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TV-Kritik/Review: "Am Anschlag - Die Macht der Kränkung": Verflochtene Schicksalswege kulminieren in Amoklauf

Überzeugendes Ensemble rettet ZDFneoriginal
Am Anschlag - Die Macht der Kränkung
ZDF/ Petro Domenigg / FILMSTILLS.AT K.
TV-Kritik/Review: "Am Anschlag - Die Macht der Kränkung": Verflochtene Schicksalswege kulminieren in Amoklauf/ZDF/ Petro Domenigg / FILMSTILLS.AT K.

Manchmal liegen die Themen für neue TV-Serien wohl einfach in der Luft. Wie anders lässt es sich erklären, dass nach dem dänischen  "Wenn die Stille einkehrt" neulich bei arte nun mit dem ZDFneoriginal  "Am Anschlag - Die Macht der Kränkung" eine weitere Miniserie mit dem gleichen Thema anläuft? Jedenfalls fast dem gleichen: War es bei den Dänen ein politisch motivierter Terroranschlag auf ein Restaurant, der als Kulminationspunkt der zahlreichen Einzelschicksale diente, ist es hier eher ein klassischer Amoklauf in einem Wiener Einkaufszentrum. Dem direkten Vergleich mit der preisgekrönten und hervorragenden skandinavischen Serie muss sich die ZDF-Produktion dennoch stellen.

Zumal auch die Erzählweise und der Aufbau der Miniserie sehr ähnlich ist - zumindest im Vergleich zur ersten Hälfte des dänischen Vorläufers: Zu Beginn der ersten Folge sieht man ausschnitthaft den Anschlag selbst, danach springt die Handlung ein paar Tage zurück und schildert pro Episode jeweils einen Tag, bis in der sechsten und letzten der Zeitpunkt der Gewalttat erreicht ist. Zwischendurch gibt es auch hier immer mal wieder kurze Sprünge in die Zukunft, in denen wir einzelne Protagonisten während des Anschlags sehen, mal blutverschmiert, mal sich versteckend, mal mit Maschinenpistole in der Hand - ohne dass klar wird, wer nun Opfer ist und wer auch TäterIn sein könnte.

Denn das ist die Grundidee der Serie, für die sich Agnes Pluch von dem Sachbuch "Die Macht der Kränkung" des österreichischen Psychiaters Reinhard Haller inspirieren ließ: Jeder Mensch kann zum Amokläufer werden, wenn er nur lange genug von anderen gekränkt wurde. Und Mobbingopfer sind letztlich alle Hauptfiguren, wenn sie auch selbst ganz schön austeilen.

Vor dem Unfall waren sie ein glückliches Paar: Eva (Antje Traue) und Georg (Murathan Muslu)
Vor dem Unfall waren sie ein glückliches Paar: Eva (Antje Traue) und Georg (Murathan Muslu) ZDF / Petro Domenigg / FILMSTILLS.AT K.

Da ist zunächst mal Georg (Murathan Muslu), der als Securitymann in der Shopping Mall mit dem schönen Namen Sunshine City arbeitet. Dem kräftigen, körperbetonten Mann steht das Wasser bis zum Hals, braucht er doch dringend eine Gehaltserhöhung, weil seine Freundin Eva (Antje Traue) nach einem Unfall erblindet ist. Bei seiner Bewerbung um die Position des Teamleiters macht ihm jedoch der jüngere Kollege Mario (Paul Wollin) Konkurrenz und eine von Passanten gefilmte Auseinandersetzung mit jugendlichen Dieben geht viral und droht, seine Karrierechancen zu zerstören. Unter großem Druck steht auch Mira (Julia Koschitz), die für einen Finanzkonzern neue Produkte entwickelt und von ihrem Vorgesetzen ausgebootet werden soll. Mit diesem Richard (Anian Zollner) hat sie dummerweise auch noch eine Affäre.

