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TV-Kritik/Review: "Gypsy": Naomi Watts glänzt in behäbiger Psychostudie

(29.06.2017)

Spätestens seit sich Tony Soprano bei Dr. Jennifer Melfi in Behandlung begab und Gabriel Byrne in

Der Kniff ist nun, dass es um diese drei Patienten primär nicht geht. Deren Darsteller können einem deshalb fast leidtun, denn genauso gelangweilt, wie Jean ihren Ausführungen lauscht, so peripher kümmert sich Autorin Lisa Rubin um sie. Viel eher interessiert sie sich für die Abwege, auf die sich Jean nun begibt. Warum sie das tut? Der Voiceover, mit dem sich die Protagonistin vorstellt, winkt heftig mit dem Zaunpfahl: "Ich habe immer geglaubt, dass alle Menschen ihr Leben selbst bestimmen", sagt sie. "Aber es gibt eine Kraft, die stärker ist als der freie Wille: das Unterbewusstsein."
Prompt steigt sie die Stufen zu einem hippen Coffeeshop hinunter, dessen Name sogar noch heftiger mit dem Zaunpfahl winkt: "Rabbit Hole" heißt der Laden, und wie Alice durchs Kaninchenloch ins Wunderland hinunterstürzt, landet Jean in der Parallelwelt ihrer eigenen Versuchungen. Sie nennt sich fortan "Diane" und schmeichelt sich ins Leben der dort als Barista jobbenden Sängerin Sidney (Sophie Cookson), eben jener Frau, über die Patient Sam nicht hinwegkommt. Im Laufe der ersten beiden Episoden gerät Jean/Diane immer näher mit Sidney aneinander, sie folgt der jungen Frau ins Nachtleben, eine Affäre entspinnt sich, die erst (vorläufig) abgewürgt wird, als Sidney der gefälschten Identität ihrer Verehrerin auf die Spur zu kommen droht. Auch den Bezugsfiguren ihrer anderen Patienten steigt Jean hinterher; mit Claires Tochter Rebecca (Brooke Bloom, "She's Lost Control") etwa befreundet sie sich beim Friseur.
Worauf Rubin mit "Gypsy" hinauswill, ist leider allzu schnell erkennbar - das ist das große Manko dieser Serie. Wann werden die Patienten merken, dass ihre Therapeutin ihr Vertrauen missbraucht? Laufen Sie sich irgendwann über den Weg? Wann wird Gatte Michael dahinterkommen, dass Jean ein Doppelleben führt? Und wann wird Jean selbst an dem Punkt sein, an dem sie sich für oder gegen ihr bisheriges Leben entscheiden muss? Es ist wahrscheinlich, dass diese Dinge eintreten werden - die Frage ist bloß, wann. Wenn man den narrativen Möglichkeitsraum einer Serie allerdings so früh überblicken kann, verheißt das in der Regel nichts allzu Gutes.
Woran es "Gypsy" - zumindest eingangs - mangelt, sind Überraschungen, und das betrifft auch die gestalterische Ebene. Regisseurin Sam Taylor-Johnson ("Fifty Shades of Grey") inszeniert klar und unprätentiös, aber auch wenig markant. Einen die Serie kennzeichnenden Look sucht man vergebens. Das Erzähltempo ist langsam, ohne dass aus dieser Langsamkeit ein Mehrwert entspränge. Immer wieder wirken zudem Details unstimmig - zum Beispiel der Besuch in einem betonkühlen Techno-Kellerclub, der wohl verrucht wirken soll, aber eher dadurch amüsiert, dass man sich dort auf spärlich besetzter Tanzfläche in gedämpfter Zimmerlautstärke unterhalten kann.
Mag sein, dass Rubin gepfefferte Twists in der Hinterhand hat, zu hoffen wäre es. Bislang überzeugen indes eher die Nebensächlichkeiten. In einem Subplot etwa geht es um Jeans kleine Tochter, die offenbar lieber ein Junge wäre - was zu Scharmützeln mit den Eltern der anderen Schulkindern führt und Jeans Rolle einer engagierten Nachbarschaftsmutter torpediert. Oder die Tatsache, dass auch Michael mit der ihm zugewiesenen Rolle eines glücklichen Familienvaters hadert: Am Ende der zweiten Folge sitzen die Eheleute nachts auf dem heimischen Designersofa, sie sind sich ehrlich zugetan, und doch lassen beide entscheidende, kompromittierende Details ihres Tagesablaufs weg. Das ist ein anrührender Moment, der die Charaktere (be-)greifbar macht. Was bislang weniger gut funktioniert, ist das dramaturgische Spiel mit den Informationen, auf die Jean Zugriff erhält: Das, was sie von ihren Patienten über deren Bekannte erfährt, nutzt die Therapeutin, um mit diesen Kontakt zu schließen; und das, was sie wiederum von diesen über ihre Patienten erfährt, nutzt sie in den Therapiestunden, um die Patienten entsprechend zu "lenken". Das klingt reizvoll, doch die Serie steht sich selbst im Weg, weil die Patienten kaum Profil gewinnen.
So ergibt sich das Bild einer sehr ambitionierten Charakterstudie, die gezielt mit Elementen aus Psychothriller und Satire operiert und zudem viel Frauenpower vor und hinter der Kamera (und auf dem Soundtrack) versammelt, die sich aber noch nicht so ganz gefunden hat. Auch der Sinn des Titels erschließt sich zunächst nicht, nur über den Titelsong, eine Neuaufnahme des Fleetwood-Mac-Heulers "Gypsy" von Stevie Nicks.
Dass man dennoch einen Blick riskieren sollte, das liegt an der Hauptdarstellerin: "King Kong"-Star Naomi Watts ist schon oft als darstellerisches Leichtgewicht verkannt worden, dabei beweisen ihre x-fach prämierten Auftritte in Filmen wie "21 Gramm" ebenso das Gegenteil wie ihr Durchbruch in "Mulholland Drive" von David Lynch - in dessen kongenialer
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Folgen von "Gypsy".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Alison Cohen Rosa/Netflix
Über den Autor
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Leserkommentare
oberwolf schrieb am 06.07.2017, 16.32 Uhr:
Endlich einmal eine Review der ich zustimmen kann. Was mich aber nicht davon abgehalten hat in den BINGE Modus zu verfallen, mir die Nacht um die Ohren zu schlagen und mir alle 10 Folgen auf einmal reinzuziehen. Natürlich spitzt sich die Entwicklung zu und deshalb MUSS es eine zweite Staffel geben auf die ich mich heute schon freue.
Natürlich stimmt es das es manchmal etwas langsam zugeht aber mich hat Naomi Watts so in den Bann gezogen das ich das der Serie nachsehe.
Wie immer ist ein Review subjektiv und des wird einige geben die es anders sehen. Manche finden ja alles doof andere alle gut. Auf alle Fälle zahlt sich ein reinschnuppern aus meiner Sicht auf alle Fälle aus.
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