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TV-Kritik/Review: "Oktoberfest 1900": Bemüht modernistische ARD-"Event-Serie" über Intrigen auf der Wiesn

Historiendrama bleibt trotz Gedeck und Matičević stereotyp und flach
Curt Prank (Mišel Matičević) feiert sich in "Oktoberfest 1900" selbst
BR/ARD Degeto/MDR/WDR/Zeitsprung Pictures GmbH/Dusan Martincek
TV-Kritik/Review: "Oktoberfest 1900": Bemüht modernistische ARD-"Event-Serie" über Intrigen auf der Wiesn/BR/ARD Degeto/MDR/WDR/Zeitsprung Pictures GmbH/Dusan Martincek

Es ist zum Verzweifeln. Während es die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in quasi all unseren Nachbarländern schaffen, Serien zu produzieren, die in der jeweiligen Kultur oder Geschichte verankert, aber zugleich zeitgemäß sind, fühlt man sich bei den Bemühungen der deutschen Anstalten regelmäßig für dumm verkauft. So auch bei der neuen sechsteiligen "Event-Serie" im Ersten, die demnächst an drei Abenden in Doppelfolgen ausgestrahlt wird - früher hätte man sowas einfach Dreiteiler genannt, aber das klingt natürlich nicht so cool und modern.  "Oktoberfest 1900": alleine der Titel erinnert eher an eine historische Dokureihe à la Guido Knopp als an eine fiktionale Dramaserie. Und was sich dahinter verbirgt, ist so bemüht modernistisch und gleichzeitig so dilettantisch umgesetzt, dass man sich pausenlos mit der Hand vor die Stirn schlagen möchte.

Die Dänen machen Serien über ihre verlorenen Kriege ( "1864"), die Engländer über ihre Königinnen ( "The Crown"), dann lasst uns doch auch mal was Modernes über unsere Geschichte machen (aber mal nicht mit Nazis oder Stasi), dachten sich wahrscheinlich die Verantwortlichen der ARD. Und woran denkt man überall auf der Welt als Erstes, wenn man Deutschland hört? Natürlich Bier und Oktoberfest! Also nehmen wir das als Setting, packen alle Klischees rein, die uns dazu einfallen, und - weil wir ja schließlich auch  "Game of Thrones" toll fanden - mischen noch soviel Gewalt und Sex rein, wie es zur Hauptsendezeit gerade noch geht. Dazu ein paar renommierte Schauspieler, die teilweise schlecht nachgemachtes Bayrisch sprechen müssen, die Männer alle mit angeklebten Schnauzbärten, die Frauen schön im Dirndl - da freuen sich auch die älteren Zuschauer! Ah, eine Geschichte brauchen wir ja auch noch, natürlich "nach wahren Begebenheiten", darunter machen wir es im Öffentlich-rechtlichen nicht. Da gab's doch mal einen Kampf um die Schanklizenzen auf der Wiesn - zwar ohne Tote, aber nehmen wir doch das und putschen es ein bisschen auf. Das sorgte dann zwar schon vor Ausstrahlung für Proteste der echten Wiesnwirte, aber ein wenig Schwund ist ja immer.

Also München 1900: Das Oktoberfest ist noch ein weitgehend lokales Ereignis, die Standplätze sind aber trotzdem schon begehrt. Für Außenstehende sind sie fast unmöglich zu ergattern, da seit Ewigkeiten im Besitz einiger einheimischer Brauereien. Wenn man dann aus Nürnberg kommt und auch noch das größte Zelt bauen will, das die Wiesn jemals erlebt haben, wie der Großbrauer Curt Prank (Mišel Matičević, Im Angesicht des Verbrechens), kann man nur auf Ablehnung stoßen. Aber Prank schreckt vor gewaltsamen Einschüchterungsversuchen nicht zurück, um seine ehrgeizigen Pläne in die Tat umzusetzen. Beim lokalen Brauereichef Ignatz Hoflinger (Francis Fulton-Smith) artet die Einschüchterung aber aus und endet in brutalem Mord. Dass der in einer Parallelmontage mit dem heftigen ersten Geschlechtsverkehr von Hoflingers Sohn Roman (Klaus Steinbacher) und Pranks Tochter Carla (Mercedes Müller) gegengeschnitten wird, ist schon reichlich geschmacklos. Dass dann auch noch der goldene Zapfhahn, der als Mordwaffe dient, während Romans Orgasmus ins Bild gerückt wird, an Plattheit schon nicht mehr zu überbieten. Kurz darauf findet ein Stamm von Kannibalen aus Deutsch-Samoa, der für eine Völkerschau nach München verschleppt wurde, den abgetrennten Kopf des Brauers am Isarufer - und wird natürlich gleich selbst verdächtigt, Kannibalen halt.

