Das Film- und Fernsehserien-Infoportal

Log-In für "Meine Wunschliste"

Passwort vergessen

  • Bitte trage Deine E-Mail-Adresse ein, damit wir Dir ein neues Passwort zuschicken können:
  • Log-In | Neu registrieren

Registrierung zur E-Mail-Benachrichtigung

  • Anmeldung zur kostenlosen Serienstart-Benachrichtigung für

  • E-Mail-Adresse
  • Für eine vollständige und rechtzeitige Benachrichtigung übernehmen wir keine Garantie.
  • Fragen & Antworten

TV-Kritik/Review: The Bastard Executioner

Neues Gewaltepos vom "Sons of Anarchy"-Schöpfer - von Gian-Philip Andreas
(26.10.2015)

"Auf sie - mit dem Schwert!" - schon in den Anfangsszenen von "The Bastard Executioner" fließt reichlich Blut
"Auf sie - mit dem Schwert!" - schon in den Anfangsszenen von "The Bastard Executioner" fließt reichlich Blut

Wenn es nach Kurt Sutter geht, dann ist er zweifellos der härteste unter den amerikanischen Serienmachern. Um das nachdrücklich unter Beweis zu stellen, lässt der  "Sons of Anarchy"-Schöpfer in seiner neuen Serie für FX,  "The Bastard Executioner", gleich reihenweise Köpfe absäbeln, Blutfontänen spritzen, Schwerter durch Schädel fahren, Eingeweide übereinanderschwabbeln, Embryonen aus Bäuchen ziehen und Jungmädchennasen absensen. Wem jetzt schon schlecht ist, sollte gar nicht erst einschalten, denn der Selbstüberbietungsfuror in Sachen Abscheulichkeiten ist schon frappierend. Wahrscheinlich geht es heute nicht mehr anders, will man aus der stattlichen Anzahl der historischen "period pieces" unter den Serien noch hervorstechen. Problematisch wird es aber - und Sutters neue Serie muss sich das vorwerfen lassen -, wenn die Gewaltdarstellung zum Selbstzweck gerät und sich hinter dem ganzen Blut und den abgetrennten Gliedmaßen keine originelle Story verbirgt. Brutalitäten mögen den Gepflogenheiten im dunklen Mittelalter gewiss angemessen sein, doch auch in Gewaltdarstellungsfragen wenig zimperliche Vorbildserien wie  "Game of Thrones" oder  "Vikings" setzen ihre Schocks gut dosiert ein - aus gutem Grund. Denn wer den Ekelturbo anschmeißt, riskiert die rasche Abstumpfung.

"The Bastard Executioner", überwiegend in Wales gedreht, verortet sich mit diversen eingeblendeten Texttafeln historisch ziemlich exakt im späten Mittelalter, zu Beginn des 14. Jahrhunderts, als auf den britischen Inseln noch die römisch-katholische Kirche das Sagen hatte und immer wieder welsche Aufstände gegen die englische Krone aufflammten. Die Serienhandlung spielt zur Zeit der Regierung Edwards II. Damals gängelten englische Barone die walisischen Bauern mit brutal hohen Steuern, was zu anhaltenden Spannungen führte.

Zu Beginn der beiden leider sehr umständlich auf den Punkt kommenden Pilotepisoden liegt der walisische Protagonist der Serie alptraumgepeinigt im Bett. Flashback-Visionen führen den gut gebauten Recken Wilkin Brattle (Lee Jones) zurück in eine Schlacht, die sich fünf Jahre zuvor an der schottischen Grenze zutrug: Damals kämpfte er noch in der englischen Armee (des damaligen Königs Edward Longshanks), ehe er in der Schlacht gegen die Schotten fast sein Leben verlor (was Sutter Gelegenheit bietet, schon in den allerersten Serienminuten mit dem Kopfabsäbeln und Eingeweidegewurstel loszulegen). Dann aber war Wilkin ein Engelswesen erschienen, eine Art kindliche Danaerys Targaryen, die ihn ins Leben zurückholte und ihm einen anderen Lebensweg befahl - einen Weg als friedfertiger Bauer in der Provinz.

