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Für den Genuss eines fiktiven Werks, etwa eines Spielfilms oder einer Serie, ist die sogenannte suspension of disbelief von großer Bedeutung. Als Zuschauer, die gut unterhalten werden möchten, erklären wir uns bereit, die Vorgaben der Erzählung zu akzeptieren, auch wenn diese fantastisch oder unmöglich sind. Die Aussetzung der Ungläubigkeit - so die wörtliche Übersetzung der englischen Wendung - hält bestenfalls über die gesamte Laufzeit an. Nicht selten aber servieren uns Autoren und Regisseure Geschichten, die derart wackelig konstruiert sind, dass es schwer fällt, unsere Zweifel über Bord zu werfen. Jüngstes Beispiel ist die deutsche Netflix-Miniserie
Zu Beginn steht ein klassischer Topos aus dem Horrorfilm, der sowohl im Episodentitel ("Ein neuer Anfang") als auch in den Dialogen ("Nach allem, was passiert ist..." ist mantraartig zu hören) überdeutlich betont wird. Samira (Mina Tander), Ehemann David (Michael Klammer) und ihre Kinder Fynn (Joshua Kantara) und Juno (Mary Amber Oseremen Tölle) brauchen nach einem schweren Schicksalsschlag dringend einen Tapetenwechsel. Der Selbstmord von Samiras psychisch kranker Schwester hat die Familie nachhaltig erschüttert und treibt sie von Hamburg aufs Land hinaus. In der nicht näher verorteten deutschen Provinz bezieht das Quartett ein versteckt liegendes Haus im Grünen, das seit den 1970er-Jahren nicht mehr bewohnt wurde.
Schon kurz nach der Ankunft erwartet die neuen Besitzer eine Überraschung. Der im Keller stehende, ein gewaltiges KI-System steuernde Server funktioniert noch. Ebenso wie der putzig aussehende menschengroße Roboter Cassandra, dessen Bildschirmkopf das Gesicht der Schauspielerin Lavinia Wilson ausfüllt. Bezugnehmend auf den Pixar-Animationsfilm
So weit, so reizvoll. Fragwürdig ist jedoch, wie selbstverständlich die Neuankömmlinge das ausgefuchste KI-System annehmen und in ihren Alltag integrieren. Müsste nicht erst einmal große Verwunderung vorherrschen? Zumal laut dem Makler die Technik ihren Geist längst aufgegeben hat. Stehen die konstante Beobachtung und die Überwachung durch Cassandra nicht dem eigentlichen Ziel des Umzugs im Weg? Nämlich als Familie Ruhe zu finden, Kraft zu tanken. Und will niemand wissen, was die Künstliche Intelligenz mit den aufgeschnappten Informationen anstellt?
Einzig Samira wird stutzig, als es zu ersten Ungereimtheiten und Irritationen kommt. Cassandra, das ist für den Zuschauer schnell erkennbar, will sich um jeden Preis in die Familie hineindrängen, versucht, die Bewohner zu manipulieren, verbreitet Lügen und schiebt kleine Unfälle auf Samira, die als Skeptikerin im Haus eine im Horrorgenre typische Entwicklung durchläuft. Wie so viele Frauen vor ihr ist sie die zunehmend aufgebrachtere Mahnerin, die Gefahr wittert, der aber niemand in ihrem Umfeld Glauben schenken will. Schlimmer noch: Ihre Beunruhigung wird abgetan als Zeichen einer psychischen Erkrankung, ausgelöst durch den Tod der Schwester.
Aus diesem Umstand hätte man einen spannenden Charakterbogen bauen können. Serienschöpfer und Regisseur Benjamin Gutsche (

Erschwerend kommt hinzu, dass das Trauma und die persönlichen Kämpfe der Familie, etwa Fynns Liebesachterbahn mit Klassenkamerad Steve (Filip Schnack), nicht die angedachte emotionale Durchschlagskraft entfalten. Manches wirkt schlicht zu aufgesetzt, um tiefer unter die Haut zu gehen. Darüber hinaus wird es nur selten wirklich unheimlich. Lavinia Wilsons verzerrtes und verzögertes Lächeln auf den Monitoren hat zwar etwas Beunruhigendes an sich. Zu oft vertraut die Miniserie aber auf altbekannte Gruseltricks wie den plötzlich im Bild auftauchenden Roboter.
Etwas packender wirkt da schon die zweite, die Vorgeschichte des Smart Homes beschreibende Erzählebene, die sich langsam entblättert, nachdem Samira alte Dias in Augenschein genommen hat. Hier geht es zurück in die 1960er- und 1970er-Jahre in das Leben der Hausfrau Cassandra (ebenfalls Lavinia Wilson), die mit ihrem Ehemann Horst (Franz Hartwig) und ihrem gemeinsamen Sohn Peter (Elias Grünthal) ein konservatives Vater-Mutter-Kind-Dasein führt. Während ihr Gatte, ein ambitionierter Forscher, die finanzielle Absicherung garantiert, hält sie das Heim in Schuss und bemüht sich, ihrem unter väterlicher Erniedrigung und Mobbingattacken leidenden Kind eine Stütze zu sein.
Auch in diesem Strang neigt Benjamin Gutsche dazu, den dicken Pinsel zu schwingen, Dinge übermäßig zu betonen. Dramen und Rückschläge reihen sich förmlich aneinander. Diverse Motive des Horror- und Science-Fiction-Genres werden eingestreut. Nichtsdestotrotz breitet sich ein gewisses Unbehagen aus, wenn sich Cassandras Traum vom familiären Idyll mehr und mehr in ein Schreckensbild verwandelt. Überzeugend ist neben Franz Hartwigs Darstellung eines chauvinistischen Egomanen auch die liebevolle Retroausstattung der Vergangenheitspassagen. Hübsch anzuschauen ist die Netflix-Produktion allemal.

