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TV-Kritik/Review: "Turmschatten": Sky-Miniserie mit Heiner Lauterbach macht es sich zu leicht

Romanadaption um jüdischen Geiselnehmer ist mehr Exploitation als ernsthaftes Action-Drama
"Turmschatten"
Jürgen Olczyk/Paramount+/The Amazing Film Company
TV-Kritik/Review: "Turmschatten": Sky-Miniserie mit Heiner Lauterbach macht es sich zu leicht/Jürgen Olczyk/Paramount+/The Amazing Film Company

"Die Öffentlich-Rechtlichen wollen unser Bildmaterial haben." - "Können sie - aber zum dreifachen Preis." Dieser kurze Dialog zwischen einer Mitarbeiterin und der Leiterin eines privaten lokalen Fernsehsenders, gespielt von Désirée Nosbusch, zeigt symptomatisch den Realismusgrad der deutschen Miniserie  "Turmschatten": Dieser geht gegen Null. Was sehr schade ist, klingt die Ausgangssituation doch durchaus spannend und hätte eventuell als Ausgangspunkt für eine differenzierte Auseinandersetzung mit einem der drängendsten Probleme unserer Gesellschaft dienen können: dem wachsenden Antisemitismus und Rechtsextremismus.

Ursprünglich für den Streamingdienst Paramount+ produziert, sicherte sich Bezahlsender Sky die Verwertungsrechte an der sechsteiligen Adaption des gleichnamigen Romans von Peter Grandl. Die punktet mit einer Starbesetzung, zu der neben Nosbusch auch Heiner Lauterbach in der Hauptrolle sowie Ilja Richter gehören. Dazu kommt mit Hannu Salonen ein erfahrener TV-Regissuer, der neben diversen  "Tatort"-Folgen auch Erfolgsserien wie  "Schuld nach Ferdinand von Schirach" und  "Oktoberfest" inszeniert hat.

Ephraim Zamir (Lauterbach) hat in seinem Leben schon einiges mitgemacht. Er hat als Kind den Holocaust überlebt (die Serienhandlung spielt 2005), die weitgehende Vernichtung seiner Familie durch die Nazis hat tiefe Spuren hinterlassen. In Israel war er Agent des Mossad und entkam dort nur knapp einem Attentat auf sein Stammcafé, das er gerade verlassen hatte. In den Trümmern findet er die halbwüchsige Esther, die er daraufhin mit nach Deutschland nimmt und adoptiert. Die gehörlose junge Frau (Riobi Tissi Graf) wird zur einzigen emotionalen Bezugsperson des ansonsten zurückgezogen lebenden Mannes. Außerhalb einer Provinzstadt ziehen die Beiden in einen früheren Wehrturm.

Ex-Mossad-Agent und Anhänger der Selbstjustiz: Ephraim Zamir (Heiner Lauterbach)
Ex-Mossad-Agent und Anhänger der Selbstjustiz: Ephraim Zamir (Heiner Lauterbach) Viacom International Inc.

Für den geplanten Neubau einer Synagoge will Zamir einen entscheidenden Beitrag spenden. Das ist einer aufstrebenden rechtsextremen Partei namens NPU ein Dorn im Auge, die bestens vernetzt ist mit örtlichen Neonazi-Gruppen. Parteichef Thielen (Michael Roll) schickt also zwei dieser gewaltbereiten Männer plus einen Minderjährigen zu dem Turm, um Zamir einzuschüchtern, damit der seine Spendenzusage zurückzieht. Neben dem tumben Steiner (Paul Wollin) ist das der eben erst aus dem Gefängnis entlassene Karl Rieger (Klaus Steinbacher). Doch der "Besuch" läuft völlig aus dem Ruder. Während Zamir selbst gar nicht zu Hause ist, weiß sich dessen Tochter mit einem Küchenmesser zu wehren, woraufhin der Junge sie in einer Kurzschlussreaktion erschießt.

Zamir gelingt es, die beiden Männer nach seiner Rückkehr zu überwältigen. Statt sie einfach der Polizei zu übergeben, plant er ein Prozedere, das sowohl seinem Bedürfnis nach Rache als auch einer verqueren Auffassung "höherer Gerechtigkeit" genügen soll: Über eine Webseite mit Livestream und Abstimmungsbuttons sollen die Zusehenden entscheiden, ob die Nazis leben oder sterben sollen. Bei 100.000 Klicks für "Tod" will Zamir das Urteil vollstrecken. Schnell löst die Aktion ein gewaltiges Medienecho aus und der Wehrturm wird von herbeieilenden Neonazitruppen ebenso umlagert wie von linken Gegendemonstranten und Kamerateams.

