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TV-Kritik/Review: "Concordia - Tödliche Utopie": Sci-Fi-Krimiserie mit Christiane Paul bietet viel Style und zu wenig Substanz
(13.09.2024)
Künstliche Intelligenz als Sicherheitsgarant? Mit dieser utopischen Vorstellung spielt der Science-Fiction-Krimi
Der lateinische Name sagt es schon: "Concordia", das heißt Harmonie. In Frieden und Eintracht sollen all jene leben können, die in das schwedische Städtchen nahe Göteborg ziehen, die diesem Sechsteiler seinen Titel gibt. Jeder Winkel von Concordia wird von Kameras überwacht, deren Daten allerdings nicht von Menschen gecheckt, sondern einer Künstlichen Intelligenz (AI) zugeführt werden, die daraus ihre eigenen Schlüsse zieht. Verbrechen soll es auf diese Weise nicht mehr geben, auch die Gesundheitsvorsorge wird über AI-gesteuerte Früherkennung revolutioniert. Weil auch die herbstbunten Wälder um den Ort herum so malerisch aussehen wie in einem stadtplanerischen Designertraum, steht die Frage schnell im Raum: Würden nicht auch wir gerne in dieser Utopie leben?
Interessant an "Concordia" ist allemal, dass dieses (Noch-gerade-so-)Sci-Fi-Szenario nicht sofort als Schimäre entlarvt wird; dass dieser scheinbar gewinnbringende AI-Einsatz nicht nachDie Serie, konzipiert von Nicholas Racz und Mike Walden, setzt an einem neuralgischen Punkt an. Nach 20 Jahren gilt Concordia als etabliert, jetzt soll in Deutschland, in der (fiktiven) sächsischen Kleinstadt Koplitz, ein Ableger gestartet werden. Das Projekt steht kurz vor dem Launch. Ausgerechnet jetzt wird ein Concordia-Mitarbeiter tot aufgefunden, knapp hinter der Stadtgrenze. Und dann kommt es auch noch zu einem Daten-Leak, der die Geldgeber hinter dem Projekt belastet. Kommt es zum Kollaps, platzt der Concordia-Schein?
Wenn man "Concordia" einem Genre zuschlagen sollte, müsste man das Wort "Nordic-Noir-Sci-Fi-Krimi" dafür erfinden. Tatsächlich wirkt das Ganze ein bisschen so, als habe man die zum Philosophieren einladende Prämisse fürs ZDF-Publikum nur einschmuggeln können, indem man eben auch ein bisschen Skandinavien-Krimi samt Tätersuche mit aufs Menü bringt. Während also die Polizei Göteborg die Vorkommnisse untersucht, schickt der Konzern aus London die interne Ermittlerin Thea Ryan nach Schweden: Ruth Bradley (
Die Concordia-Leute sind allesamt jung und attraktiv, und wenn sie doch mal älter als 30 sein sollten, sind sie immer noch ebenso attraktiv. Christiane Paul, spätestens seit
Die Einzige, die so etwas wie eine Entwicklung durchmacht, die enttäuscht wird, Konsequenzen zieht und als eigentliche Hauptfigur dieser sechs Episoden durchgeht, ist Isabelle Larssen. Sie fungiert als "Community Officer", eine interne Polizistin für verbrechenslose Zeiten. Die schwedische Schauspielerin Nanna Blondell (
Während Establishing Shots per Drohne mal nach Rom, London oder Göteborg entführen, ließ der Emmy-prämierte Produzent Frank Doelger, Chef der Produktionsfirma Intaglio Films und zuvor einer der Executive Producers von
Das alles sind lässliche Sünden, die eben so anfallen, wenn man einen Europudding dieser Art anrührt, in dem Regionen um Repräsentanz buhlen und kein Autor alles weiß über das, was anderswo Usus ist. Viel problematischer ist, dass die Serie in diesen sechs Dreiviertelstunden sehr viel Zeit verstreichen lässt, in der nichts sonderlich Aufregendes passiert. Es wird ein bisschen herumermittelt, ohne dass irgendwer mal an der Spannungsschraube dreht, erst ab Folge vier verdichten sich zuvor stakkatoartig hineinmontierte Erinnerungssplitter zu jenem Trauma, das der Concordia-Welt zugrunde liegt. Doch selbst das wird nicht zur Abschussrampe für einen packenden Showdown: Das Ende spult sich eher gemächlich ab. Immerhin verfügt es über so viel Ambivalenzen, wie sie das ZDF sonst die ganze Woche über nicht serviert.
