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TV-Kritik/Review: "Manhunt: Unabomber": Historische Terroristenjagd überzeugt kreativ und schauspielerisch

True-Crime-Serie mit Paul Bettany fesselt trotz bekannten Ergebnisses
"Manhunt: Unabomber"
Discovery Channel
TV-Kritik/Review: "Manhunt: Unabomber": Historische Terroristenjagd überzeugt kreativ und schauspielerisch/Discovery Channel

Als Ted Kaczynski 1996 verhaftet wurde, fand eine der längsten Ermittlungen ihr Ende, an der sich das amerikanische FBI jemals die Zähne ausgebissen hatte. 17 Jahre lang, seit 1978, hatte Kaczynski immer wieder Bomben per Post verschickt, dabei insgesamt 23 Menschen meist schwer verletzt sowie drei Menschen getötet. Viele seiner Opfer arbeiteten an Universitäten oder für Fluggesellschaften, weshalb die zuständige Taskforce den Titel "UnABom" (für University & Airline Bombings) trug - und die Medien dem gesuchten Phantom das reißerische Label "Unabomber" verpassten. Wie so viele Terroristen mit Sendungsbewusstsein - man denke nur an Anders Behring Breivik - veröffentlichte auch der Unabomber ein Manifest, und das wurde ihm zum Verhängnis: Nach seiner letzten Tat im Jahr 1995 (bei der ein Lobbyist der Holzindustrie starb), wandte er sich an die Tageszeitungen New York Times und Washington Post und teilte mit, er würde fortan keine Briefbomben-Attentate mehr verüben, falls man seine Schrift Industrial Society and its Future veröffentlichen würde, einen episch ausufernden Text, in dem der Mörder darlegte, die fortdauernde Industrialisierung der Menschheit sei der Anfang ihres eigenen Unterganges. Seinem Bruder David kam vieles in der auf Anweisung der Generalstaatsanwältin Janet Reno tatsächlich veröffentlichten Tirade bekannt vor. Durch seine Vermittlung kam die Taskforce schließlich Ted Kaczynski auf die Schliche, einem genialen Mathematiker und früheren Wunderkind, das Ende der Sechzigerjahre seine vielversprechende Akademiker-Karriere in Kalifornien gegen ein karges Leben in den Wäldern von Montana eingetauscht hatte und von dort aus seine perfiden Taten plante. Heute ist der "Unabomber" ein Faszinosum: Genau wie viele Rechtsextreme das Manifest Breiviks als eine Art Kult-Lektüre feiern und begeistert dessen maskulistische, antiliberale und islamophobe Passagen zitieren, gilt Kaczynskis "Unabomber-Manifest" bei vielen Ultralinken als zumindest in Teilen bedenkenswerte Zivilisations- und Globalisierungskritik. Kaczynski, heute 75, schmort seit seiner Verurteilung 1998 in einem Hochsicherheitsgefängnis in Colorado ­- achtmal lebenslänglich.

Paul Bettany als Ted Kaczynski in "Manhunt: Unabomber"
Paul Bettany als Ted Kaczynski in "Manhunt: Unabomber"

Man muss sich all dies in Erinnerung rufen, bevor man über  "Manhunt: UNABOMBER" spricht, die erste Staffel der nach dem Anthologieprinzip geplanten und von Kevin Spacey für den Discovery Channel mitproduzierten Miniserie "Manhunt". Wie Ryan Murphys Projekt  "American Crime Story", das letztes Jahr mit der Casa O.J. Simpson eröffnete, soll sich "Manhunt" pro Staffel einem berüchtigten True-Crime-Fall widmen - und der "Unabomber" ist dafür ein starkes Opening. In den USA zählt der Fall zur allgemein geläufigen Terror-Folklore, es gibt Theaterstücke und zig Fernsehdokumentationen zum Thema. Der deutsche Dokumentarist Lutz Dammbeck hat 2003 mit  "Das Netz" zudem einen sehr kontroversen und spannenden Essayfilm gedreht, der das Manifest Kaczynskis in den kulturellen Kontext der US-Hippie-Gegenkultur (vom "Whole World Catalog" bis zum Silicon Valley) stellt.

