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TV-Kritik/Review: "Dead Ringers": Furiose Rachel Weisz mit Doppelrolle in psychologisch komplexem Thriller

von Christopher Diekhaus
(20.04.2023)
Remake von David-Cronenberg-Film kreist um gefährliche Abhängigkeit von Zwillingspaar
Unlöslich verbunden: die Gynäkologinnen Ellie und Bev Mantle (Rachel Weisz in einer Doppelrolle).
Prime Video
TV-Kritik/Review: "Dead Ringers": Furiose Rachel Weisz mit Doppelrolle in psychologisch komplexem Thriller/Prime Video

Die Beziehung von eineiigen Zwillingen einem Außenstehenden zu erklären, sei unmöglich, heißt es an einer Stelle von  "Dead Ringers" - womit die sechsteilige Miniserie allgemeine Annahmen bekräftigt. Weit verbreitet ist die Vorstellung einer fast telepathischen Verbindung zweier Menschen, die zur selben Zeit im Bauch ihrer Mutter herangewachsen sind und nach der Geburt nebeneinander großwerden. Eine Sicht, die nicht ins Reich der Mythen gehört, sondern der Realität entspricht. Zwischen Zwillingen existiert in den meisten Fällen tatsächlich ein ganz besonderes, wahrscheinlich tiefer als gewöhnlich gehendes Band, wie der Autor dieser Zeilen als Vater eines zweieiigen Jungenpärchens aus eigener Erfahrung weiß. Gerade im Thriller- und Horrorgenre wird diese spezielle Verbundenheit gerne in etwas Abgründiges verkehrt.

Einer der überzeugendsten Filme, der das Zwillingsmotiv aufgreift, ist David Cronenbergs psychologischer Nervenkitzler  "Die Unzertrennlichen", im Original als "Dead Ringers" firmierend, was übersetzt "Doppelgänger" bedeutet. Das 1988 veröffentlichte Werk mit Jeremy Irons in einer herausfordernden Zweifachrolle basiert auf dem gleichnamigen Roman von Bari Wood und Jack Geasland, der die grausigen Ereignisse um die realen Gynäkologen Stewart und Cyril Marcus stark fiktionalisiert aufrollt. Mit ihrem in einem ungesunden Abhängigkeitsverhältnis stehenden Medizinerduo, das seine Profession ausnutzt, um in einem perfiden Tauschspiel Frauen zu erobern, erscheint Cronenbergs horrorartige Charakterstudie in Zeiten der MeToo-Debatte geradezu prädestiniert für eine bissige Neuauflage.

Und siehe da, genau das ist die Prime-Video-Veröffentlichung "Dead Ringers" geworden, allerdings ohne bequeme Wege zu beschreiten. Schöpferin Alice Birch, die unter anderem den feministischen Historienfilm  "Lady Macbeth" mit Shootingstar Florence Pugh in ihrer Vita stehen hat, wechselt in ihrer Version die Geschlechter, macht aus den von Irons subtil verkörperten Männern zwei Frauenärztinnen und dringt durch diesen Kniff viel tiefer in die berufliche Materie der Hauptfiguren ein.

Nur nicht die Nerven verlieren: Ellie (Rachel Weisz) gelingt das nicht immer.
Nur nicht die Nerven verlieren: Ellie (Rachel Weisz) gelingt das nicht immer. Prime Video

Wie in der Kinovorlage und in eigentlich jeder Geschichte, die sich mit Zwillingen befasst, sind die Protagonistinnen grundverschieden. Elliot "Ellie" Mantle (Rachel Weisz) ist impulsiv, gibt sich den Genüssen des Lebens leidenschaftlich hin, konsumiert Drogen, hat keine Scheu, Grenzen zu überschreiten, und lässt sich nicht so leicht überrumpeln. Ihre Schwester Beverly (ebenfalls Weisz), kurz "Bev" genannt, hingegen ist leichter aus der Fassung zu bringen, wirkt etwas verkniffen, wird von großem Idealismus angetrieben und muss in der Auftaktepisode eine - nicht ihre erste - Fehlgeburt verkraften. Trotz der Unterschiede haben sich die beiden völlig aufeinander abgestimmt, teilen sich eine luxuriöse Wohnung in Manhattan, trennen sich nie und hegen einen großen Traum: ein eigenes Geburtscenter, mit dem sie die Art und Weise, wie Frauen Kinder auf die Welt bringen, revolutionieren wollen.

