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TV-Kritik/Review: "Hacks": Weiblich, witzig, Vegas
(14.09.2022)
Manchmal dauert es etwas, bis die wirklich guten Sachen ihren Weg zu uns finden - umso freudiger der Moment, wenn es endlich so weit ist. Die vielfach preisgekrönte Dramedy
Deborah Vance (Jean Smart) is not amused: Jahrzehntelang galt sie unangefochten als Konstante im Entertainment-Kosmos der Wüstenglitzermetropole Las Vegas, im Palmetto Casino von Marty Ghilain (Christopher MacDonald) witzelte die Stand-Up-Legende stets vor vollen Häusern. Treue Fans kamen immer wieder. Doch jetzt will Marty ihr die Wochenend-Termine wegnehmen. Da müsse mal was Jüngeres, Zeitgemäßeres hin, meint er. Empört ruft Deborah ihren Agenten Jimmy LuSaque (Paul W. Downs) in Los Angeles an, und der hat eine Idee: Eine andere Klientin von ihm, die TV-Comedyautorin Ava Daniels (Hannah Einbinder), Mitte zwanzig, könne doch für frischen Input sorgen. Diesen Vorschlag unterbreitet Jimmy freilich nicht ohne Hintergedanken: Ava nämlich ist wegen eines unbedachten Tweets in Ungnade gefallen (also: in einen Shitstorm geraten) und hat ihren letzten Schreibjob verloren. Er schickt Ava also, mehr oder weniger gegen beider Willen, in Deborahs fürstliches Anwesen in Vegas. Das erste Treffen verläuft, sagen wir mal, ausbaufähig.
"Hacks" ist spätestens von dort an - trotz brillanter Besetzung in allen Nebenparts - im Prinzip eine Two-Women-Show: Deborah und Ava, das sind die Legende und der Newcomer, die Baby-Boomer-Veteranin mit Bühnen-Routine und der Digital-Native-Jungspund an der Schwelle vom Millennial zur Generation Z. Gespielt werden sie von der unvergleichlichen Jean Smart und der bislang noch kaum bekannten Hannah Einbinder, die man sich von nun an definitiv wird merken müssen.
Jean Smart, der frühere Theater- und
Hannah Einbinder muss als Ava Daniels allerdings genauso gut sein, damit "Hacks" funktionieren kann und sich keine darstellerische Unwucht herausbilden kann - es ist ein großes Glück, dass die junge Comedienne, die vor der Serie nur einen Fernsehauftritt in der
Auch wenn das natürlich der Beginn einer langen, komplexen Freundschaft ist (die noch lange nicht Freundschaft genannt werden kann und sowieso ständig am seidenen Faden hängt): Der Weg dahin ist steinig, der Parcours der Demütigungen, auf den Deborah die neue Assistentin schickt, lang. Ava muss erst, zu Archivarbeiten verdonnert, auf alte Aufnahmen einer jahrzehntealten, ziemlich genialen, aber nie gesendeten Late-Night-Show-Pilotsendung stoßen, damit ihr Interesse an Deborah überhaupt erst entstehen kann: Deborah wäre, hätte man die Show damals produziert, die erste weibliche Late-Night-Talkerin gewesen. Doch so kam es nie.
Wenn es so etwas wie eine Erzählrichtung gibt in der ersten Staffel von "Hacks", dann ist es die neue Show, zu der Ava Deborah überreden will, eine Show nicht als übliche Abfolge von trockenen Gags, sondern auf ihrer eigenen Biografie aufbauend, eine Show, die davon erzählt, welche Hindernisse Frauen in der Comedy-, aber auch in der Entertainment-Szene überwinden mussten und immer noch müssen. In der achten Episode der ersten Staffel - sie ist so etwas wie die Schlüsselepisode - testen die beiden das neue Material in einem kleineren Comedyclub aus, in dem auch Deborah zu Beginn ihrer Stand-Up-Karriere Stammgast war. Als Ava erfährt, dass dessen früherer Besitzer für sexistische Ausfälle und Übergriffe berüchtigt war und alle - auch Deborah - das tolerierten, kann sie es kaum glauben; beispielhaft zeigt sich hier der Generationenunterschied: Die Generation Z ist nicht mehr bereit, sich toxisches Verhalten von Männern einfach so bieten zu lassen, auch nicht um der Karriere willen. Um Ava zu zeigen, dass sie das versteht, kanzelt Deborah den jetzigen Besitzer der Bar wegen seiner anzüglichen Witzchen auf der Bühne ab.
Obgleich "Hacks" dieses Thema mit aller Entschiedenheit anpackt (und in der zweiten Staffel noch weiter differenziert), greifen die Macher um die Autorinnen Lucia Aniello und Jen Statsky sowie den (als Jimmy mitwirkenden) Schauspieler Paul W. Downs niemals zu didaktischen Mitteln. Wie schon in ihrer Serie
"Hacks" platziert die Figuren immer wieder in Szenen, die bewundernswert zielsicher zwischen kolossal witzig (und zwar die ganze Bandbreite von feinsinniger Ironie über temporeiche Dialogscharmützel bis hin zum genial choreografierten Slapstick) und aufrichtig rührend changieren. Es geht auch um die Familienzusammenhänge beider Frauen, um Deborahs frisch verstorbenen Ex-Mann, dessen Haus sie dereinst angeblich angezündet haben soll (eine Lüge, die sie zu Avas Ärger bereitwillig mitspielt) und um ihre erwachsene Tochter DJ (Kaitlin Olson aus
Die Nebenfiguren sind ebenfalls stark, allen voran Carl Clemons-Hopkins als Marcus, Deborahs Berater und COO ihrer Firma. Er verliebt sich in den attraktiven Wasserinspekteur Wilson (Johnny Sibilly,
Doch so amüsant und auf den Punkt all diese komödiantisch versierten Darsteller auch spielen mögen - "Hacks" ist und bleibt vor allem die Show von Smart und Einbinder. Von Episode zu Episode ihren An- und Abstoßungsbewegungen zu folgen: Das macht den Reiz der Serie aus. In der zweiten Staffel (eine dritte wurde schon bestellt) geht ihr Zusammenspiel bisweilen an die Nieren, nur um dann wieder Momente aufrichtiger Zärtlichkeit zuzulassen - und dann wieder kindlich-albernen Witz. Sicher schadet es nicht, wenn das Publikum ein gewisses Grundinteresse an der Entertainment-Branche und an Comedy als Kunstform mitbringt (und, in geringerem Ausmaß, auch am surreal-künstlichen Mikrokosmos Las Vegas), aber unbedingt erforderlich ist das nicht, um größtes Vergnügen an dieser Serie haben zu können. Deborah und Ava stoßen auch ganz aus sich selbst heraus auf Interesse, dafür sind sie einfach zu gut geschrieben und gespielt.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Staffeln von "Hacks".
Die komplette erste Staffel von "Hacks" wird am 15. September beim Streamingdienst RTL+ veröffentlicht.
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