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TV-Kritik/Review: "Them": Wütende Rassismus-Anklage im Horrorgewand

(15.04.2021)

Für die Emorys soll ein neues Leben beginnen: Aus Chatham County in North Carolina ziehen sie 1953 nach Kalifornien. Für die schwarze Familie ist er der Versuch, der Rassentrennung in den US-Südstaaten zu entkommen - doch es wird eine Fahrt vom Regen in die Traufe. Die Nachbarschaft in East Compton ist ausschließlich weiß und beginnt sofort damit, die neuen Nachbarn zu terrorisieren. Und dann spukt es auch noch im neuen Haus! Mit seiner neuen Anthologieserie
Aus einer blutroten Kreisblende heraus, die aus Gruselfilmen der Hammer-Studios oder einem italienischen Giallo-Thriller stammen könnte, eröffnet der Prolog in North Carolina. Protagonistin Lucky Emory (stark: Deborah Ayorinde) ist mit ihrem Baby allein zu Haus, ihr Mann Henry (Ashley Thomas aus
Immer wieder wird im Folgenden auf das Vergangene angespielt. Von einer psychischen Erkrankung Luckys ist die Rede, auch Henry ging und geht es nicht gut. An ihm (und anderen schwarzen US-Soldaten) wurden während des Zweiten Weltkriegs Nervengasexperimente durchgeführt, noch immer leidet er an Panikattacken. Aber kann Kalifornien die Lösung sein? Die Emorys zählen zu den ungefähr sechs Millionen Afroamerikanern, die ab 1916 bis in die späten 1960er-Jahre hinein aus den US-amerikanischen Südstaaten in den Norden und Westen der USA umsiedelten. Diese "Great Migration" war eine Reaktion auf die Rassentrennung im Süden, die das Leben der schwarzen Bevölkerung nicht nur gefährdete, sondern auch in nahezu allen Bereichen erschwerte, somit auch berufliches Fortkommen unmöglich machte.

Doch selbst in East Compton, im Windschatten von Los Angeles, ist die Lage anno 1953 nicht viel besser als im sogenannten "Jim Crow South" - wie Henry, der dort als Ingenieur arbeiten möchte, und seine Familie direkt nach ihrer Ankunft in 3011 Palmer Drive erfahren müssen. Die Klausel im Kaufvertrag des neuen Hauses, die explizit Menschen mit negro blood als Käufer ausschließt, von der Maklerin aber verdächtig schnell als unwichtig bezeichnet wird, ist nur der erste Widerhaken. Den Rest besorgen die adretten, weißen Nachbarn. Betty Wendell (Alison Pill) aus dem Haus gegenüber führt ein Geschwader von Hausfrauen ins Mobbing-Feld, die im Zuzug der schwarzen (von ihnen als kriminell eingestuften) Familie in das pastellgrün-rosa-gelb angepinselte Viertel den ersten Schritt hin zum Niedergang wittern. Die Damen setzen sich mit Tisch und Stuhl vor die Einfahrt der Neuankömmlinge, beschallen das Haus mit rassistischem Liedgut. Wie immer in solchen Fällen dauert es nicht lange, bis die Gewalt handfester wird.
"Covenant" (Abkommen, Vereinbarungsklausel) lautet der Untertitel dieser ersten Staffel einer auf mehrere Staffeln angelegten neuen Anthologieserie von Prime Video. Im Zentrum steht die Grundlage diskriminierenden Denkens: die Wegsortierung derjenigen, die nicht den als "normal" oder "zugehörig" eingestuften Kategorien entsprechen. "Wir" gegen "sie", auf Englisch: us vs. them. Spätestens beim Wort "Us" muss man an den gleichnamigen Film des Comedians und oscarprämierten Regisseurs Jordan Peele denken, der in den letzten Jahren mit ebenjenem Film (

