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TV-Kritik/Review: "Dune: Prophecy": Schwestern an die Macht!
(17.11.2024)
Denis Villeneuve wagte etwas und gewann. Während Regiekollege Alejandro Jodorowsky seine Leinwandvision von Frank Herberts Science-Fiction-Klassiker "Der Wüstenplanet" nie in die Tat umsetzen konnte und David Lynchs Adaption des Stoffes nach Eingriffen durch die Geldgeber in einer verstümmelten Version in die Kinos kam, überzeugte der Frankokanadier, spätestens seit
In der realen Welt werden bis heute die wichtigsten Entscheidungen von Männern getroffen. Echte Gleichberechtigung scheitert leider noch immer an patriarchalen Strukturen, die in vielen Bereichen trotz aller Verbesserungen weiterhin wirksam sind. Vor diesem Hintergrund ist die Idee eines mächtigen Frauenzirkels, der im Verborgenen die Strippen zieht, Geschichte und Zukunft maßgeblich bestimmt, äußerst reizvoll. Frank Herbert hat sie in seinen mit "Der Wüstenplanet" beginnenden Romanzyklus eingearbeitet. Und sein Sohn Brian Herbert feilte sie in seinen zusammen mit Kevin J. Anderson verfassten Ergänzungsbüchern aus: Ihr Werk "Der Thron des Wüstenplaneten" (Originaltitel: "Sisterhood of Dune") ist die Inspirationsquelle der nun startenden Fernsehserie, die mehr als 10.000 Jahre vor der Geburt von Paul Atreides und damit weit vor den Ereignissen aus Villeneuves Kinofilmen spielt.
Anfangs erlebt man kurz ein
Valya erfüllt die Herabsetzung ihrer Familie jedenfalls schon als junge Frau (verkörpert von Jessica Barden) mit großer Wut und unbändigem Ehrgeiz. Eines Tages möchte sie die Ihren dorthin zurückführen, wo sie ihrer Meinung nach hingehören: in die erste Reihe. Von ihren eigenen Eltern verstoßen und von Rachegedanken getrieben, verschlägt es Valya in den Schoß einer von Raquella Berto-Anirul (Cathy Tyson) gegründeten Schwesternschaft, deren Mitglieder durch jahrelanges Training besondere hellseherische und manipulative Fähigkeiten erlangen. Auf der Agenda des Ordens steht an oberster Stelle die Züchtung eines "Kwisatz Haderach" genannten Übermenschen, eines perfekten Anführers, der unsere Spezies in eine friedliche und glorreiche Zukunft führen kann. Ein genetisches Programm dieser Art ruft fast unweigerlich Erinnerungen an die unheilvolle Eugenik der Nazis hervor, die die Weiterverbreitung von Erbkrankheiten bekämpfen sollte. Die von Raquella Berto-Anirul angestoßene Forschung soll einer guten Sache dienen, wie immer wieder, auch von Valya, betont wird. Eine Frage drängt sich dabei jedoch auf: Heiligt der Zweck alle Mittel? In der Schwesternschaft selbst herrscht darüber kurz nach dem Tod der Gründerin Uneinigkeit.
30 Jahre später steht Valya an der Spitze als Mutter Oberin und führt den Orden mit eisernen Hand. Abweichungen vom großen Plan werden nicht geduldet. Pragmatisch ist der Blick auf Opfer, die man auf dem Weg zum Ziel in Kauf nehmen müsse. Emily Watson spielt diese Frau mit grimmiger Entschlossenheit, zeigt hinter einen versteinerten Mimik nur selten Gefühle. Emotionaler, zweifelnder ist indes Schwester Tula (Olivia Williams), die die Leitung im Hauptsitz übernimmt, als Valya kurzfristig Wallach IX, den Heimatplaneten der Schwesternschaft, in Richtung Salusa Secundus verlassen muss.
Dort, auf dem Planeten von Imperator Javicco Corrino (Mark Strong) und seiner Gattin Natalya (Jodhi May), läuft nämlich nicht alles so, wie es der Orden einzufädeln gedachte. Der neunjährige Pruwet Richese (Charlie Hodson-Prior), Sohn eines für Corrino wichtigen Herzogs, wird nach der Verlobung mit der deutlich älteren kaiserlichen Tochter Ynez (Sarah-Sofie Boussnina), einer baldigen Ordensschülerin, ermordet. Der Täter: Desmond Hart (kostet seine mysteriöse Rolle lustvoll aus: Travis Fimmel), ein undurchschaubarer Soldat, der vom Wüstenplanten Arrakis an den Hof des Imperators gekommen ist. Valya bereitet vor allem Sorge, dass auch er übernatürliche Kräfte besitzt und sich ihrem Versuch der Gedanken- und Handlungskontrolle entziehen kann.
