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TV-Kritik/Review: "The Watch": Schön beknackt, aber garantiert nichts für Pratchett-Puristen
(09.01.2021)
Dafür, dass Terry Pratchett in den Neunzigern der bestverkaufte Autor Großbritanniens war und bis heute über 80 Millionen seiner Bücher über den Ladentisch gingen, gibt es erstaunlich wenig Verfilmungen seiner Werke. Allein 41 seiner Romane sind in der sogenannten "Scheibenwelt" angesiedelt, einer Welt, die auf vier Elefanten ruht, die wiederum auf einer Schildkröte balancieren - doch außer drei halbwegs ordentlichen Fernsehzweiteilern, die der Bezahlsender Sky in den Nullerjahren drehen ließ, blieb dieses Universum in Film und Serie bislang weitgehend unerschlossen.
Vermutlich liegt das daran, dass der 2015 verstorbene Pratchett eben nicht so einfach zu verfilmen ist. Den trocken-lakonischen Tonfall seiner kultisch verehrten satirischen Fantasy findet man einerseits in den Dialogen, die so klingen, als sollten sie mindestens von britischen Comedians der Güteklasse Monty Python gesprochen werden, andererseits in der allwissenden Erzählerstimme - und jene adäquat ins Filmische zu übertragen, das ist fraglos schwer. Auch die letztjährige Verfilmung von
Wohl im Wissen um die Schwierigkeit, Pratchett angemessen in Ton und Bild zu übertragen, setzt die BBC America ihrer achtteiligen, in der Scheibenwelt angesiedelten Serie
Klar, man kann sich natürlich immer fragen, weshalb sich Produzenten einer Vorlage bedienen möchten, nur um dann zentrale Elemente zu ändern. Allerdings gibt es, zum Glück, auch keine Pflicht, die exakte Bebilderung einer textlichen Vorlage abliefern zu müssen, nur um Fans zufriedenzustellen, denen offenbar die Fantasie (um nicht zu sagen: fantasy) fehlt, das Spiel mit Variationen und Abweichungen auszuhalten. Zumal eine buchstabengetreue Umsetzung im Fall Pratchett, siehe oben, ziemlich sicher zum Scheitern verurteilt wäre - und Pratchetts Prosa mit ihrem ironisch unterfütterten Zugriff auf "Fantasy" dem rigorosen Werktreuebegriff der Fans doch eigentlich entgegensteht.
Wie dem auch sei: Eine Folgestaffel von "The Watch" scheint schon jetzt einigermaßen ausgeschlossen. Dabei ist die Serie gar nicht übel - wenn man sich ihr denn konsequent abseits der Vorgabe Pratchett-Verfilmung zuwendet. Eine solche hatte die BBC erklärtermaßen nicht im Sinn. Was wir nun zu sehen bekommen, ist eine Art Police Procedural auf absurder Grundlage, die stilistisch mitunter an
Schauplatz ist der Stadtstaat Ankh-Morpork, die korrupte Händlermetropole aus der Pratchett'schen Scheibenwelt. Die "Watch" aus dem Serientitel ist die "Ankh-Morpork City Watch", die Stadtwache, deren Geschichte Pratchett in insgesamt acht "Scheibenwelt"-Romanen aufgeschrieben hat. Weil die Kriminalitätsrate in Ankh-Morpork aus dem Ruder lief, hatte man sich einer praktikablen Maßnahme bedient: Diebstahl und andere Formen krimineller Praxis wurden kurzerhand für legal erklärt, allerdings in Gilden organisiert und amtlich besteuert. Auftragsmord? Kein Problem, aber bitte die Quittung nicht vergessen! Die Polizei selbst führt ein pro-forma-Dasein, man jagt streunende Hunde oder Kanalisationsmonster, hetzt aber keinen Räubern hinterher. Im abgewetzten Polizeirevier, "Watch House" genannt, flattern die Tauben umher, ansonsten ist wenig los.
