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"Kein Vater, der im Keller Drogen produziert": Jürgen Vogel und Bettina Lamprecht im Interview
(02.06.2019)
Sie dominierten einst die deutsche Serienlandschaft:
Mit seiner dritten Eigenproduktion nach
Jürgen Vogel ist Kurt Funkhauser
TV Wunschliste: Herr Vogel, ist "Das Wichtigste im Leben" ein Versuch, sich das etwas ausgestorbene Genre der Familienserie zurückzuerobern, das in den Achtziger und Neunziger Jahren noch Hochkonjunktur hatte?
Jürgen Vogel: Das behaupten wir jetzt mal, weil es gut klingt (lacht). Aber die Familienserie der Achtziger und Neunziger hatte ja auch fast etwas Fantasieartiges.
Nur ohne Strand?
Jürgen Vogel: Genau. Heile Welt, klassische Rollenbilder. Da gab's auch mal ne Krise, aber es war schon eine Wunschvorstellung darüber, wie Jugendliche und Kinder sich verhalten. Dialoge geschrieben unter einem Sonnenstrahl und in krassem Gegensatz zu dieser tristen Zeit der Achtziger. Die 68er hatten davor ja ganz schön viel aufgewühlt, aber die alte Generation war natürlich immer noch da, die spießige Generation unserer Eltern, die Aufbau-Generation mit den Werten und guter Butter à la "Diese Langhaarigen, die müsste man alle..." Da gab's damals so Interviews, wo Leute gefragt wurden, was man mit Langhaarigen machen sollte.
Ja, die kenn ich auch. Wenn die nochmal gezeigt werden, ist das immer der Moment, in dem mich meine Mutter anguckt und sagt: "Ja, genau so war's".
Jürgen Vogel: Eben! Und für die waren diese Familienserien ein Zurückerobern des Klischees, wie es eigentlich hätte sein sollen. Und alle saßen davor und haben es geguckt mit ihrem Tässchen und Kuchen und haben gedacht: "So ist doch schön! Das wär doch mal schön. Warum ist denn mein Enkelkind nicht so?!" Das war ein Boom! Weil die Leute nicht so leben konnten und wollten. Damals ging es um einen riesigen Generationenkonflikt, durch den, meiner Erfahrung nach, viele Familien auseinandergerissen waren. Viele hatten mit ihren Geschwistern keinen Kontakt oder mit den Eltern. Damals, wenn man sich umgehört hat, hatte kaum einer der Kumpels ein gutes Verhältnis zu den Eltern. Wir sind sehr schnell erwachsen geworden, wollten sehr schnell weg von zu Hause, wollten unser eigenes Ding machen. Aber in dieser Zeit gab's für die, die eben zu Hause blieben, diese Serien.
Aber auch für Kinder wie mich, die den Subtext als Zuschauer nicht gesehen haben, sondern einfach nur die Figuren gerne um sich hatten. Das zumindest hat Ihre Serie mit den damaligen, für mich zumindest, gemeinsam, dass sie von einem extrem sympathischen Ensemble getragen wird.
Jürgen Vogel: Insgesamt ist es im Verhältnis zu den alten Serien, wenn wir darüber sprechen, ein bisschen realistischer, weil es wirklich die Sorgen und Nöte sind, die wir so haben. Es ist nicht dramaturgisch so geknüpft, dass man einen Vater hat, der im Keller Drogen produziert (lacht). Das ist alles sehr normal, aber da man die Figuren mag, ist man auf der Reise mit dabei und man ist gespannt, wie sich das alles entwickelt. Es geht dann auch noch richtig zur Sache. Natürlich passieren Dinge, die gar nicht so groß sind, die aber alle in gewisser Hinsicht fordern.
Oder Dinge, die zumindest im Leben dieser Figuren durchaus groß sind.
Jürgen Vogel: Wie in unserem. Wenn du deinem Kind gerade einen Hund gekauft hast und der rennt weg, dann ist das ein Drama! Das ist das Tolle an der Serie, dass sie Dinge erzählt, die vielleicht den Zuschauern schon passiert sind. Man hat einen Wiedererkennungswert, ohne dass man in eine Banalität abrutscht. Was ich auch toll finde: Die Serie nimmt sich Zeit für jedes Kind. Nicht nur die Eltern spielen da eine große Rolle und die Familie wird nicht als ein "Haufen" gezeigt. Sondern jeder bekommt seinen Raum und seine Zeit. Jeder hat seine Wünsche, Träume, Sehnsüchte und jeder hat seinen Platz, das zu erzählen.
Als Familienserie in der Primetime hat "Das Wichtigste im Leben" praktisch von Anfang an ein Alleinstellungsmerkmal. Muss das deutsche Fernsehen mehr verschiedene Genres wagen?
Jürgen Vogel: Ja, finde ich schon. Generell sind deshalb Streaming-Plattformen auch ganz gut, weil da anders geguckt wird. Die Leute gucken so, wie sie wollen und wann sie wollen. Das finde ich gut. Bei uns wird es ja in die Quote noch nicht aufgenommen, diese ganzen Sachen. Warum? Weil es sonst kein Fernsehen mehr geben würde. Wenn das eine höhere Quote hat als das Fernsehprogramm, dann ist Fernsehen vorbei. Dann hast du als App deine Mediathek, aber dann gibt's kein normales Programm mehr. Noch gibt es ja die Generation, die eben noch nicht digital guckt. Aber wenn die mal irgendwann beim lieben Gott sind oder beim Teufel in der Hölle zum Striptease gucken, dann ist das vielleicht anders.
Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Auf der nächsten Seite geht es mit dem Interview mit Hauptdarstellerin Bettina Lamprecht weiter.
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