Miras Mutter Ingeborg (Ulrike Willenbacher), eine kultivierte Witwe, wirft ihrer Tochter seit langem vor, ihr Talent als Pianistin zu Gunsten des "Bullshitjobs" in der Finanzbranche aufgegeben zu haben. Ansonsten plant sie heimlich ihr neues Leben mit einem Mann, den sie nur aus dem Internet kennt - und dem sie vorab schon mal ihr Erspartes nach Tokio überwiesen hat. Finanzielle Sorgen hat auf der anderen Seite die Ärztin Sarah (Johanna Wokalek,  "Der Baader-Meinhof-Komplex"), die sich für eine eigene Praxis in dem Einkaufszentrum verschuldet hat. Ihr Ex-Ehemann ist mit den Unterhaltszahlungen für die gemeinsamen Kinder Monate im Rückstand und die Bank verweigert einen weiteren Kredit.

Privat haben sie eine Affäre, beruflich sind sie Konkurrenten: Mira (Julia Koschitz) und Richard (Anian Zollner)
Privat haben sie eine Affäre, beruflich sind sie Konkurrenten: Mira (Julia Koschitz) und Richard (Anian Zollner) ZDF / Petro Domenigg / FILMSTILLS.AT K.

Wie immer in solchen Ensembleserien sind manche Handlungsstränge interessanter als andere. Der schillerndste ist sicherlich der um den Finanzdeal, bei dem Mira und Richard mit allen Mitteln um die Macht in ihrer Firma kämpfen und die Geschäftspartner die dunkelsten Seiten des Typs "ältere weiße Männer in Machtpositionen" offenbaren. Julia Koschitz wechselt dabei immer wieder beeindruckend zwischen tougher Karrierefrau und verletzlicher Seele. Die SchauspielerInnen sind überhaupt durchweg stark. So lebt der Erzählstrang um Georg und Eva in erster Linie von deren DarstellerInnen: Murathan Muslu, der schon als Kriminalbeamter in den österreichischen Serien  "CopStories" und  "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" und als Rapper in der kurzlebigen Netflix-Serie  "Skylines" überzeugte, sowie die ebenfalls immer tolle Antje Traue ( "Tempel",  "Dark").

Am Rande des Bankrotts: Ärztin Sarah (Johanna Wokalek) steht das Wasser finanziell bis zum Hals.
Am Rande des Bankrotts: Ärztin Sarah (Johanna Wokalek) steht das Wasser finanziell bis zum Hals. ZDF / Petro Domenigg / FILMSTILLS.AT K.

Aber auch die noch jüngeren SchauspielerInnen überzeugen: So wird die Friseurin Saschi, die mit Security-Mann Mario Schluss macht und sich in den Kellner Lorenz (Jonas Holdenrieder) vom Italiener gegenüber verliebt, von Lea Zoë Voss gespielt. Die wurde durch die hervorragende Jugend-Webserie  "Druck" vom Funk-Netzwerk bekannt und hat nun den Sprung in eine "erwachsene" ZDF-Produktion geschafft - zu Recht! In einer weiteren tollen Nebenrolle als Evas Nachbarin und neue Freundin ist die türkischstämmige Österreicherin Alev Irmak zu sehen, die in "CopStories" regelmäßig als Gerichtsmedizinerin mit starkem Vorarlberger Dialekt für Lacher sorgte.

Haben als Paar keine Zukunft: Friseurin Saschi (Lea Zoë Voss) und Securitymann Mario (Paul Wollin)
Haben als Paar keine Zukunft: Friseurin Saschi (Lea Zoë Voss) und Securitymann Mario (Paul Wollin) ZDF / Petro Domenigg / FILMSTILLS.AT K.

Nach einem starken Auftakt in den ersten beiden Folgen wirken die Erzählstränge in Episode 3 und 4 leider etwas konstruierter, auch soapiger: Die doch so gebildete, aber auch unglaublich naive Ingeborg, die auf eine uralte Masche hereinfällt, der blauäugige Arzthelfer, der sich in seine ältere desillusionierte Chefin verliebt - das ist schon etwas platt. Überhaupt agieren viele Figuren trotz bester Absichten oft so dumm, dass man es kaum fassen kann. Die psychologische Tiefe von "Wenn die Stille einkehrt" erreicht das deutsche Pendant nicht, ausgespart bleibt auch die gesellschaftliche und politische Dimension solcher Gewalttaten. Das Thema Amoklauf wird hier auf die individuelle Ebene, auf den Einzelfall beschränkt und im Stil eines Whodunnit - wer ist der Täter und was ist sein Motiv? - beleuchtet. Und wo die dänische Serie erst richtig interessant wurde, nämlich nach dem Anschlag - mit dessen Folgen für die Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft -, ist die deutsche bereits zu Ende.

