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TV-Kritik/Review: "Physical": Apples Aerobic-Comedy fehlt noch etwas Fleisch auf den Rippen

Rose Byrne als 1980er-Jahre-Hausfrau mit Essstörung
Rose Byrne als Sheila Rubin
Apple TV+/Tomorrow Studios
TV-Kritik/Review: "Physical": Apples Aerobic-Comedy fehlt noch etwas Fleisch auf den Rippen/Apple TV+/Tomorrow Studios

Schon der Titel von  "Physical", der neuen Comedy-Eigenproduktion von Apple TV+, ist in alle Richtungen offen zur Interpretation. Die kann in Richtung Sport gehen (physical education, wie das Schulfach in den USA heißt), in Richtung Sex oder auch hin zu physical comedy, wie sie im US-Fernsehen früher häufiger als heute mit starkem Einsatz von Mimik und Gestik betrieben wurde. Tatsächlich hat die Hauptfigur Sheila Rubin mehr als nur ein Problem mit ihrem Körper und auch Sex spielt eine Rolle. Vordergründig geht es aber erstmal um sportliche Betätigung: Wir befinden uns Anfang der 1980er Jahre in Kalifornien - und Aerobic ist das nächste große Ding auf dem Fitnessmarkt.

Und ein bisschen Fitness kann Sheila (Rose Byrne, bekannt aus  "Damages - Im Netz der Macht" oder  "Brautalarm") dringend gebrauchen, die als desperate housewife mit Mann und Tochter in San Diego lebt. Äußerlich wirkt die Anfang-40-Jährige zwar schlank, gesund und attraktiv, heimlich gibt sie sich aber fast täglich Fress- und Brechattacken im Motelzimmer hin. Das ist ihr Weg, mit all dem Stress fertigzuwerden, den der frustrierende Alltag zwischen Kindergarten, Herd und Vorstadtnachbarinnen so mit sich bringt. Ihr Ehemann Danny (Rory Scovel) ist zwar ein netter Kerl und liberaler Collegedozent, aber noch komplett gefangen in den konservativen Geschlechterrollenbildern seiner Zeit. Das heißt, er ist für die Karriere und das Geld verdienen zuständig, seine Gattin für die "Familienarbeit".

Als er eines Tages unerwartet auch noch seinen Lehrauftrag verliert, weil die meisten Kollegen und Studierenden ihn hassen, gerät das mühsam aufrechterhaltene Upper-Middle-Class-Idyll vollends ins Wanken. Während Danny beschließt, fürs kalifornische Parlament zu kandidieren, entdeckt Sheila einen Weg zu mehr Selbständigkeit, als sie zufällig in einen Aerobickurs stolpert. Bald beginnt sie, nicht nur selbst Kurse zu geben, sondern auch Trainingsvideos zu produzieren - natürlich alles hinter dem Rücken des nichts ahnenden Danny.

Bald wird Sheila zum Videostar werden
Bald wird Sheila zum Videostar werden Apple TV+

Der noch recht neue Streamingdienst von Apple konnte bisher mit seinen in Auftrag gegebenen Originalserien meist nicht so recht überzeugen. Zu generisch wirkten Stoffe wie  "Truth Be Told" oder  "The Morning Show". Auf den ersten Blick erinnert auch der neue Comedyversuch an viele frühere Formate wie  "Weeds - Kleine Deals unter Nachbarn" und vor allem  "GLOW", die inzwischen leider abgesetzte Netflix-Serie um Frauencatcherinnen. Hier wie dort wird eine aus heutiger Sicht trashig wirkende Sportart aus den 80ern als Aufhänger genommen, um von den vielfältigen Problemen zu erzählen, die Frauen nicht nur damals beschäftigten. Anders als bei "GLOW" spielt der Sport an sich in der ersten Staffel von "Physical" aber (noch?) eine relativ geringe Rolle.

Zunächst lernen wir recht ausführlich das Innenleben von Sheila kennen, die hinter der properen Fassade von allerlei Dämonen gequält wird. Diese Diskrepanz zwischen glücklich wirkendem Äußeren und innerer Zerrissenheit wird sehr schön vermittelt, in dem wir ZuschauerInnen ständig Sheilas innere Stimme hören, die für sämtliche Situationen und Mitmenschen nur sarkastische Kommentare übrig hat. Vor allem spiegelt diese Stimme aber auch den Selbsthass wider, den Sheila in sich birgt. Es dauert dann bis zur achten Folge, bevor klar wird, dass die Gründe für diese psychischen Probleme schon in ihrer Kindheit liegen.

