Das Film- und Fernsehserien-Infoportal

Log-In für "Meine Wunschliste"

Passwort vergessen

  • Bitte trage Deine E-Mail-Adresse ein, damit wir Dir ein neues Passwort zuschicken können:
  • Log-In | Neu registrieren

Registrierung zur E-Mail-Benachrichtigung

  • Anmeldung zur kostenlosen Serienstart-Benachrichtigung für

  • E-Mail-Adresse
  • Für eine vollständige und rechtzeitige Benachrichtigung übernehmen wir keine Garantie.
  • Fragen & Antworten

TV-Kritik/Review: "Tribes of Europa": Grelle, aber stimmungsvolle Endzeitvision aus deutscher Produktion

von Christopher Diekhaus
(18.02.2021)
Drei Geschwister im Jahr 2074 und ein verheertes, in Stämme zerfallenes Europa
Elja (David Ali Rashed) gelangt in "Tribes of Europa" in den Besitz eines geheimnisvollen Würfels.
Gordon Timpen/Netflix
TV-Kritik/Review: "Tribes of Europa": Grelle, aber stimmungsvolle Endzeitvision aus deutscher Produktion/Gordon Timpen/Netflix

Dass auch aus Deutschland spannende, weltweit Suchtpotenzial hervorrufende Serienkost kommen kann, bewiesen die Produzenten Quirin Berg und Max Wiedemann mit der komplexen, an Netflix verkauften Zeitreisesaga  "Dark", deren finale dritte Staffel im Sommer 2020 das Licht der Welt erblickte. Ihr zweites, im Auftrag des US-amerikanischen Streaming-Riesen entstandenes Projekt hört auf den Namen  "Tribes of Europa" und wurde von Filmemacher Philip Koch entwickelt, der mit seinem Debütwerk "Picco" 2010 für Aufsehen und kontroverse Diskussionen sorgte. Nach mehreren Fernseharbeiten, darunter vier  "Tatort"-Folgen, widmet sich der 1982 geborene Drehbuchautor und Regisseur nun dem hierzulande stiefmütterlich behandelten Endzeitgenre. Obschon er sich dabei von einigen Vorbildern nicht freimachen kann und erzählerische Schwächen wiederholt ins Auge springen, ist die handwerklich kompetent umgesetzte, vor schrillen Akzenten nicht zurückschreckende Serie eine kuriose Bereicherung für die deutsche Fernsehlandschaft.

Als 2016 die EU-Austrittspläne Großbritanniens Gestalt annahmen, hatte Philip Koch, so gab er in mehreren Interviews zu Protokoll, umgehend den Ehrgeiz, eine Geschichte auszuarbeiten, die vom Ende des uns bekannten Europas handelt. Politische Überlegungen sollten darin keine große Rolle spielen. Vielmehr schwebte ihm ein actionreiches, düsteres Science-Fiction-Abenteuer vor. Dystopien standen auch vorher schon einige Jahre hoch im Kurs und stellten - die "Tribute von Panem"-Reihe lässt grüßen - nicht selten junge Protagonisten in den Mittelpunkt. "Tribes of Europa" folgt genau diesem Muster und lässt uns teilhaben an den Erlebnissen dreier Geschwister, die sich getrennt voneinander einen Weg durch eine gefährliche, in einen vorzivilisatorischen Zustand zurückgefallene Welt bahnen müssen.

Nach einem mysteriösen Stromausfall und einem Zusammenbruch der Technik im Dezember 2029 hat sich Europa in eine vom Recht des Stärkeren geprägte, kleinstaatlich organisierte Wildnis verwandelt. Auch 45 Jahre später kämpfen versprengte Stämme, die im Titel erwähnten Tribes, noch immer ums nackte Überleben oder die kontinentale Vorherrschaft. Während manche Clans, etwa die faschistisch-kaltblütigen Crows, eine aggressive Expansionsstrategie verfolgen, haben sich die sogenannten Origines tief in den Wald zurückgezogen in der Hoffnung, dort ungestört im Einklang mit der Natur leben zu können. Bis auf den gelegentlichen Handel mit den Nachbarn aus Little Praha meiden sie jeglichen Kontakt und halten sich aus allen Auseinandersetzungen heraus.