So lebt Wilkin nun tatsächlich in einem für die Kamera landlustig hergerichteten welschen Dörfchen, das im sonnig-milden Licht einer Rama-Werbung ans Auenland der Hobbits ebenso erinnert wie an die Bauernflecken in der Rittermusicalparodie  "Galavant", hier aber irritierend ernst gemeint ist. Weil Wilkins blonde Frau Petra (Elen Rhys) so schön und nett und schwanger ist und im Dorf alle so rechtschaffen sind, ist natürlich jedem sofort klar, dass das nichts Gutes bedeuten kann.

Tatsächlich plant man im Dorf gerade eine Attacke auf den Steuereintreiber des bösen Barons, was einen unerfreulichen Gegenbesuch zu Folge hat: Der Baron und seine Schergen fallen in das Dorf ein, während Wilkin und die anderen Männer noch unterwegs sind, um dort die Ehefrauen, Kinder und Alten dahinzuschlachten. Auch Petra wird brutal getötet. So findet sich hier eine Motivationsstruktur ins Werk gesetzt, die aus "Conan der Barbar" ebenso bekannt ist wie aus diversen Eastwood-Western und gefühlt jedem zweiten Mel-Gibson-Film seit "Mad Max": der Rachetrip eines tragischen Helden, dessen Familie ausgelöscht wurde.

Der Bösewicht, das ist zunächst besagter Baron Ventris, von Brian F. O'Byrne ( "Prime Suspect") als so stumpfer Widerling gespielt, dass man schon rätselt, wie eine solche Figur auf Serienlänge als Antagonist funktionieren soll. Im Wortsinn penetrant eingeführt beim ruppigen Beschlafen der jungen Frau Baronin (Flora Spencer-Longhurst), die er als unfruchtbar beschimpft; danach als brüllender Toiletten-Tyrann bloßgestelllt, mit Verstopfung auf dem Donnerbalken; schließlich als Knabenkehlenschlitzer unmöglich gemacht. Man ist fast froh, dass er bei der folgenden Racheaktion vom wieder das Schwert führenden Wilkin und seinen Mitstreitern abrupt sein Leben lassen muss - auf beispiellos grausame Weise, versteht sich.

Lichtblick: Flora Spencer-Longhurst als Baronin
Lichtblick: Flora Spencer-Longhurst als Baronin


Bis hierhin - und es dauert fast zwei Stunden bis hierhin - ist das ein gängiger B-Film-Plot. Aber wo zum Henker (das Wortspiel muss sein) kommt dann der "Bastard Executioner" ins Spiel? Wie wird aus der Rachemär eine Serie? Dazu bedarf es einer etwas angestrengten Konstruktion. Gegen Ende der zweiten Pilotfolge schleicht sich Wilkin mit seinem treuen Freund Toran (blass: Sam Spruell) in die Burg des toten Barons ein, um dort die restlichen Mörder dingfest zu machen. Er bedient sich dazu der Identität des fahrenden Henkers Gawain Maddox, der im Scharmützel mit dem Baron ebenfalls zu Tode gekommen war. In der Burg anwesend sind auch Maddox' Frau Jessamy (Sarah Sweeney) und sein kleiner Sohn, weshalb Wilkins gefälschte Identität schnell aufzufliegen droht. Kurioserweise decken Jessamy und Luca den falschen Henker - was glaubwürdig gemacht werden soll, indem der tatsächliche Maddox zuvor als brutales Ekel gezeigt wird, als irrer Flagellant und Schläger, über dessen Ableben Gattin und Sohn nur froh sein können. Wer in dieser Serie böse ist, ist auch wirklich nur böse. Die Konstruktion geht aber noch weiter: Haushofmeister Milus Corbett ( "True Blood"-Vampir Stephen Moyer im ungehemmten Chargen-Modus), der nach dem Ableben des Barons der neue Oberschurke ist, stellt Wilkin/Maddox als "Executioner" der Burg an und bringt den rechtschaffenen Bauern damit in eine pikante Situation: Er soll die Feinde Englands köpfen - also seine eigenen Leute, die walisischen Rebellen.