"Manhunt: Unabomber", auf acht Folgen hin ausgelegt vom mir bislang komplett unbekannten Autor Andrew Sodroski und in den ersten Episoden im positiven Sinne routiniert inszeniert von  "Dr. House"-Stammregisseur Greg Yaitanes, nähert sich dem Phänomen allerdings von der Gegenseite: aus den Reihen der Ermittler heraus, die die titelgebende "Menschenjagd" nach langer Zeit plötzlich erfolgreich beenden können. Kaczynski selbst ist bis spät in die zweite Episode hinein nur als raunende Stimme zu vernehmen ­- glücklicherweise gehört diese dem britischen Schauspieler Paul Bettany ( "Master and Commander: Bis ans Ende der Welt"), der als langjähriger Synchronsprecher des digitalen Iron-Man-Assistenten JARVIS und neuerdings auch des Avengers-Androiden Vision im Dienst des Marvel Cinematic Universe viel Erfahrung darin gesammelt hat, akustische Wirkungsmacht zu entfalten.

Als Protagonist etabliert wird zunächst aber der selbst recht weltentrückt wirkende FBI-Mitarbeiter Jim "Fitz" Fitzgerald, mit grenzautistischter Bescheidenheit gespielt von  "Avatar"-Star Sam Worthington. Nach Jahren im Polizeidienst ist Fitz erst spät zum Profiler geworden, und doch wird der Hochbegabte von Chef-Profiler Frank McAlpine (Brian F. O'Byrne,  "Aquarius"), Special Agent in Charge Don Ackerman (Chris Noth,  "Good Wife") und Supervisory Special Agent Stan Cole (Jeremy Bobb,  "The Knick") sofort angeheuert, als es darum geht, dem 1995 noch nicht identifizierten Terroristen mit verhaltensanalytischen Mitteln auf die Spur zu kommen. Fitz' Gattin Ellie (Elizabeth Reaser, "Ouija: Ursprung des Bösen") ist nicht begeistert, den gerade erst aus Quantico zurückgekehrten Ehemann und dreifachen Vater sofort wieder an ein so absorbierendes Projekt zu verlieren. Aber Fitz sagt zu.

Das Ende ist bekannt: Ted Kaczynski wurde 1996 gefasst
Das Ende ist bekannt: Ted Kaczynski wurde 1996 gefasst

Selbstredend eckt der mal ungelenk-introvertierte, dann nach Dr.-House-haften Geistesblitzen manisch zur Tat schreitende Neuling in der von Andy Genelli (Ben Weber) geleiteten UnABom-Taskforce schon dadurch an, dass er völlig neue Wege gehen will. Nur die scharfzüngige Kollegin Tabby ( "Whale Rider" Keisha Castle-Hughes) unterstützt ihn dabei. Als die Briefe an die Zeitungen und dann das Manifest auftauchen, bedient Fitz sich linguistischer Analysemittel. Wenige Monate später wird Ted Kaczynski gefasst sein.

Weil das Ende bekannt ist und sich die Serie auf suspense-dramaturgischen Aufbau nur bedingt verlassen kann, zieht Sodroski eine zweite Zeitebene ein: Von Beginn an wird regelmäßig zwei Jahre vorausgeblendet (oder von dort aus zurückgeblendet), ohne dass dabei sofort alle Bezüge und Entwicklungen klar werden. 1997 lebt Fitz, von seiner Frau/Familie - so scheint es ­- inzwischen getrennt und dem Unabomber selbst nicht unähnlich, als Pilzesammler und Hasenjäger in einer Waldhütte, wird vom FBI allerdings zurückgeholt: Der in U-Haft sitzenden Kaczynski habe für anstehende Verhöre explizit nach Fitz gefragt. Fitz soll ein sogenanntes plea agreement mit dem Täter aushandeln - der Täter legt ein Geständnis ab, erspart dadurch eine langen und sehr teuren Gerichtsprozess und erhält Gegenleistungen/Strafminderung wie den Verzicht auf die Todesstrafe. Kaczynski selbst wollte keinesfalls als "geisteskrank" abgestempelt werden - und bekannte sich, wie wir wissen, schließlich in allen Punkten schuldig.