Die Lust am Philosophieren und Spekulieren aber, die die Prämisse von der KI-gesteuerten Concordia-Stadt eingangs anheizt, ist der Serie da schon lange abhandengekommen. Über die Bewohner der Stadt erfährt man jenseits der einleitenden Testimonials gar nichts, der eigentliche Plot bleibt strikt auf der Meta-Ebene, also: ganz bei den Machern und ihren letztlich privaten Verwicklungen. Angedickt wird er mit weiteren Figuren, denen letztlich halbherzig gefolgt wird: Fatemah Amin (Ahd Kamel,
So geht es im Verlauf der Serie mal um Videogames mit Clou, Amokläufe mit Konsequenz, Festplatten mit Geheimnissen, Psychiater mit Skrupeln - und die Leiche vom Anfang bleibt selbstredend nicht die Einzige. Regisseurin Barbara Eder, die auch "Schwarm"-Episoden inszenierte, kleidet das Ganze in ein Übermaß an Großaufnahmen, die womöglich dort genau hinsehen wollen, wo es die Bücher nicht tun. Interieurs sehen (in der Firmenzentrale) so metallic-blau aus wie in nahezu allen Tech-Thrillern zuvor und (privat) wie in der Hygge-Abteilung eines Edel-Ikea. Das inszenatorische Grundproblem IT-zentrierter Filme kann auch sie nicht lösen: Leute, die tippen und stirnrunzelnd/entgeistert auf Screens starren, bleiben eben Leute, die tippen und stirnrunzelnd/entgeistert auf Screens starren, auch wenn die Kameraleute dabei frech das Objektiv schief halten. Die Oberfläche der KI wird gelegentlich auflockernd ins Bild gerückt, erinnert aber eher an gängige Augmented-Reality-Interfaces als an ein revolutionäres System.
Wenig geht es bei all dem sowieso um die Fragen, derentwegen viele eingeschaltet haben dürften: Wie viel Überwachung sind wir gegen welchen Gegenwert gewillt zu ertragen? An wen/was delegieren wir Verantwortung? Inwiefern bleibt absolute Sicherheit eine Illusion? Zerstört Perfektion Menschlichkeit? Wer programmiert die KI, und wird sich die KI irgendwann der Menschheit, dieser ultimativ störenden Variablen, entledigen? Solchen Gedanken soll man, scheint die Serie zu sagen, am besten selbst nachgehen und den banalen Krimiplot, dem sie nachgeht, nur als Anstoß dafür nehmen. Kein Reinfall, das alles. Aber schon ein bisschen dünn.
Dieser Text basiert auf der Sichtung des kompletten Sechsteilers "Concordia".
"Concordia - Tödliche Utopie" wird am 14. September in der ZDFmediathek auf Abruf bereitgestellt. Die lineare Erstausstrahlung im ZDF erfolgt erst am 20. und 21. Oktober jeweils im Dreierpack ab 22.15 Uhr.
Über den Autor
Leserkommentare
Frommi schrieb am 03.10.2024, 17.17 Uhr:
Ich stimme der obigen Kritik von G-P Andreas voll und ganz zu.
Mein Fazit: Langweilige Eurosoße, ähnlich schlecht gelungen wie der "Schwarm".
Auch hier verderben viele Köche den Brei oder, um im Bild zu bleiben, die Soße 😉.
Lichtblicke erkenne ich lediglich bei den Protagonisten Juliane Paul und Nanna Blondell und teilweise bei der Optik.
Zusammengefasst: Nicht zu empfehlen.
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