Zamir hat die Neonazis Steiner (Paul Wollin, l.) und Rieger (Klaus Steinbacher) in seiner Gewalt
Zamir hat die Neonazis Steiner (Paul Wollin, l.) und Rieger (Klaus Steinbacher) in seiner Gewalt Viacom International Inc.

Besonders realistisch ist dieser Plot sowieso schon nicht - müsste er auch nicht sein, wenn die Autoren daraus eine in sich glaubwürdige Handlung entwickeln würden. Aber weit gefehlt, schon weil fast alle Figuren nicht mehr als übertriebene Klischees ihrer jeweilgen Rollenbeschreibungen sind. Da ist zum Beispiel die junge TV-Reporterin Stephanie Benedict (Sina Reiß) des schon erwähnten Lokalsenders, die sich nassforsch hinter alle Polizeiabsperrungen redet und auch mitten zwischen sich bekämpfenden Nazis und Antifaaktivisten weiter live berichtet. Dass die Einsatzleiterin, Hauptkommissarin Koch (Anja Herden), ihr gegen ein paar Infos die Exklusivrechte für die Berichterstattung zusagt, ist völliger Quatsch.

Im TV-Studio führt Chefin Kleinfeld (Nosbusch) parallel ein Live-Interview mit Politiker Thielen. Warum ein Sender während der Geiselnahme zweier Neonazis durch einen jüdischen Bürger als einzigen Studiogast ausgerechnet den Vorsitzenden einer rechtsextremen Partei einladen sollte, bleibt ebenso unklar wie die Frage, warum der Sender anscheinend keine routinierten ModeratorInnen hat. So bleibt eben nur die schon lange nicht mehr selbst journalistisch aktive Kleinfeld ("Wann hast du denn zuletzt ein Live-Interview geführt?" - "Gladbeck 1988").

Krawalle zwischen Nazischlägern und Antifa: Die Lage vor dem Turm eskaliert
Krawalle zwischen Nazischlägern und Antifa: Die Lage vor dem Turm eskaliert Viacom International Inc.

Abziehbilder bleiben auch die Rechten. Während Thielen ein typischer Vertreter eines Brandstifters in Nadelstreifen ist, der öffentlich neben der Begrenzung der Migration Demokratie und Rechtsstaat predigt, intern aber Schläger in Springerstiefeln befehligt, beschäftigen sich jene ausschließlich mit Prügeln, Saufen, Grölen und Rülpsen. So eindimensional, so schlecht. Heiner Lauterbach, vor kurzem noch sehr überzeugend in  "Deutsches Haus" als ehemaliger KZ-Mitarbeiter, der von Nichts gewusst haben will, ist als Ex-Mossad-Agent, der mal eben so zwei 50 Jahre jüngere Männer ausknockt, eine Fehlbesetzung. Desirée Nosbusch spielt ihre stereotype Rolle im Autopilot-Modus. Für leichte Lichtblicke sorgen die jüngeren Darstellerinnen wie Graf, vor allem aber Milena Tscharntke (Druck) als Bewährungshelferin mit Schuldgefühlen, hat sie doch eine Warnung Riegers nicht ernst genommen.

Richtig ärgerlich angesichts des sensiblen Themas und der sicherlich gewollten starken Bezüge zu unserer Gegenwart ist allerdings die effekthascherische Erzählweise und Inszenierung. In Zeiten, wo einerseits antisemitische Straftaten in Deutschland fast schon an der Tagesordnung sind und eine extremistische, völkische Partei wie die AfD in manchen Bundesländern um die 30 Prozent holt, es andererseits in Gaza immer noch israelische Geiseln gibt, während die israelische Regierung einen verheerenden Krieg führt, ist es einfach leichtfertig, eine fiktive Geschichte über einen jüdischen Geiselnehmer (und Ex-Regierungsbeamten Israels) als reine Thriller-Action-Unterhaltung zu inszenieren. Eine tiefere Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Themen findet jedenfalls bis zur Halbzeit nicht statt. Nazis sind eben Nazis, mit Mossad-Leuten ist nicht zu spaßen und wer schon zweimal in seinem Leben miterleben musste, wie ihm geliebte Menschen von Rechten geraubt werden, verliert halt irgendwann selbst alle Moral. So erschreckend simpel ist das von "Turmschatten" gezeichnete Bild.

