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TV-Kritik/Review: US-Serienpreview: "Big Love"
(19.07.2009)

Alle Familienangehörigen sind Mitglieder einer im Ort angesiedelten religiösen Sekte, die vermutlich der real existenten "Fundamentalist Church of Jesus Christ of Latter Day Saints" (FLDS) nachempfunden ist, einer Abspaltung der Mormonen. Während die offizielle Mormonenkirche - präziser gesagt, die "Church of Jesus Christ of Latter Day Saints" - bereits seit 1890 keine Polygamie in eigenen Reihen duldet, sind die FLDS-Anhänger - die sich laut Gerichtsurteil nicht Mormonen nennen dürfen - der Ansicht, dass Gott den Auftrag zur Polygamie erteilt habe. Die Mormonen haben in den USA wegen der Verwechslungsgefahr und der damit verbundenen Befürchtung, die Serie könnte bis heute existierende Klischees und Vorurteile manifestieren, gegen die Serie protestiert. HBO hat daraufhin einen erklärenden Hinweis an das Ende jeder Episode gesetzt, der bei der deutschen TV-Ausstrahlung auf 'TNT Serie' samt Abspann herausgeschnitten worden ist (Der Sender hält allgemein nicht viel von Serienabspännen.).

Die meisten Mitglieder der (Serien-)Sekte leben in einem abgeriegelten Camp, viele nehmen aber am Gemeindeleben des konservativen Städtchens teil, bisweilen mit großem Einfluss. In einem Bericht, den die Henricksons im Fernsehen sehen, wird die Bewegung als "zweitgrößte Polygamie-Sekte in Utah" bezeichnet. Ihr Anführer ist der "Prophet" Roman Grant, Vater von 31 Kindern und Großvater von 187 Enkelkindern. Er ist die finsterste Figur in "Big Love" und wird von David Lynchs Stammdarsteller Harry Dean Stanton angemessen gespenstisch verkörpert. Im Sektencamp scheint die Zeit seit 1890 stehen geblieben zu sein: Die Mitglieder wohnen in Holzhäusern und tragen einen altmodischen "Prärie-Look". Die Henricksons dagegen leben in einer normalen Vorstadtsiedlung und gehen nicht auf Distanz zum weltlichen Geschehen. Vor ihrem Umfeld halten sie ihre familiäre Struktur geheim. Ein Skandal würde Bills berufliche Karriere zerstören, die Familie würde auseinander fallen. Daher ist Bill offiziell nur mit Barb verheiratet. Auch die Kinder müssen in der Schule das Familiengeheimnis wahren. Bis auf Zweitfrau Nicolette, eine Tochter des "Propheten", sind die Henricksons deutlich weltoffener als die Bewohner des Camps, lösen können sie sich aber von ihrer Sekte nicht. Bills Bruder und seine Eltern leben im Camp und einen Teil seines Einkommens muss er an Sektenführer Roman abtreten. Aus den Reihen der Kinder bekommt vor allem Teenager-Tochter Sarah, gespielt von Amanda Seyfried ("Veronica Mars"), viel Raum in den ersten Episoden. Sie steht zwischen den Stühlen, zwischen irdischen Gelüsten und strengem Sekten-Leben und sucht nach Orientierung. Ihre beiden besten Freundinnen, mit denen sie gemeinsam in einem Fast-Food-Restaurant jobbt, sind das Engelchen und Teufelchen auf ihrer Schulter: Die eine macht sich über die strengen Moralvorstellungen der Sekte lustig und nimmt Sarah mit zu ihrem ersten Teenager-Besäufnis. Die andere wohnt im Sektencamp und soll an ihrem 16. Geburtstag verheiratet werden. Sie bewährt sich als moralischer Rückhalt und kämpft um ihre Freundschaft mit Sarah, die nichts vom polygamen Verhältnis ihrer Eltern hält und sich zunehmend von den Vorstellungen der Sekte distanziert.

Aus dem Versteckspiel vor der Gesellschaft und den Beziehungen der drei Frauen untereinander ergeben sich viele klassische "Desperate Housewives"-Momente. Die Akzeptanz der Vierer-Beziehung ist die einzige Gemeinsamkeit der Frauen, ansonsten kommt es immer wieder zu kleinen Revierkämpfen und Rangeleien rund um die Frage, wer denn bei Bill die eigentliche Nr.1 ist. Wenn es darauf ankommt, das Familiengeheimnis zu wahren und beispielsweise die Nachbarn in die Irre zu führen, halten aber alle fest zusammen. Bill ist dabei in einer eher passiven Rolle. Mit seiner Arbeit ist er ohnehin überlastet und oft froh, wenn er weiß, in welches der drei Häuser er sich begeben muss, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Mit Bill Paxton ("Ein einfacher Plan", "Dämonisch"), der vielleicht gerade wegen seiner Unscheinbarkeit bisweilen unterschätzt wird, ist die Rolle hervorragend besetzt. Ansonsten beweisen die Verantwortlichen auch viel Humor, wenn sie die Figuren gegen den Strich besetzen, was vor allem für Chloë Sevigny gilt, die bekannt ist für eine höchst gewagte Rollenauswahl. Als 20-jährige debütierte sie in Larry Clarks Skandalfilm "Kids" und schreckte später selbst vor einer expliziten Oralsex-Szene in Vincent Gallos "The Brown Bunny" nicht zurück. Sie in einer so knochenkonservativen Rolle, in züchtigen Kleidern verhüllt, zu sehen ist durchaus reizvoll.
Sex spielt in "Big Love" eine große Rolle. Die Bilder sind relativ freizügig, auch in den Dialogen geht es nicht immer jugendfrei zur Sache. Die Szenen dienen dabei keineswegs dem Erotik-Amüsement des Zuschauers, sie verleihen der Serie die notwendige Authentizität, denn viele Konflikte innerhalb der unkonventionellen Familie drehen sich um das Thema Sex. Dazu zählt die Frage, wie die Frauen mental damit umgehen, dass ihr Mann auch mit anderen Partnerinnen schläft. Hier werden klare Regeln aufgestellt. Werden diese umgangen, zählt das als Betrug. Moralische Fragen und religiöse Hintergründe stehen in "Big Love" allerdings nicht im Vordergrund. Gegenüber dem Thema Polygamie verhalten sich die Autoren so wertneutral wie möglich. Das Lebensmodell der Henricksons wird weder verdammt noch beschönigt. Ähnlich wie bei den "Sopranos" - und auch ähnlich gut gelungen - skizziert die Serie eine Familie mit "dunklem" Geheimnis, deren Mitglieder aber abseits dieses Aspekts ein verblüffend normales Leben führen. Man kann die Lebensweise der Henricksons rundherum ablehnen und trotzdem Interesse oder gar Anteilnahme empfinden. Letztlich unterscheiden sich die Beziehungsprobleme und Alltagsnöte der Familie kaum von denen herkömmlicher Paare. Löst man "Big Love" aus dem Polygamie- und Sektenkontext, bietet die Serie durchaus Diskussionsstoff zum Thema "offene Beziehungen". Was die Henricksons hier untereinander mit großer Offenheit und Ehrlichkeit praktizieren, ist kein allzu großer Gegensatz zur Promiskuität in klassischen Zweier-Beziehungen - die aber meist in Form heimlicher Affären ausgelebt wird. "Big Love" gewährleistet einen Schlüssellochblick auf dieses polygame Modell und überlässt es dem Zuschauer, selbst zu entscheiden, wie gut oder schlecht das funktionieren kann. "Big Love" ist somit in erster Linie ein Plädoyer für Toleranz. Ein Plädoyer, das auch noch bestens unterhält.
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