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TV-Kritik/Review: "Des": David Tennant fasziniert als Serienkiller mit Biedermannbrille
(28.11.2020)
Im Februar 1983 wurde die Metropolitan Police in den Nord-Londoner Stadtteil Muswell Hill gerufen: Ein Klempner hatte in einem Abflussrohr menschliche Überreste gefunden. Detective Chief Inspector Peter Jay und seine Kollegen warteten vor Ort auf den Mieter der verdächtigen Dachgeschosswohnung. Dennis Nilsen, 37-jähriger Schotte und Sachbearbeiter im Arbeitsamt Kentish Town, führte die Polizisten schließlich höflich und ohne jeden Widerstand hinauf in seine Wohnung, in der schon der Verwesungsgestank auf das hindeutete, was sich den Entgeisterten dann offenbaren sollte: Nilsen, der sich selbst stets
Nilsen hatte seine Opfer auf der Straße, in Schwulenbars und Soho-Kneipen aufgegabelt, dann auf ein paar Rum-Cola mit nach Hause genommen und dort ermordet. Danach hatte er sie neben sich in einen Sessel gesetzt und ein paar Tage oder auch Wochen mit ihnen zusammen-"gelebt". Gelegentlich verging er sich an noch an den Leichen, jedoch immer, wie er mit Nachdruck betonte, "ohne Penetration". In einem Prozess vor dem Crown Court wurde Nilsen schließlich für sechs dieser Morde zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Dennis Nilsen zählt fraglos zu den krassesten Serienmördern der britischen Kriminalgeschichte, und es war nur eine Frage der Zeit, ehe sich ITV seiner annehmen würde. Das britische Network legt seit zwanzig Jahren in loser Abfolge Miniserien über berüchtigte Killer vor, erinnert sei etwa an das tolle
Zwei Dinge ist "Des" allerdings entschieden nicht: ein Whodunit und Exploitation. Erstens beginnen die drei Teile mit dem Abflussrohr-Vorfall und der Enttarnung des Mörders, der die Taten sofort gesteht. Von diesem narrativen Zeitpunkt aus gibt es keine Rückblenden, sprich: Die Taten selbst werden nicht inszeniert, auf Säge- und Schnetzelszenen wie etwa in Fatih Akins
Es geht der Serie also nicht um eine Tätersuche, sondern um das Porträt dieses Mannes, der sich des Unrechts seines Tuns absolut bewusst ist, aber keinerlei Empathie empfindet. Im Gegenteil: Nilsen klagt mit schwer erträglicher Selbstgerechtigkeit die Gesellschaft an, die sich, bevor er selbst eingriff, kaum um die ausgestoßenen jungen Männer gekümmert habe. Der zeitgenössische Hintergrund, die sozial brutalen frühen Thatcher-Jahre in Großbritannien mit ihrer hohen Arbeitslosigkeit, wird denn auch mehrfach angeführt, allerdings auch nicht als Erklärungsmuster bemüht. Nilsen selbst lebte ein gesichertes Leben, er war ein Einzelgänger, aber durchaus in soziale Zusammengänge eingebunden. Zum Beispiel war er gewerkschaftlich engagiert.
Obwohl "Des" also True-Crime-untypisch auf die Enttarnung des Täters komplett verzichtet, zentrieren Arnold und Neal das Geschehen sehr geschickt um einen gleich dreifachen Ermittlungsplot herum. Denn um Nilsen erstens des Mordes anklagen zu können - und zwar in möglichst vielen Fällen -, mussten zunächst die Namen der Opfer her. An diese konnte sich der Mörder allerdings (entweder angeblich oder tatsächlich) nicht erinnern. Weil es sich bei den Getöteten fast ausschließlich um junge Outsider, Junkies und Obdachlose handelte, waren sie in der Regel nicht einmal als vermisst gemeldet worden, weshalb es auch keine polizeiliche Suche nach ihnen gegeben hatte. Ein Großteil der ersten und zweiten Episode dreht sich also um die Suche von Detective Chief Inspector Peter Jay (Daniel Mays aus
Die dritte Form von Ermittlung, die der Plot berücksichtigt, kreist um den Journalisten Brian Masters (Jason Watkins aus
"Des" konzentriert sich angesichts der begrenzten Spieldauer von 135 Minuten dankenswerterweise fast komplett auf den Fall. Die private Situation des schwulen Masters und des von seinen Kindern getrennt mit neuer Frau (Faye McKeever aus
All dies binden Arnold und Neal in drei knackigen, das Setting der frühen Achtziger mit seinem omnipräsenten Zigarettendunst, den dubiosen Frisuren und beschränkten Telekommunikationsmöglichkeiten perfekt heraufbeschwörenden Episoden ohne jede Länge zusammen: Diese Miniserie ist nicht nur David-Tennant-Fans und True-Crime-Aficionados uneingeschränkt zu empfehlen, sondern generell allen, die avancierte britische Krimikost mit zeitkritischen Untertönen schätzen.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der kompletten Miniserie "Des".
Die Miniserie "Des" wird in Deutschland vom Streamingdienst Starzplay am Sonntag, 29. November 2020 veröffentlicht. Starzplay ist als Channel über Prime Channels, Apple TV+ sowie über eine eigene App verfügbar.
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