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TV-Kritik/Review: "Poker Face": Neue Serie von Rian Johnson ("Knives Out") liefert Krimi-Entertainment vom Allerfeinsten

Natasha Lyonne macht ihren weiblichen Columbo zur neuen Krimi-Kultfigur
Als Lügendetektorin in der Provinz unterwegs: Natasha Lyonne als Charlie Cale
Peacock / Sky
TV-Kritik/Review: "Poker Face": Neue Serie von Rian Johnson ("Knives Out") liefert Krimi-Entertainment vom Allerfeinsten/Peacock / Sky

In den letzten Jahren hat sich Rian Johnson als Meister des glamourös-verspielten Krimi-Rätsels etabliert - seine Filme  "Knives Out" und  "Glass Onion" reanimierten den guten alten Ensemblekrimi à la Hercule Poirot und positionierten sich damit denkbar weit entfernt von der heutzutage gängigen Thriller-Düsternis zwischen Nordic Noir und  "True Detective". Jetzt hat Johnson diese neue Krimi-Leichtigkeit in Serie gebracht - mit Natasha Lyonne als Heldin, die quer durch die prekären Gegenden der USA reist, die Lügen anderer Menschen durchschaut und mithilfe dieser "Superkraft" Woche für Woche neue Mordfälle klärt. Was dabei vor allem zählt: jede Menge prominente Gaststars und Entertainment, das sich selbst nie allzu ernst nimmt.  "Poker Face" ist beim US-Streamingdienst Peacock zu Beginn des Jahres zum verdienten Hit geworden- und ist via Sky nun endlich auch bei uns zu sehen.

Johnson legt die Serie als unbekümmert nostalgisches Oldschool-Vergnügen an und bedient sich dabei der Fall-der-Woche-Erzählstruktur, die (jenseits herkömmlicher Procedurals) in Prestige-Krimiserien sonst bekanntlich kaum noch Anwendung findet. Erzählt werden die "Poker Face"-Fälle dabei nicht im klassischen Whodunit-Krimiformat, in dem sich das Publikum analog zu den ermittelnden Figuren auf Tätersuche begeben kann, sondern nach dem leider etwas aus der Mode geratenen Whocatchem-Prinzip: Dabei handelt es sich um eine sogenannte invertierte Krimi-Erzählung, bei der das Publikum in einem Prolog vorgeführt bekommt, wer wen (und meist auch) warum umgebracht hat und sich die Ermittlerfigur anschließend auf den gleichen Stand wie die Zuschauer bringen muss, um den Fall lösen zu können. Der berühmteste Vertreter dieser Krimi-Umkehrung ist bis heute  "Columbo", und Johnson macht keinen Hehl daraus, dass die Hit-Show mit Peter Falk als direktes Vorbild diente.

Ohne Natasha Lyonne, die sich nach ihren  "American Pie"-Kinoanfängen in den Serien  "Orange is the New Black" und  "Matrjoschka" einen veritablen Kultstatus erspielt hat, hätte Johnson "Poker Face" wohl nicht gedreht, ist seinen Interviews zu entnehmen. Tatsächlich ist "Poker Face" ohne die rotblonde 44-Jährige mit der unverwechselbaren Krächzstimme auch kaum vorstellbar, so sehr dominiert sie mit ihrer magnetischen Bildschirmpräsenz und ihrem patentiert beiläufigen Sarkasmus die einzelnen Fälle. Zum Glück tut sie dies aber auf eine wunderbar uneitle und selbstironische Weise - der sorgfältigen Ausgestaltung der von Episode zu Episode wechselnden Schauplätze und den jeweiligen Gaststars nimmt sie damit nie ihren Raum.

Bietet Charlie in Episode 5 seine Hilfe an: FBI-Agent Luca (Simon Helberg)
Bietet Charlie in Episode 5 seine Hilfe an: FBI-Agent Luca (Simon Helberg) Peacock / Sky

Lyonne spielt Charlie Cale, die zu Beginn der Staffel als Kellnerin in der Cocktailbar eines Casinos in Nevada arbeitet. Die Pilotepisode dient vor allem dazu, ihre besondere Fähigkeit einzuführen: Charlie erkennt verlässlich, wenn jemand lügt. Sie sagt dann: "Bullshit" - was im Verlauf der Serie schnell zum Running Gag wird. Der Casino-Geschäftsführer (erster Gaststar: Oscarpreisträger Adrien Brody) will diese "Superkraft" für einen millionenschweren Betrug ausnutzen, doch als ihre Kollegin Natalie (Dascha Polanco, Lyonnes "Orange is the New Black"-Co-Star) umgebracht wird, weil sie dem schmutzigen Geheimnis eines solventen Gastes auf die Spur gekommen ist, landet Charlie tief im kriminellen Sumpf der Casino-Bosse. Am Ende der Episode flieht sie in ihrem blauen Plymouth Barracuda vor ihren Häschern ins Ungewisse der US-Provinz: Woche für Woche, Folge um Folge, wird sie nun an neuen Orten aufschlagen und direkt hinein ins nächste mörderische Schlamassel geraten, dem sie als menschlicher Lügendetektor auf die Spur kommt.

