Registrierung zur E-Mail-Benachrichtigung
Anmeldung zur kostenlosen Serienstart-Benachrichtigung für
- E-Mail-Adresse
- Für eine vollständige und rechtzeitige Benachrichtigung übernehmen wir keine Garantie.
- Fragen & Antworten
TV-Kritik/Review: "Midnight Mass": Keine plärrende Horrorshow, sondern bedrückende Auseinandersetzung mit Glauben und Alkoholsucht
(26.09.2021)
Kennern des modernen Horrorschaffens dürfte der Name Mike Flanagan längst geläufig sein. Seit
Wer mit Flanagans Karriere vertraut ist, wird nicht bestreiten, dass seine Gruselstoffe stets mehr sind als aufdringliche, nur den schnellen Schock im Blick habende Geisterbahnfahrten. Seine Figuren nimmt der Schauerenthusiast immer ernst und lässt sie nie zu platten Funktionsträgern oder billigem Kanonenfutter verkommen. Gut zu sehen am Beispiel von "Spuk in Hill House", wo Themen wie Trauer und Verlust eine gewichtige Rolle spielen und dem Geschehen eine ungeahnte emotionale Tiefe verleihen. Furchteinflößender als alle "echten" Gruselszenen sind hier die Momente, in denen der Schmerz, den die Menschen mit sich herumtragen, schonungslos hervorbricht.
Im Wissen um Flanagans Verständnis von Horror, der tief im Inneren entsteht, sollte es nicht verwundern, dass der Regisseur den eingeschlagenen Weg auch in seinem neuesten Projekt beibehält. "Midnight Mass" dem Unheimlichen zuzuordnen ist sicherlich nicht falsch. Das Grauen entfaltet sich jedoch aufreizend langsam, was Freunde des gerade im US-Mainstreamkino sehr beliebten Jump-scare-Stils schnell frustrieren wird. All jene, die auf eine Parade der Knalleffekte und Blutfontänen aus sind, sollten - so muss man zumindest nach Ansicht der ersten drei Episoden konstatieren - einen weiten Bogen um die Netflix-Miniserie machen, die in sieben bedeutungsschwanger betitelten Teilen von einer kleinen, abgeschiedenen Insel handelt, auf die zu Beginn, nach vielen Jahren der Abwesenheit, der frisch aus dem Gefängnis entlassene Riley Flynn (Zach Gilford) zurückkehrt.
Ein Unfall unter Alkoholeinfluss und mit Todesfolge hat den jungen Mann vier Jahre zuvor in den Knast gebracht und sein bisheriges Leben von einem Augenblick auf den anderen zerstört. Um wieder auf die Füße zu kommen und eine neue Perspektive zu finden, quartiert sich der in Visionen von seinem Opfer verfolgte Riley mit sichtbarem Unbehagen bei seinen Eltern Annie (Kristin Lehman) und Ed (Henry Thomas) ein, die ihren katholischen Glauben mit großer Hingabe pflegen. Auf der Suche nach Halt und Sinn hat sich der früher selbst sehr gottesfürchtige Riley, wie wir an einer Stelle erfahren, mit allen möglichen Religionen auseinandergesetzt, um schließlich als Atheist zu enden. Natürlich sorgt seine inzwischen ablehnende Haltung schon kurz nach seiner Ankunft für erste Misstöne zwischen ihm und seinem Vater.
Dem Zweifeln des Ex-Häftlings setzt Showrunner Flanagan, der überdies bei jeder der sieben Folgen Regie führte, das unerwartete Auftauchen des Priesters Vater Paul (Hamish Linklater) entgegen, dem die Aufgabe zufällt, den während einer Pilgerreise erkrankten, bereits gebrechlichen Ortspfarrer zu vertreten. Dass der frisch eingetroffene Geistliche eine merkwürdige Mission verfolgt, drängt sich dem Zuschauer beim Anblick der riesigen Holzkiste, die er mit sich schleppt, umgehend auf. "Midnight Mass" zeichnet Paul allerdings nicht als klischeehaft sinistren Unruhestifter, sondern präsentiert ihn als einen charismatischen, unaufgeregten Mann, dem das Wohl der einsamen Gemeinde tatsächlich wichtig zu sein scheint.
