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TV-Kritik/Review: Vikings

TV-Kritik zum History-Spektakel - von Gian-Philip Andreas
(24.04.2013)

Ragnar Lodbrok (Travis Fimmel) und seine Wikinger sind ständig auf der Jagd nach Beute.
Ragnar Lodbrok (Travis Fimmel) und seine Wikinger sind ständig auf der Jagd nach Beute.


Nur Sekunden dauert es, da steckt schon - rrritsch! - das erste Schwert in hartem Männerleibe. Mit Hauen und Stechen haben die Wikinger um Ragnar Lodbrok (Travis Fimmel) in Litauen wieder einmal Beute gemacht, karge Beute. Im ganzen Ostseeraum sei halt nichts zu holen, meint Ragnar und richtet seinen Blick gen Westen. Irgendwo jenseits der Nordsee, so heißt es, liege Britannien, ein Land voller Reichtümer, die es nur zu plündern gelte. Mit Hauen und mit Stechen.

Michael Hirst hat mit  "Camelot" (für Starz) sowie  "Die Tudors" und  "Die Borgias - Sex. Macht. Mord. Amen." (für Showtime) bereits an mehreren Serien gearbeitet, die sich zwischen Mythos und Geschichte, zwischen frühem Mittelalter und Renaissance bewegten. Mit dieser neuen Serie für den kanadischen History Channel geht er nun als Chef-Autor zurück ins späte 8. Jahrhundert, zu den wilden Männern im nördlichen Skandinavien, an den Beginn des Wikingerzeitalters.

Eroberungen, Kämpfe, mittelalterliches Dekor: Das passt, denn das Genre der schwertscheppernden Dramen und historischen Fantasy-Epen scheint nach  "Spartacus" und  "Game of Thrones" keineswegs an Popularität einzubüßen, sondern immer neue Vertreter hervorzubringen - siehe dazu derzeit auch  "Da Vinci's Demons". Obwohl aber bereits im Piloten der erste Schädel vom Rumpf gesäbelt wird, scheint  "Vikings" in Sachen blutiger Gewalt einen (kleinen) Schritt hinter die Vorgänger zurücktreten zu wollen, und auch die Sexszenen scheinen mir dezenter angelegt zu sein. Ob's am mit wissenschaftlichem Anspruch buhlenden History Channel liegt, der mit "Vikings" seine erste Fiction-Serie vorlegt? Hirst jedenfalls baut auf Seriosität, und tatsächlich leistet sich seine Serie etwas, das längst nicht jedes Actionspektakel zu bieten hat: einen Sinn für Ambivalenzen und moralische Grauzonen.

Ragnar Lodbrok nämlich, der junge Nordmann, um den es hier geht und den es als legendären Wikingerkrieger ums Jahr 800 herum tatsächlich gegeben haben soll, ist als Held der Serie zugleich ein Aggressor: Er kämpft nicht nur nur gegen Feinde, er tötet auch Querulanten in der eigenen Crew und schnetzelt dutzendweise wehrlose Mönche nieder. Mit so einem soll man mitfiebern?

Zum Glück verblasst seine (offenbar historischer Überlieferung gemäße) Gewalttätigkeit gegen den psychopathischen Terror seines Herrschers: Dieser Haraldson, der sogenannte Earl von Kattegat, hält seine Untertanen mit Lynchjustiz und kaum verhohlener Gemeinheit in Schach. Das Ansinnen Ragnars, lieber mal im Westen und nicht im armen Osten nach Beutegut Ausschau zu halten, verwirft der wenig weitsichtige Häuptling wutschnaubend; er empfindet es gar als Affront des jungen Wikingers, ihn öffentlich mit Verbesserungsvorschlägen konfrontiert zu haben und lässt Ragnar fortan bespitzeln. Der sowieso immer sehenswerte Gabriel Byrne (Golden Globe für  "In Treatment - Der Therapeut") spielt den Earl als Despoten von shakespeareschem Format mit Neigung zum kurzen Prozess - alle Szenen mit ihm in den ersten Episoden sind großartig! Und auch wenn Haraldson seine eigenen Schergen erstechen, Schmiede ins Schmiedefeuer stoßen und Kinder lebendig begraben lässt: Nachts wacht dieser Schurke panisch aus Alpträumen auf, die ein existenzielles Trauma erahnen lassen. Nur wenige Psychologisierungen leistet sich "Vikings" zu Beginn; es genügen Andeutungen, um dem Bösewicht einen Funken Verletzbarkeit zuzuschreiben.

Der Earl von Kattegat (Gabriel Byrne) macht kurzen Prozess.
Der Earl von Kattegat (Gabriel Byrne) macht kurzen Prozess.