Eine schöne Verpackung reicht allerdings nicht aus, wenn es inhaltlich immer wieder knarzt. Enttäuschend ist beispielsweise, wie die Miniserie in der fünften Folge mit Samira umspringt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt tun sich erneut störende Glaubwürdigkeitsdefizite auf. Eine wochenlange Abwesenheit in der Schule scheint niemanden ernsthaft zu interessieren. Verblüffend auch, wie sich manche Figuren ihrem Schicksal ergeben. Echtes Aufbegehren? Fehlanzeige! Von wenig Raffinesse zeugt nicht zuletzt der "Kniff", eine Person durch das Erscheinen eines toten Menschen zum Handeln zu bewegen.
Den KI-Aspekt, Fragen nach dem Verhältnis der Geschlechter und Beziehungsdynamiken möchte "Cassandra" auf fesselnde Weise bündeln, kommt aber über interessante Ansätze nicht hinaus. Wie man es besser macht, zeigt der Anfang Februar gestartete Kinofilm
Dieser Text basiert auf der Sichtung aller sechs Folgen der Miniserie "Cassandra".
Die Miniserie "Cassandra" ist ab dem 6. Februar bei Netflix verfügbar.
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Leserkommentare
RENE-GAD schrieb am 16.02.2025, 16.18 Uhr:
ich habe bei imdb 9/10 für die Serie gegeben. Wer bei der Genre die Plausibilität oder Realität oder Logik sucht - sollte mal die Bild-Zeitung lesen. Tolle Lavinia Wilson als treue und liebende Mutter, die für ihre Kinder alles in ihrer Kräften stehende tut. Für die anderen guten Schauspieler gab es keinen vergleichbaren Spielraum.
Und bitte keine 2. Stafel: es ist in der 1. alles gesagt.Aus schrieb am 10.02.2025, 10.58 Uhr:
Man darf wohl nicht den Fehler machen und Cassandra als KI im heutigen Sinne verstehen. Sie ist lediglich eine Maschine, die die Persönlichkeit/Erinnerungen von Cassandra übertragen bekommen hat. Sie kann zwar das Haus steuern, aber sie hat keinen Anschluss ans Internet und ist auch nicht allwissend. Ich habe mich eher an Welt am Draht erinnert gefühlt als an Alexa, Siri und Konsorten. Allerdings saß ich spätestens ab Folge 3 dran und dachte mir: Jetzt schraubt ihr halt endlich die Arme ab, dann wäre sie "entschärft".
Mir fehlte in der Erzählung noch, was in den 50 Jahren zwischen dem Auszug der Familie von Cassandra und dem Einzug der neuen Familie passiert ist. Genau da sehe ich sogar Logikfehler. Wenn sich Cassandra doch nur selber an-/ausschalten kann, wieso stand sie dann 50 Jahre untätig rum? Wer hat sie nach dem Autounfall dorthin zurück gebracht und auseinander gebaut? Klar hat man irgendwann den Strom im Haus abgeschaltet, nachdem keiner mehr drin gewohnt hat. Aber Birgits Sohn Thomas hätte als leiblicher Sohn von Horst doch Anrecht auf das Haus gehabt. Und Birgit wusste eventuell ja auch von Margarethe. Dass sich Cassandra dann auch noch von Fynn über exakt jenen Schalter einschalten lässt, der ja nur eine Attrappe ist? Bisschen unausgegoren. Genauso wie der Titel an sich: Die mythologische Kassandra ist ja die eigentliche Mahnerin. Das trifft hier aber doch auf Samira zu?
Und eine Kleinigkeit noch, die mir letztens schon mal irgendwo aufgefallen ist: Das Stofftier von Margarethe war definitiv kein 70er-Jahre-Stofftier. Eher 30 Jahre jünger.
Alles in Allem habe ich mich aber doch gut unterhalten gefühlt, den Cast fand ich super, die Rückblicke in die 60/70er gut gemacht. Und Lavinia Wilson ist als Psychopatin immer sehenswert. 4,5 von 5 Sternen würde ich auf jeden Fall geben, wenn mich jemand danach fragen würde ;)Kristin schrieb am 08.02.2025, 16.52 Uhr:
Also ich habe jetzt alle 6 Folgen durch & muss sagen mir hat die Serie richtig gut gefallen. Auch viele Netflix Kunden sind der gleichen Meinung. Sorry, ich habe einfach kein Verständnis das man Deutsche Produktionen gleich immer schlecht machen muss.
Aus schrieb am 10.02.2025, 10.59 Uhr:
Eventuell ist das ja Stoff für eine Fortsetzung? Würde ich auf jeden Fall anschauen.
sofahuhn schrieb am 08.02.2025, 20.43 Uhr:
ich fand es auch sehr gut! einfach :o - was aber aus birigt u. thomas (das ist ja der sohn von hortst) passierte würde mich schon intr.
Vritra schrieb am 06.02.2025, 15.48 Uhr:
Obwohl mir vielleicht dadurch etwas entgehen könnte, tue ich mir schon länger keine deutschen Serien mehr an. An den Kritikpunkten für diese Produktion kranken sie nämlich fast immer. Wir haben's nicht drauf und ich frage mich, warum das so ist.
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