Die quasi-mittelalterliche Welt von Ankh-Morpork aus den Romanen erscheint in der Serie als abgewirtschaftete Steampunk-Umgebung einer "entfernten Secondhand-Dimension" (so informiert uns eine Einblendung), die zwischen allen Zeiten und Stilen zu verorten ist: Zwar wird immer noch mit Armbrust geschossen, doch sowohl klamottentechnisch als auch im Plauderton der Darstellenden wirkt das Setting ziemlich modern. Aus dem relativ umfangreichen Personal der "Watch" sind in der Serie unter kühner Auslassung so beliebter Figuren wie Nobby Nobbs oder Fred Colon nur fünf Protagonisten übriggeblieben: Captain Sam Vimes (deutsch: Samuel Mumm), Corporal Angua, Constable Carrot (deutsch: Karotte Eisengießersohn), Sergeant Detritus und Constable Cheery (deutsch: Grinsi Kleinpo). Auch hier monierten Scheibenwelt-Spezis sofort: Zu dem Zeitpunkt, an dem diese fünf Wächter in den Büchern gemeinsam ermittelten, ist aus der Watch längst etwas deutlich Nobleres geworden als jener Trümmerhaufen, als der sie sich in der Serie präsentiert. Das stimmt natürlich, doch Allen und Viveiros setzen ja eben keinen konkreten Roman um. Sie griffen sich stattdessen ihre Lieblingsfiguren heraus, um mit ihnen eine eigene Story zu erzählen.
So ist Vimes hier also immer noch der Vollalkoholiker, als der er im ersten Stadtwache-Roman "Wächter! Wächter!" (1989) eingeführt wurde. Darsteller Richard Dormer, bekannt vor allem als Beric Dondarrion aus
Es gibt eine ganze Menge von Details in "The Watch", die den Pratchett-Witz entgegen aller Befürchtungen durchaus gekonnt aufnehmen: von den durch die Straßen strolchenden Goblinen, die einen kommenden Arbeiteraufstand planen, bis hin zu den Minizwergen, die im Inneren von "Sicherheitskameras" ihren Dienst verrichten. Der Erzkanzler der Unsichtbaren Universität (James Fleet,
Das ist alles schön beknackt und angemessen absurd - und es dürfte Freunden britischen Trockenhumors durchaus Spaß bereiten. Leider aber werden die vielen witzigen Einzelheiten in einen zu schlaffen Plot eingebettet. In einer etwas bemühten Rahmenhandlung steht Vimes dem Tod gegenüber (gesprochen von
Dem Pratchett'schen Worldbuilding steht also ein mäßig aufregendes, durch redundante Flashback zusätzlich aus dem Lot gebrachtes Handlungsgerüst gegenüber - das ist fraglos nicht ideal. Ob diese sehr eigenwillige Mixtur aus punkig gemeinter Abgerocktheit (mit Pixies und den Bangles im Soundtrack) und eher herkömmlichen Mystery-Elementen am Ende wirklich aufgeht, ist nach den anfänglichen Folgen also keinesfalls entschieden. Und ob konservative Scheibenwelt-Aficionados den Blick darauf riskieren wollen, müssen sie sowieso selbst entscheiden. Auf eine wirklich treffsichere Serie aus dem Pratchett-Universum wird aber so oder so weiter gewartet werden müssen.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie "The Watch".
Aktuell wird die Serie "The Watch" in den USA bei BBC America ausgestrahlt. Eine deutsche Sendeheimat ist noch nicht bekannt geworden.
