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Geglückte Verfilmung von Margaret Atwoods Kult-Roman
Elisabeth Moss als Ofred in "The Handmaid's Tale"
Hulu
TV-Kritik/Review: "The Handmaid's Tale": Elisabeth Moss glänzt in beängstigender Zukunftsvision/Hulu

Im Alten Testament hießen sie Hagar, Bilha und Silpa: Mägde, die den israelitischen Erzvätern Abraham und Jakob als Nebenfrauen und Leihmütter dienten. "Sie soll auf meine Knie gebären, dann komme ich auch durch sie zu Kindern", sagt Rachel, Jakobs unfruchtbare Frau, im Buch Genesis über Bilha.

Auf diese Überlieferung gründete die kanadische Schriftstellerin, Feministin und Polit-Aktivistin Margaret Atwood ihren wohl berühmtesten Roman, die Science-Fiction-Dystopie  "The Handmaid's Tale" (deutsch: "Der Report der Magd"), erschienen 1985. Atwood ersann darin eine in unbestimmter (aber nicht fern scheinender) Zukunft existierende Diktatur auf ehemals US-amerikanischem Boden, eine patriarchalische, von christlichen Fundamentalisten geführte Theokratie namens Gilead, die aufgrund fortgeschrittener Umweltzerstörung unter grassierender Unfruchtbarkeit leidet. Die wenigen Frauen, die noch gebärfähig sind, werden unter dem alttestamentarischen Euphemismus "handmaid" (Magd) als Leihmütter versklavt. Verteilt in die wohlhabenden Villen der neofaschistischen Führungsschicht, müssen sie ihrem Herr, dem sogenannten "Commander", sexuell und als Gebärmaschine zur Verfügung stehen - in Vertretung der Frau des Hauses. Ihre "Arbeitsnamen" kennzeichnen ihren Status als Besitzstand: Sie heißen Offred, Ofglen oder Ofwarren. "Of Fred" meint: "gehört Fred".

Sollte es mit einer Schwangerschaft nicht klappen, werden sie wie alle anderen "Unfrauen" (Nonnen, Lesben, Unfruchtbare) in die schwer kontaminierten "Kolonien" strafversetzt, wo sie nach ein paar Wochen Fronarbeit der sichere Verstrahlungstod erwartet. Atwoods Protagonistin - Offred - ist eine solche Handmaid. Der Roman erzählt, wie sie mit ihrem Status als Leibeigene des Commanders Fred Waterford umgeht, wie sie sich langsam Freiheiten erobert und am Ende brutal emanzipiert - mit ungewissem Ausgang.

"The Handmaid's Tale" macht da weiter, wo die zwei berühmtesten dystopischen Romane ("Schöne neue Welt" von Huxley und "1984" von Orwell) aufhörten. Die Erzählung ist spürbar von der ökologischen Apokalyptik der Achtziger geprägt, die Perspektive eine dezidiert feministische. Die ausformulierte Kritik am Patriarchat macht das Buch in Trump Country (Florida, Texas etc.) zur viel verhinderten Schullektüre. Weil das Buch über weite Strecken durch den inneren Monolog der erzählenden Handmaid geprägt ist, gestaltet sich eine filmische Umsetzung schwierig. Das beweist auch Volker Schlöndorffs seltsam fade Erstverfilmung (1990), die trotz Drehbuch von Star-Dramatiker Harold Pinter und prominenter Besetzung (Natasha Richardson als Offred, Robert Duvall als Commander, Faye Dunaway als seine Frau) als gescheitert gilt.

Yvonne Strahovski als Serena Joy in "The Handmaid's Tale"
Yvonne Strahovski als Serena Joy in "The Handmaid's Tale"

Umso großartiger deshalb, was Barry Miller nun für das Video-on-Demand-Portal Hulu daraus gemacht hat. Mit einem beeindruckendem Cast brachte der ehemalige Produzent von  "The 100" und  "Emergency Room" den seltenen Glücksfall einer Literaturverfilmung auf den Weg, die dem Geist der Vorlage durchgängig treu bleibt und dabei in jeder Szene wirkungsvolle Aussagen über unsere Gegenwart trifft - und über mögliche Zukünfte, die uns drohen könnten, wenn wir nicht aufpassen.

