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TV-Kritik/Review: The Girlfriend Experience
(25.04.2016)
Steven Soderbergh hat mit dem Kino vorerst angeschlossen, seit drei Jahren macht er nur noch Qualitätsfernsehen,
Dass jetzt, sieben Jahre später, der Serienableger
Man muss Kerrigan, Seimetz und Soderbergh unbedingt loben dafür, dass sie keineswegs den bequemen Weg gehen und den Film nicht als gefällige "Pretty Woman"-Variante in Serie bringen. Im Gegenteil: Die auf 13 halbstündige Folgen angelegte erste Staffel (on demand schon komplett abzurufen) bleibt der kühlen Atmosphäre des Films treu. Die Erzählweise ist elliptisch, fragmentarisch beinahe, auf naheliegende Gratifikationen wird gezielt verzichtet. Mögliche voyeuristische Gelüste etwa bleiben weitgehend unbefriedigt, und wenn doch mal Hüllen fallen, betonen Kerrigan und Seimetz (die sich mit der Regie abwechseln und gemeinsam die Drehbücher schrieben) das Distanzierte und Distanzierende der Situation. Tatsächlich bewegt sich die Serie, nicht auf der Plotebene, aber in Tonfall, Style und Gestus ähnlich "off key" und jenseits aller Mainstream-Erwartungen wie seinerzeit der Film: Zugriffszahlen wie bei seinem Hit
Schon die Sets - oder die Art ihrer Inszenierung - verdeutlichen, in welchem atmosphärischen Kontext man sich hier bewegt: Das ist "Corporate America" in seiner ganzen metallic-kalten Oberflächenglätte. Funktionale Unorte, Glasfronten, unpersönliche Büros in Grau und Blau, öde Kanzleiflure, anonyme Hotellobbys und Gyms, slick-schicke Cocktailbars. Selbst das Apartment, das Protagonistin Christine Reade anmietet, wirkt unwohnlich. Die Regie rückt das Personal gern in extreme Totalen, blickt von außen durch Fenster oder von innen durch Scheiben auf die Figuren, die manchmal wie eingefroren dastehen mit ihrem Coffee-to-Go in der Hand, diesem Klischee gewordenen Symbol für einen nachgespielt wirkenden urbanen Lifestyle. Der Soundtrack liefert dazu viel Stille, nur hin und wieder das beunruhigende Wummern, Ziepen und Dröhnen von Shane Carruth. Zum Frösteln.
In einem weiteren Schritt übertragen Kerrigan und Seimetz das auch auf die Figurenebene. Wie leicht und billig wäre es gewesen, Christine als wärmende Sympathiefigur durchs eiskalte Kommerzamerika zu schicken, als netten Nobel-Escort auf Herzensbildungsreise. Doch sie statten die Jura-Studentin mit fast psychopathischen Zügen aus: Kompromisslos zielstrebig und gleichzeitig irritierend somnambul treibt Christine Reade durchs Geschehen. In einer Bar fordert sie einen Fremden unverblümt zum Sex auf (er darf dann allerdings nur zuschauen, wie sie vor ihm masturbiert), und schon am Ende der dritten Episode geht sie ihrer "Agentin" von der Angel, der sie zuvor 30 Prozent ihres Hurenhonorars zahlen musste.
Riley Keough macht das in der Hauptrolle einigermaßen grandios: Die 26-jährige Elvis-Presley-Enkelin fiel bislang vor allem in Nebenrollen auf (etwa in Soderberghs "Magic Mike"), doch in der "Girlfriend Experience" ist sie von Anfang an der Star. Ihre Christine verbindet die Cuteness einer Emma Watson oder Drew Barrymore mit Kristen Stewarts Lässigkeit und dem kämpferischen Ehrgeiz von Elizabeth Moss in
Christine ergattert zu Beginn der Pilotepisode einen Praktikumsplatz in einer renommierten Chicagoer Anwaltskanzlei und findet sich gleich "in competition": Am Ende werden nur die beiden besten Praktikanten übernommen. Den Wettbewerbsgeist, den zu lieben sie schon im Vorstellungsgespräch beteuert, wird sie bald ins Escort-Gewerbe übertragen, mit dem Unterschied, dass sie dort aufreizende Kleider trägt und nicht Kostüm und Rollkragenpulli. Kommilitonin Avery (Kate Lyn Sheil aus Seimetz' "Sun Don't Shine"), schon länger Nobel-Escort, führt sie in die Branche ein. Beide haben Spaß am Sex, sind in ihren Orientierungen fluide (was ganz nebenbei erzählt wird). So gestalten sich für sie die Abende in teuren Bars mit solventen Geschäftsmännern, die nicht immer zwingend alt und hässlich oder auch nur männlich sein müssen und auch nicht zwingend immer bloß Beischlaf wünschen, nicht unbedingt grässlich. "The Girlfriend Experience" vermeidet die üblichen Klischees, kein Teufel wird an die Wand gemalt, dennoch vermittelt sich auf allen Ebenen, in Sounds, Blicken und Interieurs, ein beklemmendes Bild menschlicher Beziehungsverweigerungszusammenhänge. Keine der Figuren wirkt glücklich, allenfalls der teure Rotwein im Glas strahlt Wärme aus.
Wie lange dieses Panorama der Einsamkeiten die Serie tragen kann, bleibt freilich ebenso abzuwarten wie die Belastbarkeit des Plots. Der kommt sehr schnell voran, die Monate vergehen zügig, Christine entwickelt als Escort mit dem Künstlernamen "Chelsea" bald Routine. Es deutet sich an, dass Avery, die bei der Agentin in Ungnade fällt, Probleme machen wird, eine Erpressung liegt in der Luft, als ein Umschlag mit kompromittierenden Fotos auf Christines Schreibtisch landet. Zudem wird klar, dass Christines Night Job mit dem Day Job in der Kanzlei kollidieren, sich womöglich sogar mit ihm überschneiden wird. Im Intrigantenstadl der Firma sind als aufstrebender Anwalt David und dessen Kollegin Erin mit Paul Sparks (
Die größte Stärke von "The Girlfriend Experience" liegt in der Beiläufigkeit, in der von existenziellen Dingen erzählt wird, vom Körperlichen, vom Sozialen, vom Ökonomischen. Wie sich Prostitution und kommerzieller Wettbewerbsgeist dabei spiegeln, in einer Gesellschaft, in der längst nicht nur Sex, sondern auch Innigkeit und Freundschaft als "Erlebnispaket" verkauft werden, macht dabei den eigentlichen Schrecken aus. Sex-Arbeit als Kapitalismus-Metapher - gewiss, diese Analogsetzung läuft auch Gefahr, als Banalität zu enden. Doch die ersten Episoden deuten darauf hin, dass hier durchaus mit komplexeren Einsichten zu rechnen ist.
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Starz
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