Ein Punkt, der "Dead Ringers" von Cronenbergs Film spürbar abhebt. Steht dort die Dynamik der männlichen Zwillinge klar im Vordergrund, setzt sich die Serie immer wieder ganz konkret mit dem Beruf der Mantles auseinander, schaltet sich ein in einen spannenden gesellschaftlichen Diskurs. Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit, lautet ein Leitsatz Bevs. Und demzufolge sollte man werdenden Müttern mit Fürsorge, aufrichtiger Empathie begegnen, ihre Wünsche ernst nehmen und nicht einfach so über ihre Körper verfügen.

Kritik an einem profitorientierten Kliniksystem, an einer Kommunikation, die Verunsicherung schürt, lassen Birch und ihre Mitautorinnen regelmäßig anklingen und animieren uns, unser Bild von Mutterschaft und Geburtsbegleitung auf den Prüfstand zu stellen. Wie kann man Räume schaffen, in denen sich Frauen gut aufgehoben fühlen? Eine Atmosphäre, in der das Abenteuer Kinderkriegen nicht ständig mit negativen Konnotationen behaftet ist, in der man noch mehr auf die persönlichen Bedürfnisse achtet?

Eingenommen wird in einer der gespenstischsten Szenen auch eine schwarze Perspektive, die Ausbeutung zu wissenschaftlichen Zwecken geißelt. Und nicht zuletzt schneiden die kreativ Verantwortlichen die Frage von künstlich erschaffenem Leben an, wenn Ellie den Babywunsch ihrer Schwester mit drastischen Mitteln zu erfüllen versucht.

"Dead Ringers" ist vollgepackt mit interessanten Überlegungen und Ansätzen, vernachlässigt den aus "Die Unzertrennlichen" übernommenen, sich stetig zuspitzenden Konflikt zwischen den Zwillingen aber keineswegs. Ins Wanken gerät das geschwisterliche Gebilde, als Ellie für die zurückhaltende Bev - nicht zum ersten Mal - eine Patientin verführt, um sie dann an sie "weiterzureichen". Die Schauspielerin Genevieve (Britne Oldford), deren Name eine Hommage an Geneviève Bujold ist, die in Cronenbergs Original dieselbe Rolle innehatte, weckt bei Bev ehrliche Gefühle. Ihre aufkeimende Liebe bringt die toxische Abhängigkeit zwischen den Schwestern zum Vorschein und zeigt, so viel sei verraten, dass Ellies Selbstsicherheit zum Teil nur Fassade ist.

Unerschrocken auftreten, der Welt den Mittelfinger unter die Nase halten kann sie nur deshalb, weil sie sich bislang der ungeteilten Aufmerksamkeit Bevs sicher war. Deren Zuneigung dient als Kraftstoff ihrer Stärke, die plötzlich brüchig wird. Alles geht mich etwas an!, echauffiert sich die pathologisch eifersüchtige Ellie, als Bev ihr nichts über den Sex mit Genevieve verraten will. Bester Nährboden für eine unabwendbare Eskalation.

Genevieve (Britne Oldford) ist Ellie ein Dorn im Auge.
Genevieve (Britne Oldford) ist Ellie ein Dorn im Auge. Prime Video

Den Weg ins Verderben, das Ringen der Protagonistinnen mit ihren Sehnsüchten, ihren Dämonen und ihren Schuldgefühlen beschreibt die Serie psychologisch ausgefeilt und setzt dabei auch einige anfangs etwas irritierende sarkastische Akzente.