Über den Autor
Leserkommentare
User 1826897 schrieb am 21.05.2024, 23.00 Uhr:
Hab gerade die ersten drei Folgen gesehen und bin - als großer Fan TPs - angetan von der Umsetzung der Scheibenwelt. Wenn Fans meinen, Sie könnten diese Geschichten besser verfilmen, nur zu, seh ich mir auch gerne an; diese Serie sieht man sich freiwillig an oder man läßt es - und dass die Macher, MitarbeiterInnen, DarstellerInnen und -außen und alle anderen BeteiligIinnen für ihre Arbeit bezahlt werden, sollte in dieser Phase des Haifischkapitalismus niemanden irritieren ... aber auch das steht jedem frei: Macht es besser und größer mit mehr Werktreue und Fanliebe und postet das Ganze dann völlig selbstlos auf irgendeiner nichtsnutzigen nichtkommerziellen Videowebseite. Tja, echte Fans eben. Alle Anderen können an dieser Serie ihren Spaß haben oder eben auch nicht; so ist das Leben. Mir hat die Serie bisher gefallen, so wie sie ist - viel Spaß also auch Euch beim Gucken.Toywia schrieb am 15.01.2021, 19.54 Uhr:
Ich werde es mir als großer Pratchett-Fan bei Gelegenheit auf jeden Fall mal anschauen. Bei
Discovery weinte mein Trekkie-Herz bei den ersten Folgen, zu wenig "echtes" Star Trek, zu viel Anbiederung an moderne Formate. Die zweite und dritte Staffel habe ich dann durchgesuchtet. Qualität setzt sich halt am Ende durch. Von daher kann man dem ganzen ruhig mal eine Chance geben.User 65112 schrieb am 11.01.2021, 11.17 Uhr:
uups, sorry für die Tippfehler, zu schnell getippt, nicht nochmal durchgelesen :-)User 65112 schrieb am 11.01.2021, 11.14 Uhr:
Ich würde jetzt einfach mal bestreiten, dass ein Fan besondere "Vorrechte" an einem Stoff hat. Er hat in jedem Fall das Recht, sich die Serie NICHT anzuschauen, wenn sie ihm nicht gefällt. Das trifft die Produzenten finanziell, weshalb dies durchaus eine Art von Meinungsäußerund ist, die wahrgenommen wird.
Was ich viel eher kritisieren würde, ist, dass hier von Seiten der Produktion offenbar Showrunner verpflichtet wurden/sie sich verpflichten leißen, die mit dem Stoff offenbar nichts anfangen konnten und auch gar keine Lust dazu hatten, ihn umzustezen. Warum sind diese Showrunner dann nicht selbstkritisch und lassen die Finger davon? Wem außer ihrem eigenen Ego tun sie einen Gefallen, wenn sie sagen: Na schön, dann interpretiere ich diesen Stoff eben auf meine ganz eigene Weise und setze ihm meinen eigenen küstlerischen Stempel auf.
Wenn jemand etwas "interpretieren" möchte, was in sich schon genial ist, ohne die gleiche Genialität zu besitzen, wie der Autor, ist ein Scheitern bereits vorgezeichnet. Das sollten Produktionsfirmen eigentlich wissen, wenn sie einen Showrunner engagieren. Denn letztendlich ist es ihr Geld, dass sie zum Schonstein hinaus jagen ... Es sei denn, die Produktionfirma hat die Vorgaben genau so gemacht. Die BBC hat ja leider schon öfter versucht, Stoffe zu "modernisieren" wie etwa "Robin Hood" oder "Troja" - was bei Stoffen mit historischen Bezügen meistens in die Hose geht, da das Publikum "historische" Stoffe eben genau deshalb konsumiert, WEIL sie nicht modern sind. Aber igendwie tritt da kein Lerneffekt ein :-))Datenreisender schrieb am 10.01.2021, 15.46 Uhr:
Mir scheint die Kritik hier nicht einseitig. Es wird ja darauf eingegangen, dass manche die Serie nicht mögen und schon gleich in der Überschrift erwähnt, dass sie nicht jedermanns Sache sein wird. Ich bin neugierig auf die Serie und froh dass ich eine grobe Ahnung habe, was ich zu erwarten habe – eben keine sehr werkgetreue Wiedergabe der Pratchett-Bücher.Bernd Krannich schrieb am 10.01.2021, 11.41 Uhr:
Ach HanSulu, du zeigst genau die angesprochene Problemlage auf, wirst persönlich statt sachlich zu bleiben. Und hast dir ja auch wohlweißlich einen neuen Account dafür angelegt, das Kind mit dem Bade auszuschütten.Das Spannungsverhältnis zwischen "Original-Werk" und "Adaption" ist ein altbekanntes und viel diskutiertes. Fakt ist auch, dass der Nachlass von Pratchett (zu dessen Verwaltern auch die erwähnte Tochter gehört) die Rechte zur Adaption verkauft hat. Das hat man sicher auch getan, um das Gedächtnis an Pratchett hoch zu halten, andererseits gewiss auch aus finanziellen Interessen. Sowas bringt aber immer das Recht für die "Käufer", sich die Vorlage zu eigen zu machen. Und wir als Zuschauer haben das Recht zu sagen, "Das gefällt uns nicht" oder es gleich zu ignorieren.Gale schrieb am 10.01.2021, 14.13 Uhr:
Entschuldigung, aber was soll diese einseitige Kommentar? Ich würde mein das eine professionelle Homepage wie diese auch alle Fakten auf den Tisch bringt. Wenn Pratchetts eigene Tochter und Neil Gaiman Kritik üben kann und sollte man das nicht einfach abtun oder ignorieren. Und an Herrn Andreas haben ich den Tip: sehn Sie sich mal die Verfilmung von Going Postal an. Da haben diese Pratchett-Puristen auch damit leben können das der Patrizier blonde Haare hatte, einfach weil der Charakter großartig verkörpert wurde!Mit schönen Grüßen
GaleHanSulu schrieb am 10.01.2021, 09.41 Uhr:
Sorry aber zu aller erst muss ich einfach mal was raushauen: die Art und Weise wie du schreibst, ist echt nicht gut zu lesen.
Ruhe dich ruhig auf sowas aus, aber so wird dich niemand der wirklich gerne liest, und nicht nur Müll über Seiten absondert, auch nur für ne Sekunde ernst nehmen.
Aber zum Glück muss man ja heute nicht mehr gut schreiben können um Rezensionen auszuspucken.
Tatsache ist nunmal, der Fan, hat mehr Anrecht sich kritisch über Verfilmungen zu äußern, besonders wenn grundlegende Fakten worwörtlich vergewaltigt werden, nur weil eine hipster Filmcrew wieder alles ändern muss.
Es gibt von Terry Pratchett kaum Verfilmungen, weil die meisten Filmemacher komplett unfähig sind seine Werke auch nur ansatzweise raus zu bringen.
Und dann darf man sich bullshit von jemandem anhören der wirklich schreibt und das allen Anschein nach auch noch so meint: "Allerdings gibt es, zum Glück, auch keine Pflicht, die exakte Bebilderung einer textlichen Vorlage abliefern zu müssen, nur um Fans zufriedenzustellen..."
Ja, schon, aber dann soll man ehrlich sagen das es einem nur um das beschissene Geld geht. Denn wenn es ja nur darum geht, dann hätten die Fans doch sogar noch mehr Anrecht darauf, immerhin hadn't die ha since Bücher über 80 Millionen Mal gekauft.
Aber egal, Pratchett ist tot, also kann man ja jedem zujubeln der seine Werke verschandelt, und am besten noch seine Fans beleidigen. Wir bösen Pratchett Puristen, die nunmal nicht jeden Dreck der Amis fressen wollen. Wir bösen Fans, die Terry Pratchett erst zu dieser Berühmtheit gebracht haben. (die ihm ja nie so wirklich wichtig war, aber sicher, lasst ihn uns Nach seinem Tod in Rampenlicht drücken)User 1826897 schrieb am 22.05.2024, 20.58 Uhr:
Keine Ahnung, ob Sie das noch lesen oder Ihr Account noch gilt - wenn Sie als "böser Pratchett Purist" es besser machen zu können meinen, tun Sie das - die Bücher, die Sie hoffentlich auch gekauft haben und nicht etwa gestohlen, haben TP immerhin auch ein Auskommen ermöglicht ... wenn Sie ausschließlich ehrenamtlich arbeiten, juhu, großes Extralob, was sind Sie für ein/e Kerl/In, das macht nicht jede/r! Respekt!
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