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TV-Kritik/Review: Der Killer und das Einhorn: "Happy!" verquirlt Comic-Aberwitz mit blutiger Gewalt
(20.12.2017)
Klar, die Kombination fröhlicher Popkultur mit abrupt-brutalen Gewaltausbrüchen, die kennt man bestens, seit Quentin Tarantino das Spiel mit den Gegensätzen in den Neunzigerjahren zur wirkungsvollsten Blüte brachte. Trotzdem sollte man es nicht versäumen, mal in die ersten Folgen von
Autor Grant Morrison (bekannt geworden mit DCs "Animal Man" in den späten Achtzigern) und Illustrator Darick Robertson setzen mit diesem Projekt ihre eigene Comicreihe um (veröffentlicht 2012 von Image Comics). Als Regisseur der ersten Folgen konnte sich Brian Taylor austoben, der Mann hinter den hochfrequenten "Crank"-Filmen - von Haus aus Kameramann, was man an seinen mit wild-verkanteten Einstellungen und allerlei visuellen Gimmicks operierenden Regiearbeiten gut ablesen kann. Tatsächlich werden sowohl der Comic-Hintergrund von Morrison/Robertson als auch der stylish überkandidelte Regiestil Taylors zu prägenden Merkmalen der ersten Episoden von "Happy!": Es ist eine hochvergnügliche, schön böse und niemals durchhängende Sause, die sich nicht allzu viele Gedanken um lässliche Kleinigkeiten wie Schlüssigkeit macht. Leichtes Kopfweh kommt dann erst im Nachhinein. Damit alles so gut funktioniert, wie es das zunächst zweifelsohne tut, brauchten die Macher allerdings einen starken Darsteller, und der wurde mit Meloni definitiv gefunden.
Der inzwischen 56-Jährige, der sich in zwölf StaffelnAls sein Auftrag, die Neffen des Mafiabosses Francisco "Blue" Scaramucci (Ritchie Coster) umzubringen, in der Absteige einer Prostituierten (Hannah Hodson aus
Was der Zuschauer schnell erfährt, Nick jedoch erst später: Happy ist der "imaginäre Freund" des Mädchens Hailey, das während des Besuchs des ganz schön gruseligen Kinderstars Sonny Shine entführt wurde - und jetzt von Very Bad Santa, einem crackrauchenden Freak in klimpernder Weihnachtsmannverkleidung, in einer Kiste gehalten wird, zusammen mit offenbar ziemlich vielen anderen Kindern. Während man noch rätselt, warum sich Happy nun ausgerechnet den kaputten Menschenfeind Nick als Helfer aussucht, wird es auch schon enthüllt: Nick ist, ohne es zu wissen, Haileys Vater!
Ein Gutteil der ersten beiden Episoden beschäftigt sich mit der Abwehr Nicks gegen die fliegende Nervensäge, deren absurde Echtheit er erst zu akzeptieren beginnt, als Happy ihm dabei hilft, sich aus Notlagen zu befreien - was stets äußerst blutig endet. Eine dieser Notlagen ist ein aus dem Ruder laufendes Pokerspiel mit einem Waffenhändler (an deren Ende Happy zugekokst von der Decke baumelt), eine andere der mit diversen sexuellen Fetischen ausgestatte Psychopath Smoothie, ein Helfershelfer von Blue Scaramucci, den Patrick Fischler mit ruhiger Stimme und stierem Blick genau auf dem schmalen Grat zwischen Bedrohung und Karikatur anlegt, der für diesen Comic-Rahmen erforderlich ist. Fischler, bislang ein gern gesehener Gast in ziemlich vielen Serien (von
Was um die beiden herum sonst noch so geschieht, ist nämlich schon weniger aufregend: Da gibt es Detective Merry McCarthy (Lili Mirojnick), deren Mentor (und Geliebter) Nick früher war. Sie ist inzwischen verbittert, womöglich auch durch die Betreuung ihrer dementen Mutter. Dass Haileys redliche Mutter Amanda (Medina Senghore) früher mit Nick verheiratet war, bis er sie mit Merry hinterging, kann man schwer glauben. Dann ist da eben noch Blue Scaramucci, ein Psycho-Don, wie er im Gangsterfilmbuche steht: Während er daheim den Weihnachtsbaum schmückt, gibt er am Telefon die Morddrohungen raus. Darsteller Coster bedient sich hier wieder jener verschlagenen Schmierigkeit, die schon seinen Mayor Chessani im zweiten
Diese Hatz an sich ist aber eine Schau, was zu einem guten Teil an Meloni liegt, der den größten Teil der ersten Folgen in einem blutverschmierten Arztkittel durch die Gegend torkelt, und an den Hard-Boiled-Gossensprüchen, die man ihm in den Mund gelegt hat. Der Spaß, den er an grundverbitterten Sätzen hat wie "My life is an ever-swirling toilet that just won't flush", überträgt sich sofort. Und wie er zu Tschaikowskys "Tanz der Zuckerfee" halb delirant durchs Krankenhaus marodiert, gehört zum Lustigsten, was ich dieses Jahr im Serienbereich gesehen habe. Regisseur Taylor betreibt ein tolles Spiel mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, setzt Raffer ein und Zeitlupen, mitunter sogar gleichzeitig, und er ist ganz in seinem Element, wenn er Nick mitten in eine halluzinierte Ausgabe des Krawall-Talks der
An Ideen mangelt es hier sichtlich nicht, dennoch mischt sich irgendwann ganz dezent ein schaler Beigeschmack in den Irrwitz: Trägt das auf Staffellänge? Oder sogar über mehr als eine Staffel hinaus? So schön der Gegensatz zwischen dem nihilistischen Killer und dem fröhlichen Tricktier eingangs auch ausgestaltet ist, so groß ist auch die Gefahr, dass dieses Buddy-Duo in nicht allzu ferner Zukunft auf die Nerven fallen könnte.
Gleiches gilt für die gagreich inszenierten Blutfontänen und Gewalteruptionen: In der Überdosis verlieren diese ihre überraschende Wirkung. Man kennt den Effekt von den zahllosen Tarantino-Epigonen der späten Neunziger, die dieses Prinzip auswalzten, bis es niemanden mehr interessierte. Ähnliches droht hier bereits in Episode zwei. Skepsis bleibt also angebracht - auch wenn Melonis kunstvolle Kaputtheit und Happys hysterische Happiness fürs Erste jede Menge Freude bereiten.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten zwei Episoden von "Happy!"
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Syfy
Die Serie "Happy!" ist am 6. Dezember 2017 in den USA beim Kabelsender Syfy angelaufen. Netflix hat die Serie in Deutschland in sein Angebot aufgenommen.Trailer zu "Happy!" (engl)
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