autor
Leserkommentare
Attlanttos schrieb am 04.08.2024, 09.52 Uhr:
Schon beim Lesen bekommt man schlechte Laune. Wieder alle üblichen Themen, die in jeder Serie vorkommen müssen, wild zusammengerührt ...bähSentinel2003 schrieb am 02.08.2024, 16.07 Uhr:
Warum "bedrückt" die Serie die ARD Zuschauer?Stefan Genrich schrieb am 02.08.2024, 17.43 Uhr:
Wenn so viel Angst, Schmerz und Ungewissheit die Laune nicht trübt,... dann weiß ich nicht. Zitat aus dem letzten Absatz: „Das Trauerspiel drückt aufs Gemüt, was nicht jeder Zuschauerin und jedem Zuschauer behagt“.Flapwazzle schrieb am 02.08.2024, 16.39 Uhr:
Ich hätte es auch spannender gefunden, wenn 3 Söhne ihre drei Mütter betrauern würden. Daher finde ich die Konstellation der ARD tatsächlich "bedrückend", da es bei Serien kaum noch starke männliche Charaktere gibt.
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