Clara Prank (Mercedes Müller) und ihr Vater Curt (Mišel Matičević) auf der noch leeren Theresienwiese
Clara Prank (Mercedes Müller) und ihr Vater Curt (Mišel Matičević) auf der noch leeren Theresienwiese BR/ARD Degeto/MDR/WDR/Zeitsprung Pictures GmbH/Dusan Martincek

Während die Restfamilie Hoflinger um Witwe Maria (Martina Gedeck,  "Arthurs Gesetz") nun ums Überleben ihrer Brauerei kämpfen muss, wäscht Prank seine Hände demonstrativ in Unschuld. Als er es schließlich geschafft hat, alle Parzellen zusammenzubekommen, um seinen Traum zu verwirklichen, vergräbt er ein Bierfässchen mit dem verhängnisvollen Zapfhahn bei der Grundsteinlegung. Danach breitet der Teufel in Menschengestalt seine Arme aus wie ein Pfarrer bei der Segnung und die Kameradrohne zeigt Prank und Platz aus der Vogelperspektive, als würde er Gott höchstselbst anrufen. Solche stilistischen Spielereien sollen wohl eine Atmosphäre erzeugen wie in HBOs  "Rom", aber irgendwie sieht das Ganze doch immer aus wie eine Mischung aus Schmalspurwestern und Kasperletheater. Vor allem aber düster, denn dunkel waren damals nicht nur die Seelen der Menschen, sondern auch die Straßen der bayerischen Hauptstadt.

Wie modern die Serie sein möchte, schreit sie ständig heraus. Regisseur Hannu Salonen setzt dabei leider mehr auf Zeitlupen und extremes Colorgrading als auf sorgfältige Inszenierung oder Schauspielerführung. Was gestandene Akteure wie Mišel Matičević und Martina Gedeck, die man sonst eher aus Independentfilmen und anspruchsvollen Fernsehfilmen kennt, in diese Kulissenorgie verschlagen hat, bleibt unverständlich. Denn ausgearbeitete Figuren haben sie nicht zu verkörpern, eher wandelnde Stereotype. Am Ende der zweiten Folge kommt dann auch noch ein bisschen intellektuelle Jugendkultur ins Spiel: Künstler und Musiker, die Gedichte und Nietzsche zitieren und den anderen Hoflinger-Sohn Ludwig (Markus Krojer) faszinieren, der nicht nur sensibel, sondern natürlich auch heimlich schwul ist. Ein Hauch von  "Babylon Berlin" und  "Die Neue Zeit" - auch zwanzig Jahre vor den Roaring Twenties gab es also in Deutschland schon eine Subkultur. Mit Frauenrechten war es allerdings noch nicht so weit her, mit glaubwürdigen Dialogen leider auch nicht.

Clara Prank (Mercedes Müller) und Roman Hoflinger (Klaus Steinbacher) in "Oktoberfest 1900"
Clara Prank (Mercedes Müller) und Roman Hoflinger (Klaus Steinbacher) in "Oktoberfest 1900" BR/ARD Degeto/MDR/WDR/Zeitsprung Pictures GmbH/Stephan Pick