"Am Anschlag" konzentriert sich statt aufs große Ganze auf einen Mikrokosmos, die geschlossene Welt der Shopping Mall, in der jeder irgendwie jeden kennt und sich alle mindestens zweimal begegnen. Das ist als Ansatz durchaus auch spannend und man folgt den Figuren gerne durch ihre Abwärtsspiralen. Den stärkeren emotionalen Eindruck hinterlässt aber sicher die dänische Serie.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten vier Episoden von "Am Anschlag - Die Macht der Kränkung".

Meine Wertung: 3.5/5

Die sechsteilige Dramaserie ist ab Freitag, 20. August 2021, 10.00 Uhr, ein Jahr lang in der ZDFmediathek abrufbar und am Dienstag, 24. August, sowie am Mittwoch, 25. August 2021, ab jeweils 21.45 Uhr, mit je drei Folgen bei ZDFneo zu sehen.


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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Leserkommentare

  • Fritz Bergrath schrieb am 28.08.2021, 17.27 Uhr:
    Ich finde auch, dass "Når støvet har lagt sig" dadurch interessant war, dass man 5 Folgen/Tage lang (gleicher Countdown wie in "Am Anschlag") zur Tat heruntergezählt hat, dann aber auch 5 Folgen lang die Konsequenzen dargestellt hat, während die deutsche (ich dachte, es sei eine österreichische) Serie mit einer sehr klischeehaften Schluss-Szene endet, die schon deshalb unbefriedigend wirkt (Achtung, Spoiler), weil das "glückliche Paar" sein Glück auf geklautes Geld aufbaut. Sehr unglaubwürdig ist auch, dass türkische Eltern ihre Kinder Georg nennen, auch wenn sie in Österreich aufwachsen. Und leider war ab Folge 3 eigentlich klar, wer der Täter war – danach habe ich nur noch nach Bestätigungen für meinen Verdacht gesucht. Man sollte aber auch bei einer so kurzen Serie eine Kritik nicht auf den ersten 4 Folgen aufbauen, denn die Kritik von M. Kirzynowski am Ingeborg-Plot ist ja – dank des für mich wirklich unerwarteten Twists in der Schlussszene – letztlich ungerechtfertigt: Gerade dieser Handlungsstrang ist besonders gut eingefädelt und führt die Zuschauer bewusst in die Irre. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass auch an der dänischen Serie einiges recht unglaubwürdig war und sehr, sehr "weit hergeholt", aber auch teils klischeehaft schien. Ich könnte mir vorstellen, dass auch andere Länder noch dieses Muster aufgreifen. Wäre interessant, eine israelische Variante zu sehen.
  • User 1658328 schrieb am 25.11.2021, 18.31 Uhr:
    Nur eine Frage, was soll denn die Bemerkung: "Sehr unglaubwürdig ist auch, dass türkische Eltern ihre Kinder Georg nennen, auch wenn sie in Österreich aufwachsen."? Woher wissen Sie denn, dass "Georg" türkische Eltern hat? Das ist doch ein bisschen diskriminierend - schauen Sie bei jedem Schauspieler auf den Namen und dann darf der nur das spielen, was dem Namens(klischee) entspricht?
    Schöner wäre es, wenn mehr Leute dieselbe Auffassung vertreten würden wie der wirklich gute österreichische Schauspieler, der den Georg verkörpert: "Schauspieler sind wie praktische Werkzeuge und es sollte vollkommen egal sein, von welchem Werk sie produziert wurden, solange sie ihre Arbeit effektiv vor Ort erledigen."
  • Sentinel2003 schrieb am 20.08.2021, 22.28 Uhr:
    Anthe Traue scheint jetzt zum Glück viel mehr in deutschen Produktionen zu sehen sein....meine bisherige Lieblings Serie mit ihr ist weiterhin die auch zdf_neo Serie "DEAD END" mit dem leider großartigen verstorbenen Schauspieler Miachel Gwisdeck als ihr Serien Vater.