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TV-Kritik/Review: "The Walking Dead: Daryl Dixon": Zombies unterm Eiffelturm
(19.09.2023)
Angeschwemmt an fremde Gestade: Im Sechsteiler
Als Norman Reedus die Rolle des Daryl Dixon zu spielen begann, war er vierzig Jahre alt. Ab der zweiten Staffel von "The Walking Dead" (TWD) gehörte er zum Kern-Cast im Zombie-Flaggschiff des Pay-TV-Kanals AMC. Der große, zentrale Star war er aber nie, selbst am Ende nicht, als Andrew Lincoln (Rick) schon ausgestiegen war. In Umfragen allerdings entpuppte sich Daryl Dixon regelmäßig als eine der beliebtesten Figuren der Serie. Inzwischen ist Reedus 54, doch seinen Daryl hat er natürlich immer noch drauf, samt Zottelhaar, zugekniffenen Augen und grummelig hervorgedrückten Dialogzeilen. Auch in einem ganz neuen Setting ändert sich daran nichts.
Nach Negan und Maggie, die es zuletzt in der ersten und leider etwas einfallslosen Post-TWD-Spin-Off-SerieGanz zu Beginn der Serie, die Robert Kirkman, Autor der TWD-Comicvorlagen, mitproduziert hat, wird Daryl auf einem gekenterten Ruderboot in Südfrankreich an den Strand gespült, in Marseille. Europa, das stellt er schnell fest, hat kein gnädigeres Schicksal erlitten als die USA: überall Ruinen und menschenleere Straßen, hie und da Zombies. Wie genau es ihn aus der "Commonwealth" in Ohio, wo er in der Mutterserie zuletzt lebte, ausgerechnet ins Mittelmeer verschlug, in post-apokalyptischen Zeiten ohne organisierte Seefahrt, das bleibt zumindest dem Publikum noch unbekannt - und dass der Schiffbrüchige auf seiner Irrfahrt irgendwie durch die Straße von Gibraltar gepaddelt sein muss, nehmen wir mal so hin. Von Marseille wandert er dann grob westwärts (und erkennbar ohne Navi) an Toulouse vorbei in Richtung Pyrenäen, nicht ohne zuvor noch einen pittoresken (und geografisch absurden) Schlenker nordwärts zu machen, zum berühmten Pont du Gard, den ebenfalls diverse Untote überschlurfen.
Irgendwann kommt Daryl in einem verfallenen Dorf an, wo er zwei Betrügern dabei helfen muss, mehrere Soldaten umzulegen - was sich später rächen wird. Er landet im nahegelegenen Kloster, wo ihn die erwähnte Nonne gesund pflegt. Gespielt wird Schwester Isabelle von Clémence Poésy, die den meisten wohl als Fleur Delacour aus
Im Kloster kristallisiert sich schnell heraus, dass Isabelle und die anderen Schwestern Teil eines geistlich ausgerichteten Widerstandsnetzes sind, das sich "Union d'Espoir" (Union der Hoffnung) nennt, den Wiederaufbau der durch die Zombieviruspandemie zerstörten menschlichen Welt plant und als Zentralgestalt dafür einen etwa zwölfjährigen Jungen ausgemacht hat. Dieser Laurent (Louis Puech Scigliuzzi) lebt derzeit noch im Kloster, soll aber baldmöglichst ins sogenannte "Nest" überführt werden, eine Art Geheimzentrale der Union, in der der Junge in Sicherheit gebracht und zum Erlöser heranreifen soll. Am Ende der Pilotepisode hat Daryl Dixon also einen Auftrag, den er widerwillig zu erfüllen bereit ist: Er soll Isabelle und Laurent als Bodyguard gen Norden begleiten um im Gegenzug dann, sobald der Knabe abgeliefert ist, zum einzig noch funktionsfähigen Hafen der Normandie, in Le Havre, geleitet zu werden. Denn sein eigentliches Ziel bleibt natürlich die Rückkehr in die USA. Doch könnte er womöglich wirklich jener aus dem Meer sich erhebende "Botschafter" sein, den Laurent vorhergesagt hatte und Isabelle in ihm erkannt haben will? Für Daryl Dixon, der mit Religion, Schicksal und Prophetentum nichts am Hut hat, ist das eine absurde Vorstellung. Den Job nimmt er trotzdem an.
Bevor sich die Reisegruppe auf den Weg machen kann, müssen noch die Antagonisten eingeführt werden. Das ist zunächst der knallharte Codron, ein kantschädeliger Militär, den Romain Levi so spielt wie aus einem Achtzigerjahre-Söldnerfilm importiert. Fälschlicherweise vermutet Codron als Mörder seines Bruders den Fremden Daryl, weshalb er seinen Trupp einen blutigen Angriff auf das Kloster verüben lässt. Daraus entsteht eine erste Actionsequenz, in der Daryl zeigen kann, dass er mit dem überwiegend altertümlichen Waffenarsenal des Klosters (Morgenstern, Schrotlinten, Flegel, auch eine antike Armbrust) umzugehen weiß. Im Epilog der ersten Folge tritt dann, in Le Havre, eine eiskalte Frau namens Genet (Anne Charrier) ins Bild, die ein erstes Licht ins Dunkel von Daryls Schiffsfahrt bringt - und fortan nach dem US-Amerikaner suchen lässt.