Wer soll sich diesen grausigen Mischmasch aus Stilen und Handlungselementen bloß angucken? Das ARD-Stammpublikum wird sich in großen Teilen von der übertriebenen Gewalt und der schlechten Beleuchtung eher abgestoßen fühlen. Die jüngeren Serienfans aber, die jeder Anbieter heute erreichen will, werden sich wahrscheinlich schon nicht für eine Serie mit dem biederen Titel "Oktoberfest 1900" interessieren. Und wenn doch, sich vielleicht nach fünf Minuten fragen, was diese Knallchargerei eigentlich soll. Dann doch lieber Netflix. Die haben sich übrigens die internationalen Rechte gesichert - aber dort kann man wenigstens als Alternative auf Serien ausweichen, die nicht nur modern tun, sondern es tatsächlich sind. Wir waren in allem schon mal wesentlich weiter, sagte der Regisseur Dominik Graf vor einigen Jahren über den Stand des deutschen Films und Fernsehens. Mit Blick auf lange zurückliegende ARD-Serien mit historischem Setting wie  "Heimat" oder  "Jauche und Levkojen" kann man ihm nur voller Bedauern recht geben.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden der Miniserie "Oktoberfest 1900".

Meine Wertung: 2/5

Die sechsteilige Miniserie "Oktoberfest 1900" ist seit dem 8. September 2020 in der ARD Mediathek abrufbar. Die lineare Ausstrahlung im Ersten erfolgt am 15., 16. und 23. September 2020 jeweils ab 20.15 Uhr.


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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Leserkommentare

  • User 1641483 schrieb am 21.01.2021, 08.02 Uhr:
    - Schlechtes Bayerisch ist keine Erfindung von den Machern von Oktoberfest 1900, sondern spätestens seit Dahoam is Dahoam gang und gebe.
    - "Nach wahren Begebenheiten" wird immer ausgeschmückt ohne Ende, da reicht die Tatsache schon, dass es z.B. ein Oktoberfest gab.
    Wer sich bei Wikipedia hinter Filmen, oder Serien mal die reale Geschichte durchliest wird sich wundern, wie man von den Filmemachern eigentlich beschissen wird.
    Und "Düster", ja das stimmt, aber 1900 war noch eine ganz andere Zeit. Dreckig und zweifelsohne auch mit viel Gewalt. Probleme sind da überwiegend noch mit der Faust geklärt worden und sicher nicht bei einer Diskussion und einen Glas Wein.
    Kann diese derartig negative Bewertung nicht verstehen. Fühlte mich über die kompletten sechs Folgen gut unterhalten. Und wer den Vergleich zieht zu anderen geschichtlichen Serien, die auch noch in einer völlig anderen Epoche handeln ist eh auf dem Holzweg.
    LG
  • Erik Einar schrieb am 20.09.2020, 17.13 Uhr:
    Für Nicht-Bayern schon sprachlich eine Zumutung.
    Ansonsten unnötig brutal und unglaubhaft.
    Kann dem Kommentar von Autor Marcus nur zustimmen! Bleib weiter so engagiert und kritisch!
  • Nero1962 schrieb am 16.09.2020, 15.03 Uhr:
    Selten so einen Schmarrn gesehen. Ein Mischmasch zwischen  der alten und neuen Zeit , ich weiss nicht was das soll.Die renommierten Schauspieler sollen wahrscheinlich als Zugpferd erhalten, ging aber voll daneben.
  • User 1604863 schrieb am 16.09.2020, 11.24 Uhr:
    Das Konzept erinnerte einfach viel zu sehr an Babylon Berlin - nur das es einfach nicht passte. Viel zu viel Blut und Gewalt - sehr verworrene Handlungsstränge, die nicht unbedingt neugierig auf die Auflösung machten. Dass es sich um ein Volksfest handelte, konnte man nirgendwo glauben. Bei Babylon Berlin lag der Erfolg auch in den überwiegend unbekannten Darstellern, die so der Serie ihren ureigenes Gesicht geben konnten. Hier hat man leider auf überwiegend sehr renommierte Schauspieler gesetzt, die aber nicht wirklich in ihren Rollen aufgingen und deshalb unglaubwürdig rüberkamen (am schlimmsten Fulton-Smith). Mit dem bayrischen Dialekt hat man es auch übertrieben - für Nichtbayern sehr anstrengend zu verfolgen. Vielleicht sollte die Serie besser auf Bayern3 laufen.
  • User 65112 schrieb am 14.09.2020, 15.59 Uhr:
    Wahrscheinlich wird das ein Publikumsrenner ;-)