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, wie der Serienschöpfer sein raues Setting skizziert. Die guten Zeiten, wenn es sie denn jemals gab, hat Crockett Island definitiv hinter sich gelassen. Unebene Schotterpisten dienen als Straßen. Die Häuser der Bewohner sehen heruntergekommen aus. Und seit einer Ölkatastrophe in der Nähe leiden die einheimischen Fischer unter drastischen Fangbeschränkungen. Auch wenn es regelmäßigen Fährverkehr mit dem Festland gibt, wirkt es so, als sei die Welt außerhalb dieses Mikrokosmos fast unerreichbar. Verstärkt wird der Eindruck der Isolation auch durch eine seltsam angestaubte Ausstattung. Rileys Eltern besitzen etwa einen Uraltfernseher und ein Old-School-Telefon. Dass wir uns im Hier und Jetzt befinden, verdeutlichen hingegen Plakate von modernen Filmen - hier sticht David Finchers stark religiös gefärbter Serienkillerthriller
Eben dieser trostlose Ort, an dem selbst der einst so starke Bezug zur Kirche schleichend verloren zu gehen droht, erfährt durch den Auftritt Vater Pauls eine unverhoffte Wandlung. Als am Morgen nach einem tosenden Sturm zahlreiche tote Katzen am Strand liegen, glauben nicht wenige, Unheil künde sich an. Kurz darauf geschieht jedoch ein erstes großes Wunder, das den Lebensmut und den Glauben der Menschen wieder entflammt. Diffus zeichnet sich gleichzeitig aber ab, dass die auflodernde Frömmigkeit die Wurzel handfester Konflikte und Spannungen sein wird. Wie die erzkonservative Bev Keane (Samantha Sloyan) die mirakulösen Entwicklungen ausnutzt, um die katholischen Lehren wieder zu zementieren, lässt jedenfalls nichts Gutes vermuten. Besonders eine Diskussion mit Hassan (Rahul Kohli), dem muslimischen Sheriff der Insel, könnte den Boden für eine mögliche Ausgrenzung und Ächtung Andersgläubiger bereiten.
Der Inselschauplatz weckt - wohl nicht ungewollt - Erinnerungen an Robin Hardys Kultstreifen
Ist es nicht wunderbar, dass das Vertrauen auf eine höhere Macht selbst im Angesicht größter Katastrophen Linderung bieten kann? Warum lässt Gott so viel Leid in der Welt zu? Wie leicht entspringt aus Frömmigkeit blinder Eifer? Und ist trotz Hass Vergebung möglich? Immer wieder konfrontiert "Midnight Mass" den Betrachter mit Dialogszenen oder Rededuellen, in denen Überlegungen wie diese überraschend ausführlich beleuchtet werden. Exemplarisch ist ein Treffen im Freizeitzentrum der Inselgemeinde, bei dem Riley Vater Paul all seine Kritik an den Heilsversprechungen der Bibel entgegenschleudert. Lange aufgestaute Wut und tiefsitzende Gewissenbisse fördert außerdem eine Begegnung zwischen der Teenagerin Leeza Scarborough (Annarah Cymone) und dem Inseltrinker Joe Collie (Robert Longstreet) zu Tage, die ein tragisches Schicksal verbindet. Sollte es Flanagan gelungen sein, die menschliche Ebene auch nach der dritten, mit einem kleinen Paukenschlag endenden Folge zu konservieren und nicht in hektisches Horrorgepolter zu verfallen, dürfte die Miniserie noch eine Reihe schmerzhaft eindringlicher Passagen bereithalten.
Der Text basiert auf der Sichtung der ersten drei von insgesamt sieben Folgen der Miniserie "Midnight Mass".
Die Miniserie "Midnight Mass" ist seit dem 24. September 2021 auf Netflix verfügbar.
