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TV-Kritik/Review: "Leverage: Redemption": Raubzugnachschub mit alten und neuen Stars
(17.07.2021)
In komplizierten Zeiten wie unseren ist nichts so reizvoll wie der Rückzug ins Bewährte. Dieser Erklärungsansatz für die Sequel-, Prequel- und Rebooteritis in Film und Fernsehen liegt besonders dort nahe, wo die Stars von früher nach längerer Pause wieder in ihre angestammten Rollen schlüpfen. Das hat uns in den letzten Jahren von
Als "Leverage" 2008 beim US-Kabelsender TNT an den Start ging, passte das Konzept ideal in die Zeit: In der Weltfinanzkrise, mit all den millionenschweren Spitzenbankern, die sich ihre Läden vom Staat retten ließen und auf den Trümmern der in der Blase geplatzten Immobilien tanzten, traf eine Serie, in der smarte Kriminelle mit dem Herz am rechten Fleck die ganz großen Fische erwischten, den richtigen Nerv. All jenen ging es an den Kragen, derer die Justiz auf regulärem Wege nicht habhaft werden konnte: miese Manager, fiese Bosse, korrupte Politiker. Die Schadenfreude am Ende jeder Episode gehörte zum Spaß an dieser Serie ebenso dazu wie die ausgeklügelten Strategien im
Für die (in Deutschland bei VOX gelaufene) Serie war dann allerdings nach fünf Jahren Schluss. Mit nüchternem Blick darf man aus heutiger Sicht bilanzieren: "Leverage" zählte nicht zum Serien-Hochadel, war nie Material für Bestenlisten und prestigereiche Awards. Eher gehörte die von
Ins Jahr 2021 ließ sich "Leverage" jetzt erstaunlich gut verpflanzen. Geschrieben noch in der Trump-Ära für eine gefühlt noch unsicher gewordene Welt der Umbrüche, gedreht während der Corona-Pandemie, ist auf eine Sache Verlass: Power-Schurken gibt es heute nicht weniger als vor neun Jahren. Also braucht es auch noch ein Team wie die Leverage-Leute, die als "Avengers" oder Neo-Robin-Hoods im Digitalganovengewand die Geknechteten retten, indem sie die Erniedriger zur Rechenschaft ziehen. Utopisch, klar. Ein bisschen simpel auch, sowieso. Aber immer noch ziemlich gutes Entertainment. Man merkt sofort, dass Devlin (als Regisseur) sowie das Autorengespann Rogers und Downey erneut federführend mit an Bord sind und Sorge tragen, dass sich das Ergebnis treu bleibt.
Vom alten Team nicht mehr dabei ist lediglich Timothy Hutton. Ob er keine Lust auf diese Neuauflage hatte oder ob's an einem im vergangenen Jahr publik gewordenen #metoo-Vorwurf gegen den Oscarpreisträger lag, darüber kann man nur spekulieren. Jedenfalls wurde seine Figur, der Ex-Versicherungsdetektiv Nate Ford, immerhin das Mastermind des Teams, von den Autoren abgemurkst. Gleich zu Beginn treffen sich die alten Mitstreiter an seinem Grabstein. Zur Erinnerung führen sie sich mit ihren alten Spitznamen ein: "Hacker" Alex Hardison (Aldis Hodge), der sich in alle Systeme reinhacken kann und der Technikexperte des Teams ist, "Thief" Parker (Beth Riesgraf), Alex' Freundin, vor der kein Safe sicher ist und die sich immer noch akrobatisch an allen Lasersicherungssystemen vorbeiwinden kann, "Hitter" Eliot Spencer, der Martial-Arts-Prügler mit Ambitionen auf mehr, den Christian Kane mit seinem stets frisch zurechtgeföhnten Wallehaar immer noch so spielt wie einen mitteltumben Schiffsschaukelbremser im Körper eines texanischen Anzugmodels - und schließlich "Grifter" Sophie Devereaux (Gina Bellman), die geniale Betrügerin, die in immer neue Rollen und Klamotten schlüpft, um ihre Opfer anzulocken.
Am Ende der letzten Staffel hatte Nate Sophie einen Heiratsantrag gemacht; zu Beginn von "Leverage: Redemption" erfahren wir, dass Nate inzwischen gestorben ist, nach glücklichen Ehejahren. Sophie trauert, wird aber von den Ex-Kollegen schon bald dazu überredet, weiterzumachen. Endlich mal wieder was stehlen! Zwar leiten Eliot und Alec zwar "Leverage International", ein weltweites Franchise aus zwölf Diebesbanden, die sich ihre hehren Zwecke und genialen Moves vom Originalteam abgeguckt haben, zwar ist Eliot überdies als Geschäftsführer einer Food-Truck-Kette tätig und Alec als Programmierer für die Logistik von Flüchtlingslagern, doch ausgelastet sind sie damit nicht. Ganz zu schweigen von Parker, die sich danach verzehrt, endlich wieder mal durch Lüftungsschächte robben zu dürfen, um in Geheimräume vorzudringen. Alec stöhnt zwar: Wir haben doch Lüftungsschächte in unser Haus eingebaut, damit Du dort drin Zeit verbringen kannst!