Das Eskortieren einer messianischen Gestalt quer durch ein von Zombies überlaufenes Land, das erinnert natürlich deutlich an einen anderen Stoff, der es als Videospielverfilmung Anfang dieses Jahres auf Anhieb auf die Pole Position des Postapokalypse-Genres geschafft hatte:
Zu vermuten steht aber, dass sich die Reise von Isabelle, Daryl, Laurent und der mitreisenden Schwester Sylvie (Laïka Blanc-Francard) nicht über die kompletten sechs Episoden erstrecken wird, dass das Road-Movie-hafte also nur einen Teil der Staffel in Anspruch nehmen wird. Bislang allerdings gestaltet sich genau diese Reise sehr unterhaltsam - wenn die Reisegruppe etwa auf eine abgeschottet lebende Kolonie von Kindern trifft, für die Daryl eine "Side Mission" absolviert, bei der es aus einer nahen Schlossruine Medikamente zu entwenden und ein Burggraben voller Zombies zu überwinden gilt. Eine neue Variante von Zombie gibt es übrigens auch: Die heißen "Burner" und haben ein derart säurehaltiges Blut, dass die Berührung damit zu sofortiger Verätzung führt.
Insgesamt ist es eine schöne Abwechslung, die altbekannten TWD-Motive mal in einem gänzlich anderen Umfeld ausgespielt zu sehen, an Spielorten zumal, die tatsächlich auch nach dem aussehen, was sie zu zeigen vorgeben. Dies ist kein aseptisches Studio-Frankreich, sondern ein "echtes" Frankreich, das gespenstisch entvölkert und verheert inszeniert wurde. Spätere Episoden sollen sich dann im zerstörten Paris abspielen, wo auch Adam Nagaitis (mutmaßlich als Unions-Kontaktmann) größere Auftritte haben dürfte. Bislang kam der Mann aus
Zusammengehalten wird das alles durch die nicht nur eingefleischten Fans liebgewonnene Figur des Daryl Dixon, der das mit ihm an den europäischen Schauplatz verpflanzte Publikum als eine Art mies gelaunter Reiseleiter durch diese (TWD-)fremde Welt führt. Weil er in jeder Situation erst einmal feststellt, dass er ja kein Französisch könne, entpuppen sich alle französischen Charaktere stets als bestens des Englischen mächtig. Das Ausmaß des untertitelten Französisch hält sich also praktischerweise in Grenzen.
In einer der bislang schönsten Szenen nehmen die beiden Nonnen mit Daryl an einem Videoabend in der Kinder-Kolonie teil. Gezeigt wird dort - "Nano-nano!" - eine Folge von
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "The Walking Dead: Daryl Dixon".
Die sechsteilige Auftaktstaffel von "The Walking Dead: Daryl DIxon" wird aktuell in den USA bei AMC und dem Streamingdienst AMC+ veröffentlicht. Die Deutschlandpremiere wird beim Streaminganbieter MagentaTV stattfinden, der als Veröffentlichungstermin vage Ende 2023 in Aussicht gestellt hat.
Über den Autor
Leserkommentare
Fettus Maximus schrieb am 20.12.2023, 10.23 Uhr:
Grausige Serie...nerviger Bengel, alle erkennen "den Amerikaner", alle sprechen seine Sprache..und er kommt er zuvor an die Südküste mit kleinem Boot, bei der Strömung in der Strasse von Gibraltar. 4 Folgen geschaut..und abgehakt.Tupes schrieb via tvforen.de am 20.09.2023, 13.02 Uhr:
Vorschusslorbeeren gab es schon oft, erstmal abwarten was am Ende wirklich daraus wird!User 65112 schrieb am 20.09.2023, 09.45 Uhr:
Bei TWD bin ich nach Staffel 6 oder so ausgestiegen. Es war immer nur noch more of the same. Das hier sieht aus, als könnte man wieder einsteigen.Sentinel2003 schrieb am 19.09.2023, 18.01 Uhr:
Melissa McBride könnte dazu stoßen?? Nee, Sie ist ja inzwischen mit dabei! Auf Instagram gibt es schon zahlreiche Bilder, dass Sie inzwischen mittendrin ist bei den Dreharbeiten! Laut einiger Fans soll Sie wohl sogar zum Ende von Staffel 1 kurz auftauchen, eventuell schon in Folge 6?
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