Leserkommentare
Mac Birdie schrieb am 21.10.2021, 20.42 Uhr:
Herrlich, wie einem vor Augen geführt wird welch Wahn eine willkürliche Interpretation von Bibeltexten frei setzten kann. Möge diese Serie eine Warnung an alle Eiferer sein. Recht bekommt hier nur die Gier! Also mein Fazit: Liebe, Gönne, ertrage Leid aber bleib Mensch! Am E de zählt nix anderes! Schade, dass alle die Fanatiker sich sowas nie ansehen. Schön, dass die Muslime diesmal nicht die doofen sind! Amen!markus01 schrieb am 12.09.2022, 13.51 Uhr:
Bester Kommentar! Ich schließe mich deinem Kommentar an!Sentinel2003 schrieb am 28.09.2021, 20.17 Uhr:
Der Trailer zu dieser Serie, den es natürlich auch auf Netflix gibt, hat in mir null Bedürfnis geweckt.Chrissi50 schrieb via tvforen.de am 26.09.2021, 23.02 Uhr:
Abgesehen von den manchmal endlosen Dialogen und Monologen,war die Serie sehr spannendmarkus01 schrieb am 12.09.2022, 14.04 Uhr:
Gerade die scheinbaren endlosen Dialogen und Monologen, die mit wertvollen Inhalten glänzten, machen die Serie sehenswert.DerLanghaarige schrieb am 26.09.2021, 15.44 Uhr:
Wow, "Der Babadook" hat das Horrorgenre ganz schön ruiniert. Plötzlich gibt es fast nur noch Dramen über Trauer, menschliches Fehlverhalten, etc, in denen dann ein oder zwei Geister durchs Bild latschen, damit man es als "Horror" verkaufen kann. Und die Kritiker, die noch nie in ihrem Leben einen Horrorfilm gesehen haben und denken, dass es nur aus Freddy, Jason und tOrTuRe PoRn besteht, glauben plötzlich, dass dieses ach so dumme und primitive Genre, dass schon zu seinen literarischen Anfängen genau diese Themen auf oft clevere Weise behandelte, dabei aber nie vergaß, den Menschen auch tatsächlich dass zu servieren, was man ihnen versprochen hatte, plötzlich neue Impulse bekommen hat und nun zum allerersten Mal auch ihren Intellekt befriedigt. George Romero dreht sich im Grabe um.
Meistgelesen
- "The Masked Singer": Die ersten Kostüme der Jubiläumsstaffel wurden enthüllt!
- "Sullivan's Crossing": Drama-Soap vom "Virgin River"-Team geht in Staffel zwei
- "Doctor Who": Neue Folgen immer für Nachtschwärmer
- "Die Dornenvögel": Legendärer Vierteiler mit Richard Chamberlain und Rachel Ward ab sofort bei RTL+
- Quoten: "Ein starkes Team" lässt Silbereisens "Schlagerüberraschung" hinter sich
Neueste Meldungen
- Quoten: "Sarah Kohr" zementiert Gesamtsieg, "Unsere Lieblinge" starten gut
- "Player of Ibiza": Neue Trash-TV-Satire von "Die Discounter"-Machern erhält Starttermin
- "Wer weiß denn sowas? XXL": Erfolgsrapper Capital Bra gibt Quizshow-Debüt
- "Der Wien-Krimi: Blind ermittelt": Neue Folgen der Krimireihe in Sicht
Specials
- "Helgoland 513": Postapokalypse auf Deutsch
- "The Irrational" mit Jesse L. Martin ("Law & Order") hat Luft nach oben
- “Based on a True Story”: Lohnt sich die neue Serie mit Kaley Cuoco?
- "RESET - Wie weit willst du gehen?": Familiäre Konflikte mit einer Prise Mystery überzeugen
- "Shōgun": Kann die Neuadaption von James Clavells Bestseller überzeugen?
- TV-Stars, von denen wir 2023 Abschied nehmen mussten
- Serien unserer Kindheit: "Forsthaus Falkenau"
Neue Trailer
- [UPDATE] "Becoming Karl Lagerfeld"-Trailer: Daniel Brühl schlüpft in die Rolle der Mode-Ikone
- Neuer Trailer: Michael Douglas wird in Miniserie zu Benjamin Franklin
- [UPDATE] "Renegade Nell"-Trailer: Disney+ zeigt neue Abenteuerserie mit Louisa Harland ("Derry Girls")
- [UPDATE] "Under the Bridge": Termin und Trailer für True-Crime-Serie mit Riley Keough und Archie Panjabi
- [UPDATE] "Alex Rider": Endlich Termin und Trailer für Staffel 3, aber Bericht über Serienende