"Dune: Prophecy" bemüht sich durchaus, die wichtigsten Aspekte des mannigfaltigen "Dune"-Universums zu erklären. Kennern der Bücher und/oder Filme dürfte es aber dennoch deutlich leichter fallen, sich rasch in der Serie zurechtzufinden. Die erzählte Welt ist groß, und es tummeln sich darin zahlreiche Figuren mit unterschiedlichen Beziehungen und Intentionen. Wer auf wuchtige Kampfsequenzen hofft, wie sie in den Villeneuve-Werken auftauchen, wird vielleicht enttäuscht sein. Zumindest in den für diese Kritik gesichteten ersten vier von insgesamt sechs Folgen geht es fast nie actionreich zu. Es dominieren die Intrigen, der Kampf um die Macht in Dialogen. Die Musik, komponiert von dem seit
Optisch braucht sich die HBO-Produktion vor den jüngsten Leinwandarbeiten nicht verstecken. Imposante Bilder von den verschiedenen Planeten gibt es immer wieder zu sehen, obschon sich viele Szenen in Innenräumen abspielen. Beeindruckend etwa der Blick von einer Art Terrasse des Imperators, die wie ein halbiertes Schiff geformt ist. Ebenfalls hervorzuheben: Echte Landschaften verleihen der Serie Natürlichkeit und werden recht gut mit digitalen Effekten kombiniert.
Am meisten fasziniert aber, wie "Dune: Prophecy" die Identifikation der Zuschauer mit den Charakteren auf die Probe stellt. Immer wieder gelangt man an einen Punkt, an dem man sich fragen muss: Kann ich dieser oder jener Figur wirklich die Daumen drücken? Kann ich es gutheißen, dass die Schwesternschaft über allem stehen und der einzelne Mensch dagegen nichts bedeuten soll? Sind gewisse Handlungen, so gut die Absichten dahinter sein mögen, nicht verwerflich? Das beste Beispiel ist Valya, die schon in den ersten Minuten den moralischen Kompass verloren zu haben scheint. Interessant auch, wie in der dritten Folge über Rückblenden das bisherige Bild von Tula zu wanken beginnt und Valyas Entwicklung um überraschende Informationen ergänzt wird.
Angesichts der Fülle an Akteuren, Interessen und Motiven dürfte es für die kreativ Verantwortlichen gar nicht mal so leicht sein, in den letzten beiden Episoden alles zufriedenstellend zusammenzuführen. Gefahrenpotenzial gibt es auf jeden Fall. Womöglich wird es am Ende ein bisschen hektisch. Schon in den ersten vier Folgen gibt es Elemente, die noch etwas mehr Vertiefung vertragen hätten. In erster Linie die spezielle Beziehung zwischen Valya und ihrem Bruder, dessen Tod ihre Ambitionen und ihren Hass auf die Familie Atreides noch mehr anheizt.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten vier von insgesamt sechs Folgen der Serie "Dune: Prophecy".
In den USA läuft die erste Folge der Serie "Dune: Prophecy" am 17. November bei HBO. In Deutschland ist sie einen Tag später bei Sky Atlantic und WOW zu sehen. Die Veröffentlichung der restlichen Episoden erfolgt im wöchentlichen Rhythmus.
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Leserkommentare
User 65112 schrieb am 19.11.2024, 11.01 Uhr:
Die erste Folge hat mir bereits gut gefallen. Klar erkennbar ist, die Serie soll nach dem Rezept von Game of Throne funktionieren. Ich hoffe nur, dass die Autoren eines beachten: Intriegen allein reichen dafür nicht. Das Geheimnis von GoT liegt in seinen charismatischen Figuren. Sie haben alle eine Bruch, sie haben alle etwas zu verlieren. Schon bei House of the Dragon funktioniert das nur noch so mittelprächtig. Na, wir werden sehen ... die Anlagen sind jedenfalls da.Marcus Cyron schrieb am 18.11.2024, 01.16 Uhr:
"Vor diesem Hintergrund ist die Idee eines mächtigen Frauenzirkels, der
im Verborgenen die Strippen zieht, Geschichte und Zukunft maßgeblich
bestimmt, äußerst reizvoll." - ist das so? Oder ist es nicht eher Paranoia vor weiblicher Macht?"Sieger wie die Atreides bestimmen bekanntlich die Erzählungen. Könnte es
demzufolge sein, dass den Harkonnen tatsächlich übel mitgespielt wird?" - Äh, könnte es sein, dass Bosheit nichts genetisches ist und sich über 10.000 Jahre auch immer wieder ändert?
Mich hätte das alles ja grundsätzlich interssiert, aber hier habe ich aufgehört zu lesen. Was für ein gequirrlter Blödsinn.
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