Die Polizei sucht eine Taktik: KHK Koch (Anja Herden) mit Kollegen (
Die Polizei sucht eine Taktik: KHK Koch (Anja Herden) mit Kollegen (Murathan Muslu (M.) und Samuel Koch) Viacom International Inc.

Wie erfrischend differenziert wirkt dagegen eine israelische Actionserie wie  "Fauda" (in Deutschland bei Netflix verfügbar) um eine israelische Spezialeinheit, in der die komplexe politische Gemengelage zwischen Juden und Arabern eben nicht zur Folie für billige Exploitation wird. In Rezensionen des Romans von Peter Grandl ist zu lesen, dass die Figuren dort durchaus Hintergrundgeschichten erhalten und ihre Motive nachvollziehbar würden. Hiervon ist in den ersten drei Epsioden der Verfilmung nichts zu sehen. So einfach darf man es sich nicht machen.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Turmschatten".

Meine Wertung: 3/5

Alle sechs Episoden sind ab dem 15. November bei Sky und WOW verfügbar. Außerdem läuft die Serie ab dann immer freitags ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky Atlantic.



 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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Leserkommentare

  • Attlanttos schrieb am 15.11.2024, 11.49 Uhr:
    Der Kommentar zur Serie ist wohl genauso platt und eindimensional wie die Serie selbst. Klischees über Klischees und eine Menge Schlagwörter
  • Flapwazzle schrieb am 15.11.2024, 09.56 Uhr:
    Die Serie scheint mir schon deshalb nicht mehr zeitgemäß zu sein, da der wachsende Antisemitismus nicht von rechtsextremen Parteien ausgeht, sondern seinen Ursprung seit Jahren in islamistischen und leider auch linken Milieus hat und von dort aus brutal auf europäische Straßen gebracht wird.
  • Flapwazzle schrieb am 15.11.2024, 23.32 Uhr:
    In der muslimischen Szene ist der Antisemitismus extrem stark verwurzelt. Was nun?!
    Ich fände es ja smart, wenn sich Alle lieben würden.
    Leider leben wir im Jetzt und Hier.
  • Attlanttos schrieb am 15.11.2024, 12.04 Uhr:
    Ja keine lange Diskussion ....ist typisch für die heutige Zeit. Es könnte ja zu komplex werden..Reden wir jetzt von der rechten Szene/ rechtsradikalen Szene oder von rechtskonservativen Parteien wie der AFD? Da muss man diesbezüglich nämlich schon unterscheiden. Während in der rechtsradikalen Szene der Antisemitismus durchaus verwurzelt ist, ist dies bei der AFD so nicht der Fall (Ausnahmen bestätigen die Regel). Dort sehe ich viel mehr Ressentiments gegen den Islam als gegen Juden. Die antisemitischen Straftaten sind nicht so häufig wie dargestellt und gehen dabei zu weit über 90 Prozent von zugereisten Migranten aus. Dabei darf man Kritik am Staat Israel nicht mit Antisemitismus verwechseln. Ersteres halt ich für völlig legitim angesichts der Schandtaten der israelischen Regierung . Zweiteres (Antisemitismus und Judenfeindlichkeit) ist scharf zu verurteilen und zu verfolgen. Leider wird von der Politik und Medien Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichgesetzt.
  • Redaktion Bernd Krannich schrieb am 15.11.2024, 10.43 Uhr:
    Ohne mich auf eine lange Diskussion einlassen zu wollen möchte ich das nicht unwidersprochen stehen lassen: In der rechten Szene ist der Antisemitismus weiterhin tief verwurzelt.
  • Marcus Cyron schrieb am 14.11.2024, 23.15 Uhr:
    Irgend eine deutsche Produktion mal ohne Ochsenknecht oder Lauterbach, das wäre es wirklich mal!
  • Martina schrieb am 14.11.2024, 20.08 Uhr:
    Wieso dann 3/5? Klingt eher nach 1/5.