Doch Parker mault nur: Die kenne ich doch schon alle.
Mehr Motivation brauchen die Autoren nicht, um die vier Veteranen direkt wieder in medias res zu schicken. Keine zehn Minuten braucht die erste Folge, um das Team wieder unbefugt in die Hallen der Mächtigen und Reichen einzuschleusen, während auf dem Soundtrack die Geigen pizzicato gezupft werden, um das Schlitzohrige an der Situation zu betonen. Tatsächlich fühlt sich dieser schnelle Übergang in die Gefilde des aus "Leverage" Vertrauten überraschend ungezwungen an: Man schaut einfach liebgewonnenen Leuten von damals zu, die das machen, was die Fans wollen, nur dass sie jetzt eben älter sind: Mitte dreißig (Hodge) bis Mitte fünfzig (Bellman).
Geschmeidig gelingt die Integration der beiden neuen Teammitglieder. Das erste wird sozusagen dem ersten Fall abgerungen - Harry Wilson war lange Anwalt und Ausputzer genau jener Mächtigen und Korrupten, gegen die sich das Leverage-Team in der Regel wendet. Jetzt aber hat er die Schnauze voll und bietet sich dem Team als Inside Man an, auch um so vielleicht etwas Karma zurückgewinnen zu können. Der Titelzusatz "Redemption" (Erlösung) bezieht sich zweifellos auf Harry.
In der zweiten neuen Episode (die ersten acht sind veröffentlicht, weitere acht sind bestellt und sollen später im Jahr folgen), die inhaltlich mit dem Piloten eine Doppelfolge bildet, stößt dann die junge Breanna Casey (Aleyse Shannon aus
Doch auch mit Wyle und Shannon als Harry und Breanna kann man sich das "Leverage"-Team auf Dauer gut vorstellen, zumal trotz ein paar ausgewechselter Parameter alles seinen gewohnten Gang geht. Das Hauptquartier der Diebe liegt nach Chicago, Los Angeles, Boston und Portland in den bisherigen Staffeln diesmal im Süden der USA, in New Orleans, genauer gesagt: in einem stillgelegten Restaurant im French Quarter.
Davon abgesehen wird aber sofort alles geliefert, was das "Leverage"-Fanherz begehrt: der heist of the week mit immer neuen Einbruch-Ideen, die obligatorischen Prügelszenen mit Eliot zu funkigem Schubidu-Rock, die ebenso obligatorischen Flashbacks, die gegen Ende aufdecken, mit welchen Tricks die Helden vorgegangen sind. Dieser typische
Brisante Themen wie dieses mit amüsanten Trickdiebereien, cleveren Computertüfteleien und irren Verkleidungstravestien zu verbinden, die mal ins Boston Art Museum, mal in einen Geldbunker in Panama führen - das ist immer noch das große Ding im "Leverage"-Zirkus. Und es funktioniert noch, auch wenn man wie damals bilanzieren muss: Die großen Preise absahnen werden wohl andere Serien. "Leverage: Redemption" ist eher ein lockere Späßchen. Aber genau diese Lockerheit, die muss man erst mal hinkriegen.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie "Leverage: Redemption".
Die Serie "Leverage: Redemption" wird in den USA bei dem Streamingdienst imdb.tv veröffentlicht - der hgehört wie Prime Video zu Amazon, finanziert sich allerdings durch Werbung und ist aktuell nur in den USA aktiv. In Deutschland hat die Mediengruppe RTL die Serie beim Produktionssudio Electric Entertainment lizenziert.
Über den Autor
Leserkommentare
4200 schrieb am 24.07.2021, 07.41 Uhr:
Freue mich darauf, Leverage hat Spaß gemacht, wie es sonst nur britische Serien schaffen.
Das Aldis Hodge nicht so oft dabei ist, finde ich schade - hoffe auf mehr in den nächsten Staffeln!
Spielfreude und Können, gute Plots, Intelligenz und Witz in spannenden Bildern - was will man mehr von guter Unterhaltung!!! Stimme mit dem Autor überein: das soll erst einmal einer nachmachen!User 90650 schrieb am 19.07.2021, 18.25 Uhr:
Der Produzent Dean Devlin hat bei Twitter bekannt gegeben, dass Leverage Redemption am 4. Oktober in Deutschland startet.User_389305 schrieb am 18.07.2021, 07.51 Uhr:
Ich habe Leverage sehr gerne (und auch ziemlich oft) angesehen und freue mich total auf die neuen Folgen. Schade um Timothy Hutton, aber die anderen vier werden den Verlust wohl wettmachen. Und ich hoffe auch sehr auf eine Ausstrahlung bei netflix oder Prime.Torsten Schaub schrieb am 17.07.2021, 16.29 Uhr:
Ich liebe die Serie und hoffe, dass irgendein Streamingdienst sich der neuen Folgen annimmt und zeigt. Im Free-TV muss man dann sowieso eine Ewigkeit warten.
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