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TV-Kritik/Review: "Manhunt: Unabomber": Historische Terroristenjagd überzeugt kreativ und schauspielerisch
(02.10.2017)
Als Ted Kaczynski 1996 verhaftet wurde, fand eine der längsten Ermittlungen ihr Ende, an der sich das amerikanische FBI jemals die Zähne ausgebissen hatte. 17 Jahre lang, seit 1978, hatte Kaczynski immer wieder Bomben per Post verschickt, dabei insgesamt 23 Menschen meist schwer verletzt sowie drei Menschen getötet. Viele seiner Opfer arbeiteten an Universitäten oder für Fluggesellschaften, weshalb die zuständige Taskforce den Titel "UnABom" (für University & Airline Bombings) trug - und die Medien dem gesuchten Phantom das reißerische Label "Unabomber" verpassten. Wie so viele Terroristen mit Sendungsbewusstsein - man denke nur an Anders Behring Breivik - veröffentlichte auch der Unabomber ein Manifest, und das wurde ihm zum Verhängnis: Nach seiner letzten Tat im Jahr 1995 (bei der ein Lobbyist der Holzindustrie starb), wandte er sich an die Tageszeitungen New York Times und Washington Post und teilte mit, er würde fortan keine Briefbomben-Attentate mehr verüben, falls man seine Schrift Industrial Society and its Future veröffentlichen würde, einen episch ausufernden Text, in dem der Mörder darlegte, die fortdauernde Industrialisierung der Menschheit sei der Anfang ihres eigenen Unterganges. Seinem Bruder David kam vieles in der auf Anweisung der Generalstaatsanwältin Janet Reno tatsächlich veröffentlichten Tirade bekannt vor. Durch seine Vermittlung kam die Taskforce schließlich Ted Kaczynski auf die Schliche, einem genialen Mathematiker und früheren Wunderkind, das Ende der Sechzigerjahre seine vielversprechende Akademiker-Karriere in Kalifornien gegen ein karges Leben in den Wäldern von Montana eingetauscht hatte und von dort aus seine perfiden Taten plante. Heute ist der "Unabomber" ein Faszinosum: Genau wie viele Rechtsextreme das Manifest Breiviks als eine Art Kult-Lektüre feiern und begeistert dessen maskulistische, antiliberale und islamophobe Passagen zitieren, gilt Kaczynskis "Unabomber-Manifest" bei vielen Ultralinken als zumindest in Teilen bedenkenswerte Zivilisations- und Globalisierungskritik. Kaczynski, heute 75, schmort seit seiner Verurteilung 1998 in einem Hochsicherheitsgefängnis in Colorado - achtmal lebenslänglich.
Man muss sich all dies in Erinnerung rufen, bevor man über
"Manhunt: Unabomber", auf acht Folgen hin ausgelegt vom mir bislang komplett unbekannten Autor Andrew Sodroski und in den ersten Episoden im positiven Sinne routiniert inszeniert von
Als Protagonist etabliert wird zunächst aber der selbst recht weltentrückt wirkende FBI-Mitarbeiter Jim "Fitz" Fitzgerald, mit grenzautistischter Bescheidenheit gespielt von
Selbstredend eckt der mal ungelenk-introvertierte, dann nach Dr.-House-haften Geistesblitzen manisch zur Tat schreitende Neuling in der von Andy Genelli (Ben Weber) geleiteten UnABom-Taskforce schon dadurch an, dass er völlig neue Wege gehen will. Nur die scharfzüngige Kollegin Tabby (
Weil das Ende bekannt ist und sich die Serie auf suspense-dramaturgischen Aufbau nur bedingt verlassen kann, zieht Sodroski eine zweite Zeitebene ein: Von Beginn an wird regelmäßig zwei Jahre vorausgeblendet (oder von dort aus zurückgeblendet), ohne dass dabei sofort alle Bezüge und Entwicklungen klar werden. 1997 lebt Fitz, von seiner Frau/Familie - so scheint es - inzwischen getrennt und dem Unabomber selbst nicht unähnlich, als Pilzesammler und Hasenjäger in einer Waldhütte, wird vom FBI allerdings zurückgeholt: Der in U-Haft sitzenden Kaczynski habe für anstehende Verhöre explizit nach Fitz gefragt. Fitz soll ein sogenanntes plea agreement mit dem Täter aushandeln - der Täter legt ein Geständnis ab, erspart dadurch eine langen und sehr teuren Gerichtsprozess und erhält Gegenleistungen/Strafminderung wie den Verzicht auf die Todesstrafe. Kaczynski selbst wollte keinesfalls als "geisteskrank" abgestempelt werden - und bekannte sich, wie wir wissen, schließlich in allen Punkten schuldig.
Die Zwiegespräche zwischen Fitz und Kaczynski kristallisieren sich als Höhepunkt dieses Re-Enactments heraus, und das liegt vor allem an Bettany und seiner faszinierenden Stimme. Der hellblonde Schauspieler verströmt (mit dunklem Haarschopf und Bart) durch seinen kontrollierten Habitus und den leisen Tonfall eine bedrohlich wache, scharf intelligente Aura, die in manchen Momenten an Anthony Hopkins' Hannibal-Lecter-Figur erinnert.
Jenseits dessen bedient sich "Manhunt" durchaus so einiger Stilmittel, die aus anderen Krimiserien sattsam bekannt sind. Der genialisch-verschrobene Ermittler ist ebenso ein gern gewähltes Klischee wie die bräsigen Vorgesetzten, die dem Helden weniger hilfreich denn hinderlich in die Parade fahren. Doch Yaitanes inszeniert das mit gebotener Düsternis, ohne dabei übertrieben reißerisch werden zu müssen: Eine in Rückblenden nachgestellten Explosionen lassen den Zuschauern durchaus einen gehörigen Schreck in die Glieder fahren, ein dezenter David-Fincher-Atmo durchzieht viele Szenen. Erfreulicherweise wird auch oft wortlos erzählt und immer wieder mit Auslassungen operiert, die der Betrachter selbst füllen muss; Es wird also nicht alles ausbuchstabiert, wie dies in den meisten Crime-Procedurals zur Pest geworden ist. Die Frauenrollen wirken dabei noch etwas unterbelichtet. Ob sich etwa Lynn Collins (
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Manhunt: Unabomber".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Discovery
Die erste Staffel von "Manhunt: Unabomber" wurde in den USA beim Kabelsender Discovery gezeigt. Eine deutsche Heimat ist bisher noch nicht bekannt geworden.US-Trailer zu "Manhunt: Unabomber"
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