Daran knüpft nun auch Little Marvin an, der bislang in Film und Serie noch kaum in Erscheinung getretene Autor von "Them", doch anders als Peele, dessen Werke immer auch auf abgründigen Humor setzten und somit als Entertainment durchgingen, geht Marvin nun keinerlei Kompromisse mehr ein, wenn es darum geht, den Rassismus der weißen Mehrheitsgesellschaft auszumalen. Betty Wendell und ihre Freundinnen wirken wie die Stepford Wives im Kampf gegen den "schwarzen Schimmel" (black mold), wie sie die Emorys bezeichnen. Als gleichgeschaltete Einheitsfront gegen das Fremde, sich selbst fratzenhaft zulächelnd, sind sie den neuen Nachbarn in sofortiger Feindschaft verbunden. Alison Pill legt Betty dabei als Variante jener äußerlich püppchenhaften, innerlich eiskalten Blondinen an, die sie zuletzt so häufig spielte (etwa in
Der Rassismus begegnet den Protagonisten allerdings nicht nur zu Hause, sondern quasi überall: Ingenieur Henry muss im neuen Job die Herablassungen des Vorgesetzten (P.J. Byrne aus

Das Porträt einer schwarzen Familie im nur oberflächlich aufgeräumten Fünfzigerjahre-Amerika hätte sicher schon alleine eine spannende Serie ergeben können, in "Them" aber lauert das Grauen zusätzlich im Inneren - ganz buchstäblich und zusätzlich noch im psychologischen Sinn. Sowohl der kriegsversehrte Henry als auch die offensichtlich am Tod (oder Verschwinden) ihres dritten Kindes fast zugrunde gegangene Lucky starren immer wieder in ihre seelischen Abgründe, lassen sich zu irritierendem Verhalten hinreißen: Henry wirft Obstkuchen an die Wand, weil er ihn zu sehr an den süßlichen Duft des Nervengiftes erinnert, Lucky fuchtelt nach den ersten nachbarlichen Attacken auf offener Straße mit einer Pistole herum. "Them" spielt emotional von Anfang an am Anschlag. Schon nach einer Stunde ist eine so hohe Eskalationsstufe erreicht, dass man sich kaum vorstellen kann, wie sich der Plot noch weitere neun Episoden hochschaukeln soll.
Ein bisschen mehr Luft zum Atmen wäre definitiv sinnvoll gewesen. Doch "Them" ist noch dazu auch eine waschechte Horrorserie mit klassischen Schreckeffekten und Budenzauber. Alle möglichen aus Stephen-King-Romanen und Spukhaus-Filmen bekannten Motive tauchen auf: das getötete Haustier, der dunkle Keller mit Geheimnis, eine hagere Gruselgestalt, die nur der kleinen Tochter Gracie (toll: Melody Hurd) erscheint, ein mysteriös blutendes Grab im Garten. Wehrt sich das Haus - als Symbol der Umgebung, in der es sich befindet - aktiv gegen die Familie?

Die Ton-Ebene läuft dazu meist Amok, und wenn es mal ganz kurz still ist, folgt garantiert ein jump scare. Diese Schockmomente sind so effektiv, dass sie selbst abgebrühten Betrachtern das Heißgetränk von der Untertasse fegen. Regisseur Nelson Cragg (bislang vor allem als Kameramann aus dem Serienuniversum von Ryan Murphy bekannt) zieht auf eklektische Weise alle Register: Mal werden die Bild- und Style-Techniken älterer B-Horrorfilme bedient, dann wird mit Split-Screens und kreiselnden Draufsichten herumgespielt. Immer wieder verwirbeln die Realitätsebenen, und ein Soundtrack aus lauter zuckersüßen Popsongs von Patti LaBelle über die Delfonics bis Michael Jackson kommentiert gezielt sarkastisch das abgründige Geschehen in der trügerisch heilen Vorstadtwelt.
Dass die Songs anachronistisch eingesetzt werden, unterstreicht die Zeitlosigkeit der antirassistischen Anklage, die die Macher um Little Marvin hier im Sinn hatten. Doch so virtuos das alles inszeniert ist, so stark die Besetzung ist (in Nebenrollen tauchen etwa Derek Phillips aus
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Them".
Seit dem 9. April ist "Them" in Deutschland lediglich in einer Version mit englischem Originalton verfügbar. Die Veröffentlichung der Synchronfassung soll am 23. Juli 2021 erfolgen.
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