Dabei sind, neben Miller, zwei Personen gar nicht genug zu rühmen: erstens Elisabeth Moss, die hier nach  "Mad Men" und  "Top of the Lake" in ihrer dritten großen Serienhauptrolle zu bewundern ist. Sie spielt Offred, und die Serie ist buchstäblich zentral auf die fokussiert: Kaum je haben Close-Ups vom Gesicht einer Protagonistin so viel Raum eingenommen. Das Kunststück ist dabei, dass dies nie eitel wirkt (immerhin produzierte Moss auch mit). Im Gegenteil, noch die winzigsten Regungen in Moss' Gesicht, die kleinsten Bewegungen ihrer Augen und Mundwinkel, erzählen die psychologische Ebene der Geschichte maßgeblich mit. Offreds Gedankenwelt wird zudem ausgiebig per Voice-Over transportiert - normalerweise ein ungelenkes dramaturgisches Mittel, hier indes erstaunlich wirkungsvoll, da das gesprochene Wort (darunter viele Originalpassagen aus dem Roman) Moss' Spiel ideal ergänzt. Und andersherum. Nie wirkt es gestelzt. Die Monstrosität dessen, was Offred widerfährt, spiegelt Moss in einem ebenso hochemotionalen wie nuancierten, pure Verzweiflung wie auch kontrollierte Selbstbeherrschung mühelos vereinenden Spiel. Sie ist besser denn je - und das will was heißen.

Die zweite zu preisende Person ist Regisseurin Reed Morano, die die ersten drei der insgesamt zehn Folgen umfassenden ersten Staffel inszenierte. Morano hat vor zwei Jahren einen sehenswerten Film gedreht ("Meadowland" mit Moss in einer Nebenrolle), der es nicht in deutsche Kinos schaffte, ansonsten ist sie aber vor allem als gefragte Kamerafrau für Film und Serie (zuletzt  "Vinyl",  "Divorce" und  "Looking") ein Begriff: Das Gespür für optische Effektivität zieht sich denn auch deutlich durch die ersten Folgen, die die fruchtbarkeitsbesessene Diktatur Gilead anhand weniger beklemmender Schauplätze etablieren (die neo-bourgeoisen Villas der Commander, das Ausbildungs- und Indoktrinationszentrum, eine Stadtmauer, an der unerwünschte Personen, also Dissidenten, Wissenschaftler und Schwule aufgehängt werden). Immer wieder sucht sie die Vogelperspektive, als ob Gott im Himmel fassungslos hinunterblickte auf das, was die Frömmler da in seinem Namen anrichten - etwa, wenn sich die Handmaidens zu einer Massenexekution treffen.

Immer wieder gibt es zudem Rückblenden in Offreds früheres Leben in Prä-Gilead-Zeiten, als sie noch June hieß, mit ihrer Freundin Moira (Samira Wiley, Poussey aus  "Orange is the New Black") herumalberte und eine Familie hatte - mit Ehemann Luke (O.T. Fagbenle,  "The Five") und der kleinen Tochter Hannah. Hier wählt Morano lange, beunruhigende Kamerafahrten, ganze Plansequenzen, in die sich erst nur am Rande, später umso nachdrücklicher die Symptome jenes Bürgerkrieges offenbaren, der irgendwann zur Gründung von Gilead geführt haben muss. Schon die erste Szene der Pilotepisode führt direkt in medias res, mit einer Suspense-Sequenz, in der June und Luke von Gilead-Schergen durch den Wald gehetzt werden, bis sie June ihre Tochter entreißen. Die auch Jahre später nicht begrabene Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Hannah dient als Hauptmotivation für Offred, ihr Leben als Handmaid zu ertragen.

In der ersten Szene als Offred wird Moss dann ins Bild gefasst wie auf einem Gemälde von Vermeer: Sie sitzt im Gegenlicht des Fensters ihrer mönchszellenkargen Stube, gehüllt ins typische Handmaid-Kostüm: menstruationsblutrotes Kleid und keusche weiße Haube. In den Ausstattungsdetails hält sich die Serie ebenso an die Vorlage wie der Plot, der in der ersten Staffel ungefähr die Romanhandlung abdecken dürfte und in der inzwischen bestätigten zweiten Staffel darüber hinausgehen wird. Dass sich unter den Handmaids eine Résistance bildet, wird im Roman wie auch zu Beginn der Serie bereits angedeutet: Das wäre ein guter Anknüpfungspunkt.

