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TV-Kritik/Review: Sleepy Hollow
(07.10.2013)
Anders als bei uns ist sie in den USA Schullektüre, die Schauermär vom Schulmeister Ichabod Crane und dessen fataler Furcht vor dem 'Reiter ohne Kopf', angesiedelt in den Wäldern am Hudson River. "The Legend of Sleepy Hollow" von Washington Irving (1820) gilt als erste nennenswerte amerikanische Short Story und wird heute vornehmlich auf seine Gothic-Horror-Aspekte reduziert - vor allem, seit Tim Burton sie mit Johnny Depp 1999 auf Spielfilmlänge aufblies und als abgründig-ironische Geisterbahnfahrt in die Kinos brachte.
Die neue FOX-Serie
Nach dieser Exposition werden wir 250 Jahre in die Zukunft gezoomt - hinein in ein Städtchen, das nahe New York am Hudson River liegt und den (realen) Namen Sleepy Hollow führt. Dort bricht Crane in einer entlegenen Höhle aus seinem vermoderten Sarg hervor, und auch der kopflose Reiter marodiert längst wieder auf seinem glutäugigen Schimmel durch die Gegend. Willkommen im 21. Jahrhundert!
Im Hier und Jetzt kommt es erwartungsgemäß zum Culture Clash: Crane entdeckt Starbucks, automatische Fensterheber, elektrische Taschenlampen und den "Planet der Affen". Nach anfänglichem Erstaunen über die schwarze Hautfarbe der Polizistin Abbie erfährt er Erfreuliches über die schon länger zurückliegende Befreiung der Sklaven, und die ganze Zeit über konversiert er in einem antiquierten Jargon, den moderne Großstädter, zumal die Polizei, für einen Ausdruck schwerer geistiger Verwirrung halten müssen: Der britische Theaterschauspieler Tom Mison stattet diese Crane-Figur sehens- und hörenswert mit trockenem Humor und stiff upper lip aus. Das lässt an Benedict Cumberbatchs
"Sleepy Hollow" handelt indes nur am Rande von diesen Anpassungsschwierigkeiten (eigentlich sogar so wenig, dass man sich wundert, wie der eben noch im Kriegschaos des 18. Jahrhunderts kämpfende Ichabod nach seiner Verpflanzung in die von Autos, Elektronik und grotesken Moden geprägte Gegenwart nicht den Verstand zu verlieren droht). Der Plot will nämlich auf andere Dinge hinaus: So rennt Crane dank eines schön albernen Drehbuchzufalls sofort dem ersten Cop vors Auto, der ihn prompt inhaftiert. Derweil wird Sheriff Corbin (Clancy Brown aus
Der Kopflose spielt vorerst nur in der von Co-Creator Len Wiseman im bewährten Düsterlook inszenierten Pilotfolge eine größere Rolle: Schnell wird er als einer der vier Apokalyptischen Reiter aus der Bibel identifiziert - womöglich ist er gar der Tod höchstpersönlich - und Crane kann mit Mills gerade noch verhindern, dass er seinen einstmals abgetrennten Kopf vom Friedhof entwenden kann. Zudem erfahren die beiden ungleichen Ermittler - wenn man so will: Mulder & Scully aus verschiedenen Epochen - aus geheimen Akten des verstorbenen Corbin, dass sich allem Anschein nach zwei Hexenzirkel über die Zeiten gerettet haben: ein guter und ein böser. Crane gehört natürlich dem guten an, ebenso wie seine Frau Katrina (Katia Winter aus der siebten
Zunächst aber tauchen pro Folge neue Gruselgegner auf: Serilda von Abadon zum Beispiel, eine Priesterin des bösen Zirkels, die zur Wiederauferstehung die Asche all jener benötigt, die sie einst auf dem Scheiterhaufen verbrannten. Passenderweise liegt diese Asche in bislang verborgenen Katakomben direkt unterhalb des Polizeigebäudes, weshalb es dort zum Episoden-Showdown kommen kann: Wie Abbie und Crane da unten durch die Gänge hetzen und Spuk aus Gründungsväterzeiten erleben, das hat was von den "Vermächtnis"-Kinofilmen mit Nicolas Cage und Diane Kruger.
Ziemlich bald wird dann in Abbies Vergangenheit gegraben - sie trägt die Schuld daran, dass ihre Schwester Jenny einst in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Nun sieht sich Abbie im Schlaf von einem 'gesichtslosen Alptraummonster' verfolgt: Ein 'Sandmann' will sie töten, und erst durch ein Ritual bei einem Mohikaner-Schamanen (im Brotberuf: Gebrauchtwagenhändler) kann er besiegt werden. Zur nonchalanten Trashigkeit dieses wilden Mythenmixes passt die musikalische Kommentierung, die weder auf "Mr. Sandman" von den Chordettes noch auf Sinatras "Witchcraft" und schon gar nicht auf das unvermeidliche "Sympathy for the Devil" von den Stones verzichten will.
Monster-of-the-Week-Dramaturgie also, kombiniert mit Geschichts-Fantasy. Die Frage darf erlaubt sein: Ist das etwa ein gigantischer Schmarrn? Absolut! Ist es deswegen schlecht? Nö. Das kooperierende Gegensatzpaar Beharie/Mison funktioniert schließlich erstaunlich gut (Romanze am Horizont, ganz klar), die diversen Dämonen sehen ungelogen zum Fürchten aus, und zumindest in den ersten Folgen weigert sich die zügige, erfreulicherweise nicht allzu stylishe Inszenierung beharrlich, Langeweile zu verbreiten. Ob das so bleibt, muss abgewartet werden - ebenso wie die Frage, ob der Handlungsbogen mit dem kopflosen Reiter eine ganze Staffel lang trägt.
Größeres Potenzial haben deshalb auch ein paar Nebenfiguren, die bisher nur knapp skizziert wurden: Jenny, die in Episode drei aus der Psychiatrie flieht, und Abbies Ex-Freund, Detective Morales, der allählich zu Cranes Nemesis werden könnte. Die absurdeste Figur aber ist der mit dem Chef-Dämon im Bunde stehende Officer Andy Brooks (John Cho, spielt im "Star Trek"-Reboot den Sulu), dem in der Pilotfolge unschön das Genick gebrochen wird, was ihn aber nicht daran hindert, danach wieder untot durch die Gegend zu laufen: walking dead in "Sleepy Hollow".
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen von "Sleepy Hollow".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Fox
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