Auf den tatsächlich letzten Schritten des zweiteiligen Pilotfilms ist damit endlich ein serienfähiger Plot hergestellt, der mit erzählerischem Geschick und guten Charakteren schön über moralischen Zwiespalt und tragisches Verhängnis philosophieren könnte. Doch leider klappt das nicht. Lee Jones ist durchaus okay in der Titelrolle (warum er ein "Bastard"-Henker ist, wird in der dritten Folge enthüllt), optisch irgendwo zwischen "Thor" und den "Sons of Anarchy"-Bikern, doch sein stets missmutiger Blick findet in Corbett, der Wilkins Identität durchschaut, keinen adäquaten Antagonisten: Der bisexuelle Haushofmeister spielt den Westentaschen-Machiavelli, doch ein eiseskalter Ränkeschmied vom Format eines Tywin Lannister ist er nicht.

Jenseits dessen jongliert die Serie mit allzu vielen Nebenfiguren: Wilkins walisische Kumpels erinnern, vom sodomitischen Narren über den stolzen Berber (Danny Sapani aus  "Penny Dreadful") bis hin zum gütigen Dicken, an Robin Hoods wilde Bande - nur ohne großes Charisma. In der Baronsburg stehen die Zwielichtigen (Timothy V. Murphy als Pfarrer) den Netten (als Zofe: Sarah White) brav gegenüber. Dann ist da noch das mystische Element: Schon zu Beginn flattert ein hübscher CGI-Drachen durch die Gegend, später zieht die Hexe Annora einer amputierten Leiche eine Schlange aus dem Schlund. Annora wird von Kurt Sutters Gattin und "Sons of Anarchy"-Muse Katey Sagal gespielt - mit grauem Wallehaar und dem osteuropäischen Akzent einer schlecht ausgedachten Borsteinschwalbe. Leider eine Witzfigur. Ihr zur Seite steht ein meist stumm umhergeisternder Typ in Kutte - mit brandvernarbtem Freddy-Krueger-Schädel gespielt von Kurt Sutter persönlich. Das Duo scheint sowohl mit Wilkins Engelserscheinung zu tun zu haben als auch eine ganz eigene Agenda zu haben. Leider wirkt es vorwiegend lächerlich.

Es bleiben also nur wenige Lichtblicke und Hoffnungsschimmer, die diese ziemlich unausgegorene und sich vor allem viel zu ernst nehmende Geschichte halbwegs interessant halten: Flora Spencer-Longhurst etwa, die ihre Baronin zum Leuchten bringt wie eine jugendliche Caitlyn Stark. Dass die junge Witwe nach dem Tod ihres Gatten nicht daran denkt, das Regieren dem intriganten Corbett zu überlassen, gehört zu den lohnenderen Handlungssträngen der ersten Folgen: Die Darstellerin fesselt, auch als potenzielles Love Interest für den Witwer Wilkins ist sie ohnehin gesetzt.
Und sonst?  "The Americans"-Star Matthew Rhys (gebürtiger Waliser) amüsiert als fusselbärtiger Rebell "The Wolf", der hoffentlich noch mehr Szenen bekommt als zu Beginn. Songwriter Ed Sheeran, der das waidwund klagende Titellied (zu Folterkammerbildern) singt, taucht in einer Kleinstrolle auf, und auch einen Auftritt des Rappers Scroobius Pip soll es später in der zehnteiligen Staffel noch geben. Alles schön und gut, aber das sind Gimmicks in einer Serie, die bisher noch nicht beweisen konnte, dass es dieses weiteren Neuzugangs im weiten Tal der History-Gewaltopern noch bedurft hatte.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "The Bastard Executioner".

Meine Wertung: 2.5/5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: FX Networks


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

Beitrag melden

  •  

Leserkommentare