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TV-Kritik/Review: "rbb queer 4 you": Vier Schwule für ein Halleluja
(28.12.2019)
Vor zwei Monaten startete die schwule Dating-Show
In dem neuen Makeover-Reality-Format nehmen sich vier homosexuelle Männer in jeder Folge einer oder mehrerer Personen an, die mit ihrem Leben unzufrieden sind und auf Unterstützung bei einer Umgestaltung hoffen. Dies betrifft die Behausung ebenjener Leute (
Die Faszination von Makeovers ist nicht neu und wurde bereits vielmals in Film und Fernsehen abgehandelt. Ob nun die an ihrem Arbeitsplatz untergebutterte Schuhverkäuferin im ZZ Top-Musikvideo zu "Legs", die durch ein paar patente Geschlechtsgenossinnen in Form eines neuen Outfits auch ein neues Selbstbewusstsein bekommt, dank dessen sie sich fortan gegen die garstigen Kollegen zu wehren weiß; oder Julia Roberts in
Und dann, 2003, gelang dem relativ kleinen US-Kabelsender Bravo mit einer Variation dieses Prinzips ein wahrhaftiges Meisterstück: In
Auf dem Papier liest sich das wie die Ausschlachtung von Klischees, und besagte Sendung spielte auch ganz bewusst mit den Gegensätzen zwischen den "kultivierten" Schwulen und den "ungehobelten" Heteros. Dass dies trotzdem funktionierte, lag an der humorvollen, kein Blatt vor den Mund nehmenden Herangehensweise der "Fab Five", der fünf Experten, namentlich Carson Kressley, der inzwischen bei der "Queen of Drags"-Vorlage
Die Vorlage "Queer Eye", wie sie in den späteren Staffeln hieß, wurde für Bravo ein nachhaltiger Erfolg. So nachhaltig, dass Netflix 2018 ein
"rbb queer 4 you" ist keine offizielle Adaption der genannten Serien, aber das Konzept wurde fraglos in weiten Teilen von diesen übernommen, sodass man es durchaus als Remake behandeln kann. So kommt man natürlich nicht umhin, besonders diejenigen Aspekte zu betrachten, die in der deutschen Version anders gemacht wurden als in ihren US-Vorbildern.
In der rbb-Variante werden im Cold Open jeder Folge die Personen vorgestellt, die mit ihrer aktuellen Lebenssituation unglücklich sind. Dies geschieht ausführlich, auch Freunde bzw. Familienangehörige melden sich zu Wort und beleuchten die Lebensbereiche, in denen es für die Betroffene(n) nicht zum Besten bestellt ist. Die vier Experten tauchen dann erstmalig im Vorspann auf, bevor sie anschließend in der Wohnung der Hilfesuchenden aufkreuzen und der Zuschauer sie - quasi aus der Sicht des jeweiligen Protagonisten - kennenlernt.
In "Queer Eye" hingegen beginnt jede Folge mit den "Fab Five", wie sie in ein Auto springen und sich über ihren jeweiligen "Fall der Woche" unterhalten. An diesem Detail wird die Herangehensweise deutlich, dass in den US-Sendungen zwar die jeweilige Person im Mittelpunkt steht, die das Makeover erhalten soll, aber die Experten die eigentlichen Protagonisten sind, die die Geschichte lenken. In der rbb-Variante hingegen wird den Hilfesuchenden mehr Raum gegeben - ihre Verwandlung steht im Mittelpunkt, ihre Geschichte soll erzählt werden.
Das schlägt sich auch in der Tonalität wieder - sehr viel ernster als die Originale ist die deutsche Version, kaum eine nachdenkliche Szene kommt ohne schwere Klavieruntermalung aus. Das mag dem Ganzen mehr Tiefgang suggerieren - aber was die US-Serien vor allem auch auszeichnet, ist der Humor, mit dem die Experten an jede Situation herangehen; schonungslos ehrlich, direkt, gespickt mit kleinen Gehässigkeiten ("ich teile deine Klamotten jetzt erstmal ein in hässlich, hässlich und hässlicher"), die aber nie verletzen sollen, und die durch die absolute Hingabe zu jedem einzelnen Fall im Handumdrehen mehr als wiedergutgemacht werden. Dadurch vermochten Carson & Co. die Dreiviertelstunde jeder Folge wie im Fluge vorbeirauschen zu lassen, an deren Ende man sich selbst ein gutes Stück unbeschwerter fühlte.
"rbb queer 4 you" zieht vergleichsweise gemächlich dahin, und obwohl auch hier am Ende jeder Folge "alles gut" wird, liegt es einem eher wie schwere Kost im Magen. Die Verwandlung, die die Personen in jeder Folge durchmachen, wird von den Experten mit einem Coming Out verglichen - notwendig, aber auch schmerzhaft, ein Katalysator für persönliches Wachstum. Ganz so tränenrührig wie in "Queen of Drags" wird das Thema Homosexualität in "rbb queer 4 you" nicht behandelt, allerdings kommen die lebensfrohen Aspekte der US-Vorbilder etwas zu kurz.
Was in allen Versionen funktioniert, ist mitzuerleben, wie ein Mensch, der irgendwo im Leben falsch abgebogen ist und sich selbst ein Stück weit aus den Augen verloren hat, die Erfahrung macht, dass sich vier bzw. fünf andere Menschen nur mit ihm beschäftigen und mit ihm daran arbeiten, wie er sein Leben für sich glücklicher gestalten kann. Die sehr vielen Umarmungen, die den Experten zuteil werden, wirken nicht gespielt, sondern von Herzen kommend.
Die neuen "fabelhaften Vier" Fabian Hart, Chris Glass, Christian Fritzenwanker und Sven Rebel lassen in keiner Situation Zweifel an ihrer Kompetenz aufkommen; aus Perspektive der Teilnehmer ist man bei Ihnen mit Sicherheit an der richtigen Adresse. Was allerdings in der deutschen Variante im Vergleich zu den US-Vorlagen ebenfalls fehlt, ist ein abschließender öffentlicher Auftritt, wo die Verwandelten ihr neues Ich Freunden und Bekannten präsentieren können. So ist das Zuschauen über mehrere Folgen hinweg leider nur halbwegs mitreißend; und beim einen oder anderen Zuschauer wird, sobald die Endcredits eingeblendet werden, der Finger in Richtung des Netflix-Symbols wandern, um lieber doch noch eine Folge "Queer Eye" hinterherzuschauen.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten zwei Folgen.
"rbb queer 4 you" ist eine Produktion der Leitwolf TV & Film (Produzenten: Julia Nicolas und Rüdiger Wolf) für den rbb. Ab dem 13. Januar 2020 ist sie drei Wochen lang montags um 21.00 Uhr im rbb zu sehen. Seit dem 27. Dezember 2019 ist die Sendung bereits in der ARD Mediathek verfügbar.
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