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Die Quasi-Fortsetzung der gefeierten Marvel-Serie sorgt für Überraschungen - und gewinnt
Die Welt brennt, kann Daredevil sie löschen? Matt Murdock (Charlie Cox) braucht nur noch seinen Teufelsdress.
Disney+
TV-Kritik/Review: "Daredevil: Born Again": Die Rückkehr des blinden Teufelskerls/Disney+

Unter den Netflix-Serien des "Marvel Cinematic Universe" (MCU) war  "Daredevil" die erste und bei vielen Fans der Superheldensaga auch beliebteste: Die im New Yorker Viertel Hell's Kitchen angesiedelten, ebenso düsteren wie brutalen Abenteuer des blinden Man without Fear waren weit entfernt vom Popcorn-Entertainment der Avengers-Kinospektakel angesiedelt. Nach drei Staffeln war Schluss, was auch den Cast um Charlie Cox verblüffte. Zehn Jahre nach Staffel 1 kommt Daredevil nun aber zurück - nicht bei Netflix, sondern bei Disney+, wo sämtliche MCU-Serien laufen, seit sich die Marvel Studios höchstpersönlich um sie kümmern.  "Daredevil: Born Again" sorgt für Überraschungen - und entpuppt sich als erstaunlich gelungen.

Angekündigt hatte sich das Revival schon seit einiger Zeit. Hauptdarsteller Cox hatte als Anwalt Matt Murdock a.k.a. Daredevil Auftritte im  dritten MCU-Spider-Man-Film und in  "She-Hulk", während Vincent D'Onofrio als Daredevils Widersacher Wilson Fisk a.k.a. Kingpin in  "Hawkeye" aufkreuzte. Gemeinsam erschienen sie dann letztes Jahr in der Miniserie  "Echo". Da war schon längst klar, dass sie demnächst wieder in ihrer eigenen Serie weitermachen würden.

Ganz so glatt war der Weg zur fertigen Produktion dann allerdings nicht. Während der Autoren- und Schauspielerstreiks in Hollywood 2023 wurde bei der schon halb fertiggedrehten Serie einmal komplett durchgefeudelt: Die bisherigen Showrunner Matt Corman und Chris Ord ( "Covert Affairs") wurden ausgetauscht und durch den  "The Punisher"-erfahrenen Dario Scardapane ersetzt. Außerdem wurde das Regiegespann Justin Benson und Aaron Moorhead verpflichtet, das schon Episoden von  "Loki" und  "Moon Knight" drehte. Der Plan: Was ursprünglich auf 18 Episoden ausgelegt war und Züge einer Anwaltsserie tragen, aber kein Reboot sein sollte, wurde zurückjustiert in altbekannte Richtungen, mit übergreifender Handlung und der aus der Netflix-Serie bekannten Düsternis. Jetzt sind es zwar nur noch neun Folgen, eine zweite Staffel befindet sich aber schon in Produktion. Zudem wurden Deborah Ann Woll und Elden Henson (die Matt Murdocks Kanzleikollegen Karen Page und Foggy Nelson spielen) in den Cast zurückgeholt und mit ihnen Wilson Bethel als Bullseye sowie Jon Bernthal als Punisher. Doch wie viel Screentime diese Figuren haben würden, wurde nicht dazugesagt. Mit Grund. Mehr verraten wir hier aber lieber auch nicht.

Anwälte nach Feierabend: Karen Page (Deborah Ann Woll), Matt Murdock und Foggy Nelson (Elden Hanson, r.) ahnen noch nicht, was ihnen kurz bevorsteht.
Anwälte nach Feierabend: Karen Page (Deborah Ann Woll), Matt Murdock und Foggy Nelson (Elden Hanson, r.) ahnen noch nicht, was ihnen kurz bevorsteht. Disney+

Das zu dem Zeitpunkt bereits fertiggestellte Material wurde übrigens nicht in die Tonne geworfen, sondern integriert. Sowohl die Regisseure als auch die geschassten Produzenten werden weiterhin als Urheber geführt. Benson/Moorhead und Scardapane haben das Geschehen allerdings a) mit einer Rahmen- oder besser Hintergrundhandlung versehen und b) das bestehende Material so ergänzt, gekürzt und angepasst, dass es sich in diese Rahmenhandlung einfügt.

