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TV-Kritik/Review: "Milk & Honey": Versatzstücke aus der Feelgood-Kiste
(14.11.2018)
Nach
"Milk & Honey" kreist um einen spontan improvisierten männlichen Escort-Service, also um eine Agentur für Callboys oder, profaner gesagt, Prostituierte. Dass sich die unbedarften Begattungsbediensteten aus dem Kreis arbeitsloser Brandenburger rekrutieren, erinnert von nicht ganz so fern an den britischen Feelgood-Klassiker
Warum die Serie in den späteren Abend programmiert wurde, bleibt unergründlich, da von möglicherweise zu erwartenden Frivolitäten zumindest anfangs nichts zu sehen ist. Die wackeren Hauptdarsteller lassen ihre weitgehend beachtlichen Sixpacks zwar immer mal wieder stolz von der Kamera umschmeicheln - weiter geht es bis dato allerdings nicht. Im Gegenteil: Als erstes muss hier, ganz wie eh und je, eine Frau blanklupfen und ihre sekundären Geschlechtsteile ins Objektiv halten. Zugestanden, niemand wird hier ernsthaft einen Flirt mit dem Pornografischen erwartet haben, aber dass es dann doch so wenig handfest werden würde, hätte man vor allem angesichts des auf frech gebürsteten Marketings eher nicht erwartet.
Daher schnell zum Plot, dessen israelische Vorlage "Johnny & The Knights of Galilee" hier in die Nähe von Neustrelitz verpflanzt wurde. Dorthin, aufs platte Brandenburger Land also, kehrt eingangs Johnny Kupper (Artjom Gilz) zurück, ein glückloser Glückssucher, der Jahre in China verbrachte, um dort ein Start-Up ("Wohnen in Waben - wie die Bienen!") in den Sand zu setzen. Währenddessen ist die elterliche Imkerei bankrott gegangen, der Gerichtsvollzieher pfändet schon das Mobiliar des vom Strom abgekoppelten Hauses, und weil Vater Kupper während Johnnys Abwesenheit verstorben ist, muss sich der junge Mann von jetzt auf gleich als Erziehungsberechtigter seiner minderjährigen Teenie-Schwester Charlie (Marlene Tanczik,
Mit seinen Kumpels von früher versteht sich Johnny sogleich wieder bestens, was Gersina so buddy-selig in Szene setzt wie eine norddeutsche Bierwerbung. Bäckergeselle Kobi (Deniz Arora,
Die relative Plötzlichkeit, mit der das dann losgeht, muss man als Zuschauer den Machern ebenso arglos glauben wie vieles andere in "Milk & Honey": Dass es in einem Kaff bei Neustrelitz lauter sexuell ausgehungerte Luxusfrauen geben soll, die Visitenkarten verteilen, auf denen Sachen stehen wie "Theresa Roloff - Unternehmerin", zum Beispiel, oder dass die vier Nachwuchs-Callboys direkt am ersten Abend als "Legionäre der Liebe" im Römer-Outfit einen Tanzjob bei einem mondänen Junggesellinnenabend übernehmen. Viele merkwürdige Charakterzüge gehören auch dazu: Da ist etwa Charlie gerade erst tränenselig sauer über die jahrelange Vernachlässigung durch ihren Bruder und danach in Windeseile als patente Escort-Managerin, die forsch nach fremder Männer Penislängen fragt, mit an Bord des Stripper-Start-Ups. Oder: Arian und Johnny prügeln sich gerade eben erst noch, und einen Schnitt weiter sitzen sie gemeinsam mit den anderen selbsternannten Beischlafprofis im Auto und wippen symmetrisch mit den Köpfen im Takt der Musik - das ist keine Szene, die sich aus dem Plot entwickelt; sie ist nur da, weil man sie aus Feelgood-Movies gleicher Bauart kennt und erwartet.
Das gilt auch für andere Aspekte der Inszenierung, in der bekannte Versatzstücke (eine Tanzprobenmontage zu Disco-Musik) auf Unkaputtbares aus der Klamottenkiste treffen: Natürlich ist auch Michis Frau Gast des besagten Junggesellinnenabschieds, um sich hernach rechtschaffen über das lottrige Treiben des Gatten empören zu dürfen. Wenn der schluffige Michi bedröppelt auf einer Leiter steht und vergeblich versucht, Reparaturen am Haus durchzuführen, spielt die Regie den Song "Loser" von Beck ein - das sind so die Subtilitäten, auf die man sich hier gefasst machen muss in einer Inszenierung, die auch Comedy und Drama nicht immer geschmeidig unter einen Hut bekommt. Dem Bemühen geschuldet, bloß nicht zu klamaukig rüberzukommen, wird gerade in jenen Dialogszenen, in denen es richtig fetzig hin- und hergehen müsste, viel zu sehr auf Sprechpausen gesetzt. Da mangelt es an Tempo und Timing.
Auch wer mehr über die durchaus bedrohliche Lebenssituation der Protagonisten (Pleitiers, Abbrecher, Arbeitslose) im bilderbuchschön abgelichteten Brandenburger Sommer erfahren möchte oder gar etwas über den Strukturwandel in ländlichen Gebieten (wozu der Plot ja durchaus Anlass bieten würde), wird kaum bedient: Man erfährt wenig mehr, als dass es dort überraschend viele solvente, attraktive Frauen zu geben scheint, die sich Escorts ordern. Eher scheint es dramaturgisch in Richtung der TV-Film-üblichen Liebesprobleme zu gehen (Johnny/Katharina, Michi/Andrea) - und dahin, dass es pro Folge ein, zwei besondere "Kundinnen der Woche" gibt, wie die romantiksüchtige Sylvia (gut: Birte Hanusrichter) in Folge zwei, oder die grimmige Flora (Stephanie Stremler), die Kobi zu Sex am Steuer ihres SUVs nötigt, während einer abendlichen Autofahrt über stockdunkle Landstraßen.
Ob diese allzu bekannten Pfade im weiteren Verlauf der Staffel verlassen werden, ob sogar das bislang explizit heteronormative Geschehen aufgebrochen und eventuell sogar mal männliche Kunden bei den Erotikdienstleistern anfragen, das bleibt noch abzuwarten. Bislang bleibt die, pardon, Stoßrichtung der Serie noch eher vage - so undefiniert wie Protagonist Johnny selbst, der vielleicht die größte Leerstelle von "Milk & Honey" ist: eine eigentlich tragische Figur, aber immer guten Mutes, mal wütend, weil's so im Drehbuch steht, mal verschmitzt, weil's so im Drehbuch steht, und wenn er mal so richtig zufrieden ist, kaut er beim Angeln relaxt auf einem Grashalm rum. Weil man das eben so macht in Serien wie dieser.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten zwei Episoden der Serie "Milk & Honey".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: MG RTL D / Talpa Fiction Germany / Maor Waisburd
VOX zeigt die zehnteilige Eigenproduktion "Milk & Honey" ab dem 14. November um 21.15 Uhr immer mittwochs in Doppelfolgen. Die Adaption einer israelischen Vorlage ist als abgeschlossenen Miniserie angekündigt.
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