Wo Earl für betonharten Konservativismus steht, verkörpert Ragnar so etwas wie Aufbruch - auch wenn es erst einmal nur um den Aufbruch in neue Jagdgebiete geht. Aber immerhin denkt er überhaupt progressiv. Mit dem Tüftler Floki (Gustaf Skarsg?rd) baut er verbesserte Langschiffe, und bei klandestinen Treffen in schummrigen Häusern raunt man sich verschwörerisch neue Navigationstechniken (ein Sonnenstein!) zu. Ragnar und sein Bruder Rollo (Clive Standen, "Camelot") scharen eine eigene Mannschaft hinter sich und rudern los - illegal. Private Probleme lauern im Hintergrund: Rollo nämlich begehrt pikanterweise Ragnars Frau, die kampfeslustige Schwertmaid Lagertha (Katheryn Winnick); später wird es einen urkomischen Streit der Eheleute geben, der sich zur handfesten Prügelei ausweitet. Und Siggy (Jessalyn Gilsig,  "Glee"), die Frau des Earls, ist bislang ein Rätsel: Steht sie als manipulative Lady Macbeth federführend hinter den Mordtaten ihres Mannes, oder bereitet sie heimlich dessen Demontage vor? Oder gar beides?

Am Ende des Pilotfilms sind die Konflikt- und Entwicklungslinien der Serie erkennbar: Es wird um den Zweikampf zwischen Haraldson und Ragnar gehen. Der eine sieht seinen Einfluss gefährdet, der andere wird durch neue Erfahrungen allmählich sein bisheriges Weltbild überdenken. Im Beziehungsdreieck der Brüder mit Lagertha steckt weiterer Zündstoff. Und nicht zuletzt gerät Ragnars zwölfjähriger Sohn Bjorn (Nathan O’Toole) in einen Loyalitätskonflikt: Bei einer Art Konfirmation muss er dem Earl, der seinen Vater jagt, Gefolgschaft schwören.

Kaum sind diese Beziehungsvektoren etabliert, kommt bereits Neuland in die Serie: Gegen Ende der zweiten Episode erobern Ragnars Mannen die Klosterinsel Lindisfarne im britischen Königreich Northumbria. Sie entwenden nicht nur die juwelenbesetzten Reliquien, sondern auch einen jungen christlichen Mönch (George Blagden, "Les Misérables"): Athelstan kommt als aufklärerisches Moment ins raue Wikingerland und rezitiert zitternd aus den Johannes-Evangelium, während Ragnar und Lagertha ihn unbekümmert dazu einladen, bei ihrem Liebesspiel mitzuwirken. Den an die nordische Götterwelt glaubenden Eroberern muss dieser Christenmann wirklich wie ein komischer Kauz vorkommen: "Euer Gott nützt Euch nichts", heißt es einmal. "Er ist ja tot, ans Kreuz genagelt."

In großen Bildern kommt "Vikings" daher. Gedreht wurde in Irland und Norwegen, und die in teils spektakuläre Naturaufnahmen hineingetricksten historischen Siedlungen protzen nicht mit Pompösität. Ein leichter Grusel- und Gothic-Nebel liegt über der Serie, angefangen vom unheilschwangeren Vorspann, in dem Ragnar zum Fever-Ray-Song "If I Had a Heart" auf den Meeresboden hinabsinkt, über dunkle Visionen und krächzende Raben bis hin zu skurrilen Nebenfiguren wie den blinden Seher, der - inszeniert in grünem Schauerlicht - ein wenig so aussieht wie Marilyn Manson, nachdem er den Kopf in die Friteuse gehalten hat.

Das Beste aber an dieser schon in den ersten drei Folgen mit überdurchschnittlich vielen Spannungshöhepunkten glänzenden Serie ist ihre Uneindeutigkeit. Nicht nur Ragnar (von Ex-Model und Ex- "Tarzan"-Fimmel souverän stahlblauäugig, rauschebärtig und zottelzöpfig gespielt), sondern auch Rollo (der zu sexueller Dämonie neigt) oder Floki (nah am Irrsinn) sind keineswegs nur sympathische Charaktere. Ihr Handeln kennt keine (heutige) Moral, das Konzept von "Seele" ist ihnen (noch) unbekannt, und die Katastrophe liegt ständig in der Luft. Exemplarisch zeigt das der fulminante Schluss der dritten Episode: Da trifft Ragnars Crew per Zufall auf britische Soldaten. Die wollen den 'Gästen' im Prinzip nichts Böses, doch verstanden werden sie nicht. Das wird in der Originalfassung genial in babylonischer Sprachverwirrung aufgelöst: Werden die Engländer gezeigt, wie sie über die Absichten der Neuankömmlinge rätseln, hört der Zuschauer sie in heutigem Englisch sprechen. Werden dagegen die Wikinger gezeigt, wie sie die Engländer nicht verstehen, hört auch der Zuschauer nur Angelsächsisch. Kommunikation wäre alles - doch eine kleine Dummheit reicht dann schon, bis es wieder klirrt, kracht und - rrritsch! - ziemlich schnell deutlich wird, dass es bis zur Erklärung der Menschenrechte damals noch ein paar Jährchen hin war.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen von "Vikings".

Meine Wertung: 4/5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: History


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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