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TV-Kritik/Review: American Crime Story: The People v. O.J. Simpson
(30.05.2016)

Es war einer der spektakulärsten Mordprozesse in der Geschichte der USA und derjenige, dem die Medien die meiste Aufmerksamkeit widmeten: 1995 stand O.J. Simpson, Ex-Footballstar, Schauspieler und nationale Ikone, in Los Angeles vor Gericht, angeklagt, seine Ex-Gattin Nicole Brown Simpson und deren neuen Freund vor ihrem Haus ermordet zu haben. Ein knappes Jahr lang klebte ein Großteil der Nation an den Fernsehschirmen, um den live übertragenen Prozess zu verfolgen. Über die Frage, ob die Vorwürfe gegen Simpson rassistisch gefärbt waren, kam es in L.A. beinahe zu neuen Unruhen zwischen der afro-amerikanischen und der weißen Bevölkerung. Obwohl die Beweislast anfangs erdrückend schien, stand am Ende - kein echter Spoiler - ein ebenso spektakulärer Freispruch, später wurde Simpson in einem Zivilprozess trotzdem zu einer hohen Schadenersatzleistung wegen der beiden Tötungen verurteilt. Kein Wunder, dass dieser Fall die Amerikaner bis heute beschäftigt.
Gut 20 Jahre später hat der Kabelsender FX den Prozess selbst und die Ereignisse drumherum jetzt in Form einer zehnteiligen Miniserie aufgearbeitet, die zugleich als erste Staffel einer neuen Anthologieserie dient. Der Titel deutet es an:
Ihre beste Idee war, einen Aspekt des Falls klar in den Mittelpunkt zu stellen, und die Geschichte dadurch zu einer Art Parabel über den Umgang mit race und den Rassismus der US-Gesellschaft zu machen. Obwohl die geschilderten Ereignisse mehr als zwei Jahrzehnte zurückliegen, muss man wohl sagen, dass sich an letzterem seitdem nicht viel geändert hat. Um das Thema von Anfang an vorzugeben, beginnt schon die erste Folge (Regie: Ryan Murphy, der hier beweist, dass er auch die leiseren Töne beherrscht) mit dokumentarischen Aufnahmen der Rassenunruhen, die L.A. einige Jahre zuvor, nach der Misshandlung des Schwarzen Rodney King durch die Polizei, erschüttert hatten. Danach geht es gleich in medias res: Ein Spaziergänger entdeckt abends in der Einfahrt ihres Hauses in der reichen Wohngegend Brentwood die Leichen Nicole Brown Simpsons und ihres Lebensgefährten Ronald Goldman. Die Kinder, die Brown gemeinsam mit ihrem Ex-Ehemann hatte, schlafen noch im Haus. Auf den Anruf der Polizei reagiert O.J. Simpson merkwürdig: Zwar zeigt er sich bestürzt, fragt aber nicht, wie Nicole gestorben ist. Auf dem Gelände seines Hauses entdecken die Kriminalbeamten noch in der Nacht seinen Ford Bronco, der Blutspuren aufweist, sowie einen blutverschmierten Handschuh, der im Prozess zum wichtigsten, aber auch umstrittensten Beweisstück werden soll.
Bevor der Prozess beginnt, kommt es - in der zweiten Folge - aber noch zu jener spektakulären Verfolgungsjagd mit dem weißen Ford Bronco, die damals live im Fernsehen übertragen wurde. Statt seine U-Haft anzutreten, flieht Simpson nämlich quasi unter den Augen seiner Anwälte und liefert sich mit der Polizei eine verzweifelte und letztlich völlig aussichtlose Hatz über den Highway inklusive Suiziddrohung. Simpson erweist sich dadurch als psychisch höchst labil, was Cuba Gooding jr. glaubhaft, aber mit leichter Tendenz zum Overacting rüberbringt.
Die weiteren Episoden widmen sich dann hauptsächlich dem Prozess selbst in all seinen Facetten und den taktischen Manövern der Anwälte beider Seiten sowie den Konflikten, die sie hinter den Kulissen untereinander austragen. Dank der dichten Drehbücher und der schnellen Inszenierung kommt dabei aber nie Langeweile auf. Falls diese Geschichte überhaupt so etwas wie Helden hat, sind es die beiden leitenden Staatsanwälte Marcia Clark und Christopher Darden. Clark erscheint anfangs als harte, von ihrem Sieg überzeugte Frau, die in der Öffentlichkeit aber äußerst unbeliebt ist. Mit Schmierenkampagnen, nicht nur gegen ihre Frisuren, greift die Presse sie an, bis sie beinahe zusammenbricht. Sarah Paulson (schon in "American Horror Story" eine verlässliche Größe) schafft es, dieser Person eine große Menschlichkeit zu verleihen und sie zunehmend sympathischer zu zeichnen. Auch Clarks Partner Darden steht stark im Kreuzfeuer, vor allem, weil er selbst Afro-Amerikaner ist (und somit quasi auf der "falschen Seite" steht). Beiden geht es aber in erster Linie um Gerechtigkeit. Doch die ist in der medial aufgeladenen Stimmung praktisch unmöglich zu erreichen: Während der Großteil der weißen Bevölkerung ob der erdrückenden DNA-Spuren von Simpsons Schuld überzeugt ist, denkt die schwarze überwiegend, dass der (vermeintlich und teils erwiesen) rassistische Polizei- und Justizapparat der Stadt ihrem Idol etwas anhängen will. Dass sich einer der Ermittler als lupenreiner Rassist entpuppt, ist dabei natürlich Wasser auf ihre Mühlen.
Die Autoren erzählen diesen in vielen Aspekten unglaublichen Fall als (bis in die Nebenrollen, etwa mit Robert Morse und Rob Morrow, hervorragend besetztes) Ensemblestück, in dem alle Protagonisten ihren fairen Anteil an der Laufzeit bekommen. Das schließt nicht nur den Angeklagten, die Staatsanwälte und Verteidiger ein, sondern auch die Jurymitglieder. Ihnen ist eine eigene Folge gewidmet, die vor allem deren harte Lebensbedingungen während des mehr als achtmonatigen Prozesses veranschaulicht, die komplette Isolation von der Außenwelt inklusive Medienverbots umfassen. So lernt man nebenbei noch einiges über das US-Justizsystem. Am Ende ist "The People v. O.J. Simpson" aber vor allem eine fesselnde und emotional berührende Parabel über den tiefen Fall eines Superstars und eine gespaltene Gesellschaft.
Dieser Text basiert auf Sichtung der kompletten ersten Staffel der Serie.
Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: FX Networks
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