Liv (Henriette Confurius) muss zur Waffe greifen, um ihr Überleben zu sichern.
Liv (Henriette Confurius) muss zur Waffe greifen, um ihr Überleben zu sichern. Netflix

Als Liv (Henriette Confurius) und ihre Brüder Kiano (Emilio Sakraya) und Elja (David Ali Rashed) beim Jagen auf ein merkwürdiges, raumschiffartiges Flugobjekt aufmerksam werden, das in ihrer Nähe abstürzt, ist es mit dem ruhigen Aussteigerdasein schlagartig vorbei. Ihr Vater (Benjamin Sadler), der die von seiner toten Frau gegründete Gemeinschaft anführt, verbietet zunächst zwar um des heiligen Friedens willen, das unbekannte Luftfahrtzeug zu untersuchen, gibt dem Drängen seiner Kinder aber schließlich nach. Hat es zunächst den Anschein, als würde sich nichts Aufschlussreiches finden lassen, stößt Elja, der Jüngste im Geschwisterbunde, auf einen Cube, ein würfelartiges hochtechnologisches Artefakt aus dem Besitz der von der Apokalypse weitgehend verschonten Atlantier. Seinen Fund hält der Teenager geheim und stolpert nur wenig später über den schwerverletzten Piloten, der zur Behandlung ins Lager der Origines transportiert wird. Über das friedfertige Waldvolk bricht allerdings kurz darauf ein unerwarteter Angriff der Crows herein, die ihrerseits den abgestürzten Flugkörper bergen wollen. Inmitten des blutigen Chaos drängt der verwundete Fremde Elja dazu, mit dem Cube zu fliehen und ihn den Atlantiern zu bringen. Immerhin enthalte er wichtige Informationen über eine aus dem Osten herannahende Gefahr.

Ins Rollen kommt die eigentliche Handlung durch die ungewollte Trennung von Liv, Kiano und Elja am Ende der ersten Folge. Jeden für sich schickt Serienschöpfer Koch, der bei der Arbeit an den Drehbüchern Unterstützung von Jana Burbach ( "Bad Banks") und Benjamin Seiler ( "8 Tage") erhielt, auf eine ungewisse Reise. Kiano und sein Vater werden als Gefangene in die Crows-Hauptstadt Brahtok, das ehemalige Berlin, getrieben, wo man sie rüde auseinanderreißt. Die für tot gehaltene Liv kann die Crows-Kriegerin Grieta (Ana Ularu) überwältigen und läuft danach einer von David Voss (Robert Finster) kommandierten Soldatentruppe der Crimson Republic in die Arme, unter deren Banner ein Wiederaufbau Europas geplant ist. Elja, der als Träger des machtvollen Cubes die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verkörpert, gerät an den windigen Schrotthändler Moses (viel Gaunercharme versprühend: Oliver Masucci) und vertraut sich diesem an, da er Leute kennt, die den nicht funktionsfähigen Würfel reparieren können.

"Tribes of Europa" entwirft ein ungemütliches Setting, das Erinnerungen an diverse andere dystopische Erzählungen weckt. In den Sinn kommt einem als Erstes wahrscheinlich George Millers von marodierenden Banden bevölkerte "Mad Max"-Reihe, die mit ihren eigenwilligen Gefährten und ihren urigen Maskeraden Vorbild für die Ästhetik vieler postapokalyptischer Filme und Serien war. Das von den Crows in Brahtok veranstaltete Gladiatorenspektakel, bei dem sich ein Sklave die Freiheit erkaufen kann, lässt an die mörderischen Wettkämpfe aus dem "Tribute von Panem"-Franchise denken. Und die mitunter kränklich ausgeblichene Optik scheint von Alfonso Cuaróns eindringlicher Zukunftsparabel  "Children of Men" inspiriert zu sein.

Mit der machthungrigen und grausamen Varvara (Melika Foroutan) ist nicht zu spaßen.
Mit der machthungrigen und grausamen Varvara (Melika Foroutan) ist nicht zu spaßen. Netflix

Bahnbrechende Originalität kann man der Netflix-Produktion angesichts der vielen Anleihen sicherlich nicht attestieren. Koch und seine Mitstreiter führen uns aber durch eine Welt mit durchaus spannenden Facetten. Dass dabei immer wieder mit dicken Pinselstrichen gearbeitet wird, verleiht dem Geschehen sicherlich eine trashige Anmutung. Andererseits erfüllen einige Überzeichnungen allemal ihren atmosphärischen Zweck. Die finster-schäbigen Bilder aus dem brutalen Unterdrückungsreich der Crows und das stets von Irrsinn und Sadismus infizierte Gebaren einzelner Führungsvertreter erzeugt handfestes Unbehagen. Als Capitan genanntes Oberhaupt des Meuchelstammes legt Sebastian Blomberg eine Over-the-top-Performance hin, die zwischen lächerlich und furchteinflößend pendelt. Noch größeren Eindruck hinterlässt die deutlich mehr Bildschirmzeit bekommende Varvara, in deren Lustsklavenriege sich irgendwann Kiano wiederfindet. Melika Foroutan spielt diese zur Crows-Elite gehörende, auf das Vordringen in den engsten Kreis des Capitans hinarbeitende Figur mit einer lustvoll überzogenen Abgründigkeit und drückt nicht wenigen Momenten ihren Stempel auf. Wahnsinn in dieser Form hat eine deutsche Serie in letzter Zeit nur selten verströmt.