Die Serie lässt sich also viel Zeit für die Charakterentwicklung der Hauptfigur, was ja nichts Schlechtes ist. Der eigentliche thematische Aufhänger - das boomende Geschäft mit heimischer Fitness, das auch entscheindend zur Marktdurchdringung der VHS-Kassette beigetragen hat (Jane Fonda lässt grüßen) -, wird eher beiläufig gestreift. Für ZuschauerInnen, die die 1980er schon miterlebt haben, gibt es aber immer wieder nette Insidergags, wenn etwa ein Elektronikhändler bei Sheilas Wunsch nach einem VHS-Gerät gleich vermutet, sie wolle Pornos gucken. Denn für alles Andere sei diese zwar billige, aber minderwertige Technik schließlich nicht zu gebrauchen, durchsetzen werde sich natürlich das Beta-Format.

Jane Fonda lässt grüßen: Sheila im Aerobic-Outfit
Jane Fonda lässt grüßen: Sheila im Aerobic-Outfit Apple TV+

Annie Weisman, die hier zum ersten Mal eine Serie als Schöpferin und Showrunnerin verantwortet, hat bereits für Comedyserien wie  "Desperate Housewives" und  "Suburgatory" geschrieben, die thematisch ähnlich waren, aber auch für anspruchsvollere Serien wie Hulus Religionsdrama  "The Path" und die großartige Leben-nach-dem-Tod-Dramedy  "Dead Like Me - So gut wie tot". Genügend Erfahrung ist also da, um eine ebenso witzige wie tiefgründige Geschichte mit vielschichtigen (Frauen-)Figuren zu entwickeln. Das alles ist auch immer wieder im Ansatz zu erkennen, es fehlt aber noch das gewisse Etwas, um den Funken wirklich zum Zünden zu bringen. Rose Byrne gibt alles, um ihre Sheila zu einer Hauptfigur zu machen, die einerseits schräg ist und andererseits als Identifikationsfigur für die ZuschauerInnen taugt. Dabei wirkt sie trotzdem oft, als würde sie ebenso mit angezogener Handbremse spielen, wie Sheila ihr Leben lebt.

Von den NebendarstellerInnen kann vor allem Dierdre Friel als Greta überzeugen, ein weiteres verzweifeltes "Luxusweibchen" aus dem sozialen Umfeld der Rubins. Anders als Sheila ist Greta übergewichtig und fällt dadurch schon optisch als Frau auf, die ihren Körper "nicht im Griff hat" - so zumindest die gängige Zuschreibung. Aber stärker noch als Sheila beginnt Greta in den späteren Folgen der Auftaktstaffel, sich gegenüber ihrem Ehemann zu emanzipieren. Gerade an dieser Figur zeigt sich aber auch, wie zeitgemäß die hier behandelten Themen leider immer noch sind, haben wir soziale Vorurteile in Form des Body Shamings, also der Diskriminierung aufgrund von Übergewicht, doch noch lange nicht überwunden.

Sehr gut getroffen ist die 80er-Jahre-Atmosphäre der Serie: Frisuren, Klamotten, Technik, vor allem aber die Discopopmusik dieses Jahrzehnts, das ja einiges an Geschmacksverwirrungen mit sich brachte, machen einfach nur Spaß, ohne übertrieben trashig zu wirken. Aus deutscher Sicht etwas schockierend ist die Erkenntnis, das vieles von dem, was damals noch typisch amerikanisch war, inzwischen längst auch zu unserem Alltag gehört - wie etwa die überdimensionierten, gesichtslosen Einkaufszentren oder Burgerrestaurant-Drive-Ins an jeder zweiten Ausfallstraße.

Insgesamt also eine Serie mit viel Potential, die aber bislang noch etwas zu unentschieden daherkommt, um die Klasse bahnbrechender Vorbilder zu erreichen. Manchmal ist die Weltsicht richtig böse, dann sind die Gags und Entwicklungen wieder zu harmlos. Etwas mehr "Weeds" und etwas weniger "Desperate Housewives" würden vielleicht helfen, um aus "Physical" etwas ganz Besonderes zu machen.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der kompletten ersten Staffel der Serie "Physical".

Meine Wertung: 3.5/5

Am Freitag, den 18. Juni stellt Apple TV+ die ersten drei Episoden der zehnteiligen Auftaktstaffel von "Physical" online. Die restlichen Episoden folgen im wöchentlichen Rhythmus.


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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