Neben Moss und Wiley glänzen auch die weiteren Darsteller: Yvonne Strahovski ( "Chuck") spielt mit nur vermeintlicher Eiseskälte die Commander-Ehefrau Serena Joy. Ziemlich rasch wird klar, dass Offred und sie nur wenig unterscheidet in der Zurücksetzung alles Weiblichen. Die diversen Blickwechsel von Moss und Strahovski sind Lehrbeispiele nuancierten Schauspiels. Die Szenen, in denen der staatlich verlangte Geschlechtsakt gezeigt wird, gehören dabei sicherlich zum Groteskesten, was in jüngster Zeit auf Screens und Leinwänden zu sehen war: Während der Commander Offred penetriert, liegt deren Kopf auf Serena Joys Schoß. Offred dient in dieser Konstellation als verlängerte Vaginalprothese - als Gebärmutter mit lästigem Körper dran. Glücklich sieht denn auch keiner der Beteiligten aus. Sollte es tatsächlich zu einer Schwangerschaft kommen - wie bei Offreds Schicksalsgenossin Ofwarren (renitent und gut: Madeline Brewer) ­- versammeln sich die anderen Handmaidens der Gegend zu einem gemeinschaftlichen Ritual, an dessen Ende das Baby - natürlich "auf den Knien" der Dame des Hauses - geboren wird.

"Shakespeare in Love"-Star Joseph Fiennes lässt derweil als Commander Fred durchscheinen, dass die bigotten Verpflichtungen eines Lebens in Gilead keineswegs ins Glück führen. In der famosen Szene, in der Fred und Offred heimlich gemeinsam Scrabble spielen, deutet sich erstmals an, welches mögliche Empowerment in der vermeintlich Versklavten schlummert. Das Machtgefüge bekommt Risse, Freds Chauffeur Nick (Max Minghella, "Agora") bringt sich als Komplize ins Spiel.

Alexis Bledel als Ofglen in "The Handmaid's Tale"
Alexis Bledel als Ofglen in "The Handmaid's Tale"

Zwei Darstellerinnen müssen noch gesondert hervorgehoben werden, erstens die immer tolle Ann Dowd ( "The Leftovers"). Sie glänzt als Aunt Lydia, Chefausbilderin aller Handmaidens, die wie eine stalinistische Indoktrinationsmatrone mit Haaren auf den Zähnen und Elektroschocker in der Hand ein beängstigendes Regiment führt, das Tinder und die Pille zur Ursünde erklärt. Herausragend zudem: Alexis Bledel (Rory von den  "Gilmore Girls"), die als Handmaid Ofglen zu Offreds Vertrauter wird. Ihr atemberaubender Auftritt in der dritten Episode zählt fraglos zu den Höhepunkten dieses Serienjahres.

"The Handmaid's Tale" ist mehr als Science-Fiction. Die Rückblenden in Offreds/Junes frühere Lebenswelt, die verdächtig nach einer liberalen westlichen Gesellschaft unserer Gegenwart aussieht, deuten immer wieder an, welchen Anfechtungen unsere Zeit ausgesetzt ist - durch extremistische Eiferer jeglicher Couleur (religiöser wie politischer). Die Wahl des Sexisten und Klimawandelleugners Donald Trumps zum US-Präsidenten, die in die Drehzeit der ersten Staffel fiel, lässt Gilead als nachtfinstere Zukunftsperspektive nun noch realistischer aussehen als ohnehin schon. Beim Zuschauen sorgt das für regelmäßiges Frösteln - genau wie die sarkastisch kommentierend eingesetzten Popsongs von Lesley Gore bis zu den Simple Minds. Leichte Kost ist diese Serie nicht. Klar ist dennoch: Auf "The Handmaid's Tale" wird es in Zukunft verdientermaßen Emmys und Golden Globes regnen. Ob sich der brillante Eindruck der ersten Folgen im Lauf der Staffel noch etwas relativiert, bleibt natürlich abzuwarten. Es gibt aber keine, wirklich keine Anzeichen, dass das so kommen könnte.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "The Handmaid's Tale".

Meine Wertung: 4.5/5
Gian-Philip Andreas © Alle Bilder: Hulu

Der Video-on-Demand-Dienst Hulu stellt derzeit eine Folge pro Woche von "The Handmaid's Tale" zum Abruf bereit. Insgesamt wird die erste Staffel aus zehn Folgen bestehen. Ein deutscher Sender ist noch nicht bekannt.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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Leserkommentare

  • Sentinel2003 schrieb am 08.05.2017, 17.55 Uhr:
    Ich stehe garnicht auf solche Historien Filme und Serien, deswegen freue ich mich lieber auf Staffel 2 von Top of the Lake!