Verstecken muss sich "Tribes of Europa" auch im Hinblick auf die Ausstattung des endzeitlichen Schauplatzes nicht. Dass den Regisseuren Philip Koch und Florian Baxmeyer ( "Der Auftrag"), die jeweils drei Folgen inszenierten, ordentliche Mittel zur Verfügung standen, sieht man vor allem den Passagen an, in denen viele Personen zusammenkommen. Probleme schleppt die Serie hingegen in puncto Handlung und Figurenzeichnung mit sich herum. Sonderlich ausgefeilt sind die drei Protagonisten nicht, wobei Kianos Trip in die Dunkelheit den meisten Reiz besitzt. In einer zweiten Staffel könnte sein Weg noch tiefer in die Hölle führen. Die Stränge um Liv und Elja folgen zumeist ausgetrampelten Pfaden und bringen einige wundersam blauäugige Entscheidungen unterschiedlicher Charaktere mit sich. Ab und an bröckelt außerdem die Glaubwürdigkeit des Konzepts. Warum es einzig Liv gelungen sein soll, ein Crows-Mitglied lebendig gefangen zu nehmen, will sich beim Anblick der schwer bewaffneten Crimson-Republic-Kräfte nicht erschließen. Wenig Sinn - zumindest nach den sechs Episoden der ersten Staffel - ergibt zudem der eigenartige Kodex der Crows, von dem sie selbst gegenüber ihren Feinden nicht abrücken.

Eine ominöse, in Brahtok-Fabriken gewonnene Droge namens Wolk, ein plötzlich auftauchender, offenbar nur von Frauen gebildeter Stamm namens Femen, das Raunen von der Bedrohung aus dem Osten oder die Rolle der technologisch bestens ausgerüsteten Atlantier - "Tribes of Europa" reißt viele Story-Elemente nur an und findet zu einem recht abrupten vorläufigen Ende. Damit liegt die Vermutung nahe, dass die Macher uns hier bloß eine Art Exposition servieren und auf eine Fortsetzung spekulieren. Ob es dazu wirklich kommt, wird freilich maßgeblich das Interesse der Netflix-Abonnenten entscheiden.

Dieser Text basiert auf der Sichtung aller sechs Episoden der ersten Staffel der Serie "Tribes of Europa".

Meine Wertung: 3/5

Die Serie "Tribes of Europa" erscheint am 19. Februar 2021 auf Netflix.


Beitrag melden

  •  

Leserkommentare

  • Brigidde schrieb am 23.02.2021, 08.35 Uhr:
    Der Trailer sagte mir gar nicht zu. Aber da derzeit wirklich kaum was interessantes bei Netflix erscheint, und nicht alle die Serie zerissen haben (die meisten einfach nur weil es eine Deutsche Serie ist, was für mich kein Grund ist), hab ich mich dann doch ran getraut.
    Die ersten 3 Folgen sind ok, mehr leider auch nicht. Viele Logiklöcher z.B. die Origins wollen keine Technik u. im Einklang mit der Natur leben. Im selben Moment erschallt aber laute Elektro-Musik, zu der sie tanzen. Die Hauptcharas wirken sehr hölzern und keiner kommt wirklich sympathisch rüber.
    Irgendwie wurde es in meinen Augen in der 4. Folge schlagartig besser, die Charas haben scheinbar ihre Rolle gefunden, wenn jetzt auch nur die Hauptfiguren und ein paar wenige Nebendarsteller. Die Handlungen und Dialoge werden interessanter.
    Da ich erst bis dahin gesehen hab, kann ich ncoh nicht sagen, wie die letzten beiden Episoden sind. Aber wenn die Serie sich noch steigert, würde ich mir auch eine 2. Staffel ansehen.
  • Vritra schrieb am 20.02.2021, 16.02 Uhr:
    Von Qualität würde ich da jetzt nicht unbedingt sprechen. Den Piloten habe ich gestern auch gesichtet und gebe ihm 6/10.
    Man sieht dem Format nämlich leider an, dass das Budget hinten und vorne nicht gereicht hat, um etwas Hochwertiges zu produzieren. Die Geschichte ist unoriginell und voller Klischees (der x-te Mix einer alten Geschichte), die Schauspieler so lala (obwohl ein paar so nuscheln, dass ich mir eine Synchro wünschte), die Kamera eine Zumutung (geht in Richtung Blairwitch Project), ABER es war unterhaltsam. Ich bleibe Mal dabei und sehe mir an wo es hingeht.
    @Womenpower
    Dein GEZ-Bashing hast Du wieder schön sagen dürfen, obwohl es die GEZ seit Jahren nicht mehr gibt. (*kotz*)
  • Womenpower schrieb am 20.02.2021, 08.50 Uhr:
    Ne deutsche Produktion ist das eine, eine deutsche für Netflix produzierte Serie ist das andere. Der GEZ Kunde bekommt die Qualität wie sie auch DARK zeigte sicher nicht im klassischen TV zu sehen