Zweite Erzählebene: FBI-Mitarbeiter Jim "Fitz" Fitzgerald (Sam Worthington) im Dialog mit Ted Kaczynski (Paul Bettany)
Zweite Erzählebene: FBI-Mitarbeiter Jim "Fitz" Fitzgerald (Sam Worthington) im Dialog mit Ted Kaczynski (Paul Bettany)

Die Zwiegespräche zwischen Fitz und Kaczynski kristallisieren sich als Höhepunkt dieses Re-Enactments heraus, und das liegt vor allem an Bettany und seiner faszinierenden Stimme. Der hellblonde Schauspieler verströmt (mit dunklem Haarschopf und Bart) durch seinen kontrollierten Habitus und den leisen Tonfall eine bedrohlich wache, scharf intelligente Aura, die in manchen Momenten an Anthony Hopkins' Hannibal-Lecter-Figur erinnert.

Jenseits dessen bedient sich "Manhunt" durchaus so einiger Stilmittel, die aus anderen Krimiserien sattsam bekannt sind. Der genialisch-verschrobene Ermittler ist ebenso ein gern gewähltes Klischee wie die bräsigen Vorgesetzten, die dem Helden weniger hilfreich denn hinderlich in die Parade fahren. Doch Yaitanes inszeniert das mit gebotener Düsternis, ohne dabei übertrieben reißerisch werden zu müssen: Eine in Rückblenden nachgestellten Explosionen lassen den Zuschauern durchaus einen gehörigen Schreck in die Glieder fahren, ein dezenter David-Fincher-Atmo durchzieht viele Szenen. Erfreulicherweise wird auch oft wortlos erzählt und immer wieder mit Auslassungen operiert, die der Betrachter selbst füllen muss; Es wird also nicht alles ausbuchstabiert, wie dies in den meisten Crime-Procedurals zur Pest geworden ist. Die Frauenrollen wirken dabei noch etwas unterbelichtet. Ob sich etwa Lynn Collins ( "John Carter - Zwischen zwei Welten") als mit Fitz befreundete Linguistin Natalie oder  "Glee"-Star Jane Lynch, die als Staatsanwältin Reno genau wie Kaczynski zunächst akustisch (nämlich via Telefon) eingeführt wird, noch stärker profilieren können, bleibt einstweilen abzuwarten. "Manhunt: Unabomber" zieht jedenfalls in den frühen Folgen geschickt in diesen besonders den US-Zuschauern bestens bekannten Fall hinein. Indem sich die Serie den Psychologien von Jäger und Gejagtem zweigleisig nähert, macht sie das Beste aus dem Umstand, dass der Ausgang des Falls bekannt ist. Ein komplett neues Krimikonzept ist dies fraglos nicht, doch wenn es so kompetent umgesetzt wird wie hier, geht es glücklich auf. Weitere True-Crime-Fälle in späteren Staffeln kann man sich unter der Federführung des Teams Sodroski/Spacey/Yaitanes also durchaus vorstellen.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Manhunt: Unabomber".

Meine Wertung: 3.5/5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Discovery

Die erste Staffel von "Manhunt: Unabomber" wurde in den USA beim Kabelsender Discovery gezeigt. Eine deutsche Heimat ist bisher noch nicht bekannt geworden.US-Trailer zu "Manhunt: Unabomber"


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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Leserkommentare

  • Sentinel2003 schrieb am 07.10.2017, 00.19 Uhr:
    Ich hoffe doch mal stark, das sich ein deutscher Sender feur die Serie interssieren wird.