Nach gesehenen fünf Folgen können wir bestätigen: Dieser Integrationsprozess ist gelungen. Größere Brüche zwischen den Arbeitsphasen gibt es nicht, inszenatorisch wirkt alles aus einem Guss. Die Bezugsgröße scheinen diesmal die Crime-Movies der Neunzigerjahre zu sein, und schon das Breitbild-Seitenverhältnis lässt das neue "Daredevil" filmischer wirken als das frühere. In einer großartigen Szene sitzen sich Matt Murdock und Wilson Fisk für einen langen Dialog in einem Diner gegenüber, fast eine Hommage an  "Heat". Eine frühe Actionsequenz ist zudem ohne sichtbare Schnitte angelegt, das Geschehen verlagert sich mehrfach vom Vorder- in den Hintergrund und zurück, während der Audio-Fokus ständig wechselt: ein Kabinettstück von Regie und Sounddesign. Immer wieder wird die Handlung der Episoden unterbrochen durch Reportagevideos der Jungreporterin BB Urich (Genneya Walton aus  "#blackAF"), die verschiedene Bürger zu den Geschehnissen in New York interviewt. Dass Urich die Tochter des im Netflix-"Daredevil" von Fisk ermordeten Investigativreporters Ben Urich ist, wirft Schatten voraus.

Überhaupt Wilson Fisk: Der Kingpin des organisierten Verbrechens bewirbt sich hier gleich zu Beginn als Bürgermeister von New York (was am Ende von "Echo" bereits angeteasert wurde). Natürlich wird er mit seiner "Fisk can fix it"-Kampagne auch gewählt. Die Sehnsucht nach einem Dealmaker, der die Probleme endlich anpackt, ist derzeit ja auch in der realen Welt sehr groß, und obwohl "Born Again" schon länger in der Mache ist, erinnert der ruppige Populismus des Bürgermeisters, der sich über so lästige Dinge wie Bürokratie, Recht und Gesetz hinwegsetzt, unweigerlich an Donald Trump und seine Kamarilla im Weißen Haus.

Teetrinken mit dem Bürgermeister: Murdock steckt mit Wilson Fisk (Vincent D'Onofrio, r.) das Spielfeld ab.
Teetrinken mit dem Bürgermeister: Murdock steckt mit Wilson Fisk (Vincent D'Onofrio, r.) das Spielfeld ab. Disney+

Es gibt so einige herrliche Szenen. So wird Fisk als frisch gewählter Bürgermeister etwa von Amtsleiterin Sheila (Zabryna Guevara,  "Emergence"), Assistent Buck (Arty Froushan,  "Carnival Row") und Speichellecker Daniel Blake (Michael Gandolfini) von Termin zu Termin geschleift, doch egal ob in einer Grundschule oder beim "Verband fürs lettische Erbe": Jedes Mal singt ihm ein Amateurchor den Achtzigerjahre-Hit "We Built This City" der Band Starship vor. D'Onofrios Mienenspiel während dieser Sangesfolter ist pures Gold - wie sein Gangsterboss-Bürgermeister Kingpin sowieso mal wieder der heimliche Star der Serie ist. Noch statuarischer und bedrohlicher wirkt er hier mit seiner tiefergelegten Totengräberstimme, aber auch melancholischer, fast depressiv. Wenn er sich nicht gerade um den Geliebten seiner Frau Vanessa (auch Ayelet Zurer ist wieder mit von der Partie) kümmert, sitzt er mit ihr bei der Therapeutin Heather Glenn (Margarita Levieva aus  "The Deuce") auf dem Sofa: Paartherapie. Wie wenig Lust beide darauf haben, sieht man ihnen an.

Heather bildet denn auch die Brücke zu Daredevil/Murdock selbst. Der darf in der Rahmenhandlung relativ bald sein dunkelrotes Teufelskostüm anziehen, ist danach allerdings mehrere Episoden lang zunächst einmal als Anwalt Murdock im Spiel. Nach einem einschneidenden Erlebnis, das sich nach einer knappen Viertelstunde Laufzeit in der Pilotepisode zuträgt (und manchen Fan entsetzen wird), und einem Zeitsprung um ein ganzes Jahr, macht er sich, mit einer neuen Sonnenbrille auf der Nase, ans Werk, hoffnungslose Fälle zu übernehmen. Als Sisyphos der Strafjustiz wird er unterstützt von seiner neuen Kanzleikollegin Kirsten McDuffie (Nikki M. James,  "BrainDead") und dem Ex-Cop Cherry ( "Homicide"-Veteran Clark Johnson). Frank Castle a.k.a. The Punisher (zerzaust, vollbärtig und abgewrackt) will dagegen erst einmal nichts mehr von ihm wissen. Am wichtigsten für den Plot aber: Matt verliebt sich in besagte Heather, mit der er sogar eine Beziehung eingeht, von deren prominentem Patienten er aber nichts weiß. Welche Bedrohungssituation sich da zuspitzt, liegt auf der Hand.