Wie es mit solchen Fall-der-Woche-Strukturen so ist, sind nicht alle Episoden gleich stark, doch Johnson und seinem Autorenteam gelingt es, das Niveau insgesamt so hoch zu halten, dass es keine merklichen Ausreißer nach unten gibt. Die Folgen sind zwischen 48 und 67 Minuten lang, manchmal dauert es länger als zwanzig Minuten, bis der Mord geschehen ist und Lyonne auftaucht, die Serie aber nutzt dieses getragene Erzähltempo, um schöne Showcases für die Gaststars zu inszenieren und die unglamourösen Schauplätze zu etablieren, an denen sich die Fälle abspielen: eine Tankstelle im Nirgendwo von New Mexico, ein Barbecue-Restaurant in Texas, eine Gokart-Bahn in Tennessee, ein Seniorenheim, ein Provinztheater, am Ende gar die verschneiten Rocky Mountains in Colorado. Immer wieder werden Schlaglichter auf die unterprivilegierten Gegenden der USA geworfen, in denen Neid, Missgunst und Hass oft andere Ursachen haben als in den Villen der Reichen und Schönen, die sonst so oft Krimierzählungen dominieren. Eine willkommene Abwechslung.

Elegant gelingt es den Autoren (Johnson selbst schrieb die erste und letzte Folge, Lyonne durfte die achte selbst schreiben und auch inszenieren), Charlie in die einzelnen Folgen/Fälle zu integrieren. Meist gibt es, sobald das Setting ausreichend etabliert wurde und der Mord geschehen ist, einen Cut, ab dem das bisherige Geschehen oder Teile desselben aus neuer Perspektive gezeigt werden: Charlie hat dann zum Beispiel einen neuen Aushilfsjob am Ort der Handlung übernommen und manövriert sich vom Rand der Erzählung und aus dem buchstäblichen Off der Bilder in deren Zentrum hinein, etwa wenn sie in Episode vier plötzlich als Merchandise-Verkäuferin einer tourenden Rockband auftaucht, deren Verwicklungen bereits zuvor ausgebreitet wurden - ohne dass man Charlie dabei gesehen hätte. Das ist stets geschickt gemacht und sorgt für immer neue Überraschungen; Serien wie  "Hulk" oder  "Zurück in die Vergangenheit" standen dabei erkennbar Pate.

Sängerin am Rande des Nervenzusammenbruchs: Ruby Ruin (Chloé Sevigny) lebt Heavy Metal.
Sängerin am Rande des Nervenzusammenbruchs: Ruby Ruin (Chloé Sevigny) lebt Heavy Metal. Peacock / Sky

Neben Lyonne gibt es lediglich eine weitere Figur, die über die gesamte Staffel hinweg immer wieder auftaucht: Cliff LeGrand (Benjamin Bratt,  "Miss Undercover"), der Security-Chef des mörderischen Casinos aus der ersten Folge, jagt Charlie hinterher, kommt ihr zwischendurch immer mal wieder gefährlich nahe, ehe sie ihm doch wieder entkommt. Natürlich dient seine drohende Präsenz vor allem dazu, die Jäger-und-Gejagte-Situation aufrechtzuerhalten, als Hauptursache dafür, dass sich Charlie an den einzelnen Orten nie länger aufhalten und keine Spuren hinterlassen darf. In der zehnten und letzten Folge der Staffel aber gelingt es dann, den Plot reibungslos zu einem Ende zu führen, das das Bisherige zufriedenstellend abschließt und gleichzeitig eine Fortsetzung möglich macht - nach dem Erfolg der ersten Staffel in den USA ist Nachschub natürlich längst bestellt worden.

