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TV-Kritik/Review: Penny Dreadful
(02.06.2014)
Im ausgehenden 19. Jahrhundert bedienten die Penny Dreadfuls die Gelüste britischer Leser nach sensationalistischen Kurzerzählungen. Die Horror-Heftchen zu Penny-Preisen mischten Versatzstücke bekannter Romane mit urbanen Jack-the-Ripper-Mythen oder okkulten Gruselstories zu schnell verschlingbarer Schocker-Unterhaltung. Demselben Zweck dienen heute keine Heftchen mehr, sondern Fernsehserien wie
John Logan hat sich das ausgedacht, einer der profiliertesten Drehbuchautoren Hollywoods, gefeiert für "Gladiator", "The Aviator" oder "Hugo Cabret". Zuletzt schrieb er den Bond-Hit "Skyfall", und dessen Regisseur Sam Mendes fungiert hier als Executive Producer. In Interviews bekennt Logan gerne seine große Vorliebe für literarische Monster und anderes Gothic-Novel-Personal, weswegen es ihm sicherlich gut zupass kam, dass er jetzt im Stil der alten Hefte ein veritables Häuflein dieser Nachtgestalten zusammenrühren konnte: Von Frankensteins Monster über den Dracula-Mythos bis hin zu Werwölfen und "weißen Frauen" geht es einmal quer durch die düstere Seite der Fiktion - wobei an literarischen Anspielungen kein Mangel herrscht. Angesiedelt ist das alles im spätviktorianischen London kurz vor der vorletzten Jahrhundertwende, einem neblig-verregneten Moloch der tuberkulosekranken Prostituierten und Opiumhöhlen, in dem alles blaugrau zu sein scheint und die Ripper-Panik grassiert, in dem aber auch in edlen Gentlemen's Clubs die koloniale Explorationslust wuchert und sich kauzige Forschernaturen den okkulten Künsten widmen.
Fünf Figuren schälen sich in der Pilotfolge als Protagonisten heraus: Erstens ist da der noble Afrikaforscher Sir Malcolm Murray (gespielt von Ex-Bond Timothy Dalton), der sich zu Beginn auf eine persönliche Mission begibt, denn seine Tochter Mina ist entführt worden. In seinem Herrenhaus und bei nächtlichen Exkursionen geht ihm ein schweigsamer Butler mit tribal genieteter Gesichtshaut zur Hand: Sembene (Danny Sapani). Begleitet werden sie von Vanessa Ives, einer bleichen, schönen Lady von unklarer Motivation: Ex-Bond-Girl Eva Green (
In der zweiten Episode treten sogar noch weitere Charaktere hinzu: Die Prostituierte Brona Croft etwa, die sich zu Ethans Love Interest entwickelt.
Der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona ("Das Waisenhaus") kriegt diese durchaus krude Mischung in den ersten beiden Episoden erstaunlich geschmeidig unter einen Hut: Wie er die versprengte Truppe zu einem ersten Shoot-Out in einen Blutsaugerkeller schickt, wie er während einer epischen Séance diverse lästerliche Dämonen in die gestrenge Vanessa fahren lässt, oder wie er ganz generell aus den üblichen Genre-Stereotypen (wabernder Nebel, lateinisches Gemurmel als akustischer Index für okkultes Unheil, Geister- und Traumgestalten) eine angemessen gruselige Atmosphäre heraufbeschwört, das funktioniert ganz gut und passt bestens zum metallic-blau schimmernden Vorspann, der mit Schlangen, Spinnen, Käfern, Fangzähnen, Blut, Skalpellen und Kruzifixen so ziemlich alles auffährt, was man aus einer Woche vertiefter Horrorheftleserei an Düsterem herausdestillieren könnte. Dazu zählen auch die skurrilen Nebenfiguren: Der geckenhafte Ägyptologe Lyle etwa (Simon Russell Beale) könnte, wie er da apokalyptische Totenbuch-Prophezeiungen aus den Tätowierungen eines Vampirs herausliest, glatt einem "Tim & Struppi"-Cartoon entsprungen sein.
Großes Drama aber gibt es auch - bislang vor allem in der Geschichte von Frankenstein und seinem Monster, das sich hier selbst den Namen "Proteus" gibt, frei nach Shakespeares "Zwei Herren von Verona". Die innige Erstbegegnung von Schöpfer und Geschöpf im Dunkel der Nacht ist eine schöne Variante der bekannten Geschichte. Dass das Monster schon nach wenigen Tagen die Identitätsfrage stellt, wirkt dagegen etwas überstürzt. Allerdings kommt es in diesem Subplot bereits im Cliffhanger der zweiten Folge zu einer radikalen Wendung - denn das eigentliche erste Monster Frankensteins (Rory Kinnear, "Skyfall") tritt darin sehr blutig auf Plan. Es heißt "Caliban", frei nach Shakespeares "Der Sturm", und seine und Dr. Frankensteins Geschichte wird in der anschließenden Episode ausführlichst referiert. Alun Armstrong (
Insgesamt dürften sich Gruselfans in diesem post-post-postmodernen Konglomerat aus verschiedensten Horrortopoi wohlfühlen. Verglichen mit der generischen Langeweile von
Und doch gibt es ein großes, essenzielles Aber. Die Penny Dreadfuls des 19. Jahrhunderts nämlich waren Trash, Verbrauchsware für zwischendurch, weder kunstvoll produziert noch edel geschrieben, eher schnell vergessen als für die Ewigkeit. Die Serie aber ist all das gerade nicht: Das britische Qualitätsschauspiel ist ohne Fehl und der intertextuell informierte Plot clever konstruiert. Die Ausstattung legt großen Wert noch aufs letzte Statistenkostüm, jede Pfütze sieht aus wie frisch zurechtgewässert: So wird das versiffte Ripper-London zur polierten Designerschmutzkulisse, das Pfennigheft mutiert zum Hochglanzroman. Die meisten Zuschauer wird das wohl nicht jucken, doch eigentlich muss man das Mogelpackung nennen.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Penny Dreadful".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Showtime
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