Die Fälle, die der blinde Murdock als Anwalt übernimmt und unter Einsatz seines gesteigerten Hörvermögens bearbeitet, laufen nicht in der aus Network-Anwaltsserien bekannten Case-of-the-Week-Form ab, sondern ziehen sich über mehrere Episoden und krallen sich mit ihren Verweisen auf bekannte Comic-Charaktere aus dem Daredevil-Universums auch in der Rahmenhandlung fest. Da geht es beispielsweise um den Rächer "White Tiger", der in ziviler Gestalt zu Unrecht des Polizistenmordes verdächtigt wird: Für Darsteller Kamar De Los Reyes ( "Sleepy Hollow"), nach dem Dreh verstorben, ist das ein starker letzter Auftritt.

Neue Liebe, große Gefahr: Matt ahnt nicht, wen Paartherapeutin Heather (Margarita Levieva) tagsüber so auf der Couch sitzen hat.
Neue Liebe, große Gefahr: Matt ahnt nicht, wen Paartherapeutin Heather (Margarita Levieva) tagsüber so auf der Couch sitzen hat. Disney+

Tony Dalton macht seine Aufwartung in der Rolle des aus "Hawkeye" bekannten Salonlöwen Jack Duquesne, der Serienkiller "Muse" muss enttarnt werden, und die Macher haben sogar Raum und Zeit für eine komplette Folge, in der es ausschließlich um einen Banküberfall geht und neben Murdock kein einziger Darsteller aus dem Main Cast auftaucht - dafür aber Yusuf Khan (Mohan Kapur), der Papa von  "Ms. Marvel". In solchen Momenten ergibt das in letzter Zeit häufig vollgestopft und erlahmt wirkende MCU plötzlich wieder Sinn: wenn Gastauftritte von Figuren aus anderen Serien oder Filmen nicht nur aus Selbstzweck erfolgen, sondern die Charaktere in einem ganz neuen Kontext an frischer Kontur gewinnen. Hier geht das auf.

Währenddessen schiebt sich der ewige Konflikt zwischen Daredevil und Kingpin, die sich auf eine brüchige Waffenruhe einigen, immer mehr in den Mittelpunkt, eingefasst von Szenen aus einem verlottert wirkenden New York, bevölkert von Ganoven, korrupten Polizisten und Abrissgestalten, die aus alten Scorsese-Filmen importiert worden zu sein scheinen. Wenn es etwas gibt, das bislang noch nicht so toll funktioniert in "Born Again", dann sind das die Scharmützel der diversen Gangsterfraktionen. Wer da wen bekämpft und aufs Kreuz legt, wirkt weder in den stereotypen Figuren noch im Plot sonderlich originell durchdacht.

Interessanter ist die Serie dort, wo die Konflikte ums Vigilantentum neu umrissen werden: Inwiefern soll/muss es eine Gesellschaft akzeptieren, wenn selbsternannte Rächer mit Superkräften (wie White Tiger oder Daredevil) bei der Verbrechensbekämpfung mitmischen? Ist ein Rächer mit Maske ein Feigling, wie Fisk es einmal sagt? Die "Anti-Vigilante Task Force" der Polizeibehörde spielt denn auch eine entscheidende Rolle in dieser Serie, die ansonsten schon Vorbereitungen trifft für künftige Staffeln: U.a. ein neuer White Tiger und ein Auftritt von "Bullet" werden angedeutet.

Was Daredevil-Ultras stören könnte: Der Katholizismus des Titelhelden spielt (bislang) keine Rolle, der ethisch-religiöse Aspekt wurde stark reduziert. Schon in der ersten Folge legt ein trauernder Murdock stattdessen lieber Nick Cave auf, der im Song "Into My Arms" singt, er glaube nicht an einen Gott, der sich einmischt. Im Vorspann zerbröselt derweil die Justizia in Schutt und Asche, aus der sich Daredevil als Statue erhebt: mit nur einem einzigen Teufelshorn. Die von Charlie Cox bewährt sympathisch wiederaufgenommene Figur symbolisiert dabei den ganzen Kraftakt dieser seriellen Fortsetzung: "Daredevil" ist ein Sequel und trotzdem ziemlich neu. Fans können diesem Unterfangen (nach dem unweigerlichen Schock in der ersten Episode) getrost eine Chance geben.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten fünf Episoden von "Daredevil: Born Again".

Meine Wertung: 3.5/5

In den USA startet "Daredevil: Born Again" am Dienstag, den 4. März in den Abendstunden (18 Uhr an der Westküste und 21 Uhr an der Ostküste). In Deutschland erfolgt die Veröffentlichung wegen der Zeitverschiebung ab Mittwoch, den 5. März um 3 Uhr morgens auf Disney+.



 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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