Anders als die trotz ihrer Body-Horror-Bilder recht unterkühlte Filmversion hat der Sechsteiler etwas Saftig-Verspieltes an sich. Beispielsweise, wenn sich die ambitionierten Zwillinge mit einer von Rebecca Parker (eine echte Szenendiebin: Jennifer Ehle) angeführten Investorenclique treffen, die ihnen den großen Traum von einer eigenen, völlig neu gedachten Geburtseinrichtung ermöglichen könnte. Lustvoll werden in diesen bizarren Begegnungen der Zynismus und der brutale Pragmatismus potenziellen Unterstützer aufgespießt, die uns mehrfach wissen lassen: Altruismus ist nicht ihr Antrieb. Einen frechen, bissigen Anstrich haben auch viele der Eskapaden Ellies, die sich nimmt, was sie gerade möchte, die nicht einmal Skrupel hat, den Ehemann einer Patientin dazu aufzufordern, seinen Penis aus der Hose zu holen, während seine schwangere Frau zum Klo eilt.

Gleichzeitig baut sich ein enormer Druck auf, kreiert die Serie, für die Sean Durkin ( "The Nest"), Karena Evans ( "Y: The Last Man"), Lauren Wolkstein ( "A Friend of the Family") und Karyn Kusama ( "Yellowjackets") Regiearbeiten übernommen haben, eine brodelnde Atmosphäre, indem sie alle nur erdenklichen filmischen Register zieht. Musik wird mal kommentierend, mal konterkarierend eingesetzt. Über einen raffinierten Schnitt, die wirkungsvolle Verzahnung unterschiedlicher Zeitebnen ergibt sich häufig eine ungeahnte Dynamik. Gezielt platzierte Rück- und Vorausblicke verrätseln die Handlung. Klänge - etwa ein in der letzten Episode permanent über den Bildern liegendes Handyklingeln - werden spannungsfördernd eingesetzt. Opulent sind die Settings. Und stark ist das Spiel mit den Farben. Wer "Die Unzertrennlichen" gesehen hat, wird die ikonische blutrote Medizinerkleidung wiedererkennen, die dieses Mal erst mit Verzögerung auftaucht.

Optisch und erzählerisch hat "Dead Ringers" einiges zu bieten. Die größte Attraktion ist jedoch Hauptdarstellerin Rachel Weisz. Wie sie ihre Doppelrolle ausfüllt, über kleine mimische Änderungen ihre Figuren zum Leben erweckt, verdient tosenden Applaus. Die erfolgreiche Abgrenzung über Haltung und Gesichtsausdrücke geht so weit, dass es die visuelle Unterscheidung - Bev trägt einen Zopf, Ellie offene Haare - fast nicht gebraucht hätte. Weisz' ganze Klasse offenbart sich am deutlichsten, wenn es innerhalb einer Szene zu einem langsamen Wechsel im Verhalten kommt. So wie bei einer Preisverleihung, auf der Bev ihre Rede stockend und verunsichert beginnt, dann aber selbstbewusster und klarer in ihren Aussagen wird.

Was führt Bevs und Ellies Haushaltshilfe Greta (Poppy Liu) im Schilde?
Was führt Bevs und Ellies Haushaltshilfe Greta (Poppy Liu) im Schilde? Prime Video

Angesichts einer solch fulminanten Performance und der formalen Qualitäten fallen Schönheitsfehler, zum Beispiel der reingepfriemelte Nebenstrang um Greta (Poppy Liu), die Haushaltshilfe der Zwillinge, nicht groß ins Gewicht. Nach den letzten Einstellungen, die noch einmal eine spannende Wendung mit sich bringen, muss man festhalten: "Dead Ringers" ist einer dieser seltenen Fäll, in denen ein Remake die Essenz des Originals bewahrt, aus dieser aber eine ganz eigene Kraft und Vision entwickelt. Zartbesaiteten Menschen im Allgemeinen und werdenden Eltern mit niedriger Angstschwelle im Besonderen sei von der Serie dennoch abgeraten. Im Verlauf der sechs Folgen gilt es nämlich einige krasse Bilder durchzustehen.

Dieser Text basiert auf der Sichtung aller Folgen der Miniserie "Dead Ringers".

Meine Wertung: 4/5

Die Miniserie "Dead Ringers" ist ab dem 21. April bei Amazon Prime Video mit allen sechs Episoden verfügbar.


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