Den großen Reiz von "Poker Face" macht aber weniger die Krimispannung aus (obgleich diese mitunter durchaus Fahrt aufnimmt), sondern das immer wieder überraschende Spiel mit bekannten und beliebten Entertainment-Mustern und mit der Persona der jeweiligen Gaststars: Zu sehen gibt es etwa Sitcom-Größe Judith Light und "Law & Order"-Legende S. Epatha Merkerson als mörderische Ex-Hippies im Pflegeheim, "Big Bang Theory"-Star Simon Helberg als FBI-Agent, Ellen Barkin als verbitterte Schauspielerin, den mittlerweile 82-jährigen Nick Nolte als einsiedlerischen Special-Effects-Produzenten, Natasha Lyonnes "Russian Doll"-Kollegin Chloë Sevigny als patzige Heavy-Metal-Sängerin oder die jüngst oscarnominierte Hong Chau ( "The Whale",  "The Night Agent") als lesbische Truckerin - sowie jede Menge andere namhafte Gäste von Tim Blake Nelson, Jameela Jamil und Cherry Jones über Luis Guzmán, Tim Russ und Clea DuVall bis hin zu Kantschädel Ron Perlman in einem gravitätischen Auftritt im Finale.

Machenschaften im Casino: Charlie und ihr Häscher Cliff (Benjamin Bratt)
Machenschaften im Casino: Charlie und ihr Häscher Cliff (Benjamin Bratt) Peacock / Sky

In der vorletzten und besten Episode der Staffel spielt Joseph Gordon-Levitt einen reichen Schnösel ohne Gewissen. Mit Gordon-Levitt drehte Rian Johnson bereits die Filme  "Brick" und  "Looper", wie überhaupt vieles in "Poker Face" die Atmosphäre einer lockeren Reunion von Freunden und Familie versprüht. Es werden Abgründe gezeigt, aber die Serie fühlt sich nur selten abgründig an: Sie bietet vor allem lockeres, in Kino-Bildern inszeniertes und perfekt ausgestattetes Entertainment. Der Plymouth Barracuda, mit dem Lyonne durch die Lande kurvt, bringt einen Hauch von Sixties-Flair mit ins Spiel, und auch sonst sind Charlies Ermittlungen frei von Digital- und Online-Schnickschnack (schon allein, weil Charlie kein Smartphone nutzt, um niemals ortbar zu sein). Den braucht es aber auch gar nicht, denn Charlies Spezialkraft der verlässlichen Bullshit-Ortung ist als Ermittlungswerkzeug ungewöhnlich genug.

Auf reine Retro-Nostalgie setzt "Poker Face" übrigens keineswegs. Die Fälle sind erkennbar im Hier und Jetzt und auch in der gesellschaftlich gespaltenen Situation der derzeitigen USA verortet, von den Hasspredigern im Autoradio bis zu den Verantwortungslosigkeiten der Superreichen, ganz zu schweigen davon, dass eine derart vogelfrei durch die Lande ziehende weibliche Ermittlerfigur in den von Retro-Jüngern verklärten Jahrzehnten gar nicht möglich gewesen wäre. Diese entschiedene Aktualisierung überlagert dabei nie den insgesamt heiteren Tonfall der Episoden, der vor allem dem Spiel von Lyonne geschuldet ist, die noch jeder gefährlichen, dramatischen oder abstrusen Situation einen sarkastischen Spruch abringt. Im Lauf der Staffel wird sie unwahrscheinliche Freunde finden, sich einmal sogar (kurz) verlieben, mehrmals knapp dem Tod entrinnen und einmal sogar äußerst übel zugerichtet - am Ende aber blickt sie zufrieden auf den Highway, mit Bierdose und Peter-Falk-Gedächtnisfluppe bereit für alle Fälle, die da noch kommen werden. Als weiblicher Columbo mit Cap und Sonnenbrille hat sie definitiv eine neue Serienkultfigur geschaffen - und mit "Poker Face" eines der Highlights dieser Seriensaison.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der gesamten ersten Staffel von "Poker Face".

Meine Wertung: 4.5/5

Die Ausstrahlung von "Poker Face" erfolgt ab Montag, den 24. April wöchentlich um 20.15 Uhr mit einer Doppelfolge bei Sky Atlantic. Parallel werden die Episoden on Demand bei WOW und Sky Q auf Abruf zur Verfügung gestellt. Die erste Staffel umfasst zehn Episoden, eine zweite Staffel wurde in den USA beim Streaminganbieter Peacock bereits bestellt.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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Leserkommentare

  • streamingfan schrieb am 24.04.2023, 15.09 Uhr:
    bin mir noch nicht sicher, ob ich reinschauen soll oder nicht. Ich habe im Moment genug Serien zum gucken.
  • Sentinel2003 schrieb am 24.04.2023, 14.46 Uhr:
    Ick wees nich, muß man das Ding gucken....eine Privat Schnüfflerin mit Humor?? Das gab es doch schon zig mal....
  • Torsten S schrieb am 24.04.2023, 08.59 Uhr:
    OK, kann man mal Reinschauen. Zumindest werd ich mal einen Blick riskieren und mal sehen, ob ich Abgeholt werde, da ich ein Fan von Columbo war und noch bin.