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TV-Kritik/Review: "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht": Amazons Serienepos macht Tolkiens detailreiche Fantasy-Welt greifbar
(31.08.2022)
Lange Zeit galt das von Oxford-Professor J.R.R. Tolkien erdachte Fantasy-Großwerk "Der Herr der Ringe" als unverfilmbar. Schwierig erschien es nicht nur, den reichhaltigen Stoff sinnvoll einzudampfen. In einer Zeit, in der noch keine ausgefeilten Computereffekte zur Verfügung standen, hätte eine ernstzunehmende Adaption außerdem Unsummen verschlungen. Der Anbruch der digitalen Ära brachte dann aber ganz neue Möglichkeiten mit sich. Und so wagte es der Neuseeländer Peter Jackson, ein leidenschaftlicher Fan der Buchvorlagen, Tolkiens Abenteuergeschichte auf die große Leinwand zu hieven.
Das Ergebnis ist bekannt: Die "Herr der Ringe"-Trilogie begeisterte Kritiker und Publikum mit atemberaubenden Landschafts- und Schlachtentableaus und ließ die Kassen kräftig klingeln. Jacksons Filme setzten neue Standards im Blockbuster-Segment und vermittelten nach Erscheinen, ähnlich wie Steven Spielbergs Dinosaurierkracher
Ein solcher, von ungläubigem Staunen geprägter Eindruck stellt sich bei der nun startenden, auf mehrere Staffeln angelegten Amazon-Serie
Dennoch können wir festhalten, dass die acht Episoden umfassende Streaming-Produktion optisch einiges zu bieten hat. Nicht nur, weil, wie schon bei den Filmen, die imposante Landschaft Neuseelands als Hauptdrehort genutzt wurde und wir in den Genuss vieler wuchtiger Naturaufnahmen kommen. Schon in der Einstiegsfolge fällt zudem die agile, den Zuschauer geschickt in das Geschehen hineinziehende Kameraarbeit auf. Regisseur Juan Antonio Bayona und Bildgestalter Óscar Faura, die mit der gefeierten Romanadaption
Kommen wir nun zu der zentralen Frage: Worum geht es in Amazons Prestigeprojekt, für dessen Rechte allein 250 Millionen Dollar auf den Tisch geblättert wurden? Wie schon vorab zu hören war, handelt es sich bei der von Patrick McKay und John D. Payne entwickelten Serie gewissermaßen um ein Prequel zu
Viele tausend Jahre bevor der Hobbit Bilbo Beutlin durch Zufall einen magischen Ring finden und sein Neffe Frodo diesen später vernichten wird, um den von Sauron verbreiteten Schrecken zu beenden, scheint ein friedliches Zeitalter bevorzustehen. Nach dem Sieg über den durchtriebenen Morgoth ist das Böse vertrieben. Das zumindest glauben die meisten Wesen, die Mittelerde bewohnen. Zweifel hegt hingegen die Elbin Galadriel (Morfydd Clark), die im Kampf ihren Bruder verloren hat und sich auf die Fahne schreibt, alle finsteren Kräfte ein für alle Mal zu bezwingen. Gegen den Willen ihrer Mitstreiter treibt sie die Suche nach Morgoths Diener Sauron voran, von dem in ihren Augen nach wie vor eine große Gefahr ausgeht.
Weniger pessimistisch ist die Sicht ihres Freundes Elrond (Robert Aramayo), eines Halbelben, der Galadriel schließlich dazu bringt, ihre beinahe obsessiven Erkundungen abzubrechen. Auf dem Weg zurück kommt es jedoch zu einem Zwischenfall, der sie wieder in die andere Richtung treibt. Elrond wiederum will mit dem Elbenschmied Celebrimbor (Charles Edwards) ein wegweisendes Projekt angehen und ersucht dafür die Hilfe der Zwerge von Khazad-dûm. Prinz Durin IV (Owain Arthur) empfängt ihn indes nicht mit offenen Armen.
Ein weiterer Handlungsstrang kreist um Nori Brandyfoot (Markella Kavenagh), die zum Hobbitstamm der Harfüße gehört und in ihrem Dorf als kleine Rebellin auffällt. Während die anderen Bewohner in Ruhe den ihnen zugedachten Aufgaben nachgehen wollen, sehnt sie sich nach Abenteuern, nach einem Ausbruch aus dem Rahmen. Gelegenheit bietet sich, als sie eines Nachts einen vom Himmel fallenden Unbekannten (Daniel Weyman) findet.
In den Fokus rücken ferner die menschliche Heilerin Bronwyn (Nazanin Boniadi) und der Waldelb Arondir (Ismael Cruz Córdova). Zwischen ihnen könnte sich eine Liebesbeziehung entwickeln. Da das Verhältnis von Menschen und Elben allerdings angespannt ist, kommen die Gefühle zunächst nur sehr verhalten zum Vorschein. Auch diesen beiden Figuren dämmert irgendwann, dass das Böse keineswegs aus Mittelerde verschwunden ist. Eine im weiteren Verlauf nicht unbedeutende Rolle dürfte Bronwyns Sohn Theo (Tyroe Muhafidin) einnehmen, der heimlich ein Artefakt hütet, das mit Sauron in Verbindung steht.
All das muss man erst einmal sacken lassen. Vor allem, wenn man kein Tolkien-Insider ist. "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht" setzt uns ein gewaltiges Figurenensemble vor, wirft mit Namen nur so um sich und springt auf der eingeblendeten Karte von Mittelerde und angrenzenden Reichen immer wieder hin und her. Wer sich in diesem Fantasy-Universum nicht schon bestens auskennt, kann hier und da durchaus die Orientierung verlieren - egal, wie sehr sich die Serienmacher auch um ein übersichtliches Worldbuilding bemühen. Der große Aufwand, der betrieben werden muss, um das Personal und die unterschiedlichen Ziele einzuführen, hat in der ersten und zweiten Episode zur Folge, dass es nur sporadische Actionakzente und keinen gewaltigen Spannungsanstieg gibt. Viele Charaktere wirken noch etwas oberflächlich, speisen sich zumeist aus einer einzigen hervorstechenden Eigenschaft.
Die in den Leinwandwerken als über den Dingen schwebendes, erhabenes Geschöpf auftretende und von Cate Blanchett gespielte Galadriel etwa tritt uns in ihrer jungen Version als Getriebene gegenüber, die den Verlust ihres Bruders stets vor Augen hat, während Harfuß Nori für Emanzipation und Neugier auf die große Welt steht. Wie die Figuren weiter ausgefeilt und wie die anfangs noch parallel ablaufenden Geschehnisse verwoben werden, bleibt abzuwarten. Potenzial für ein aufregendes Epos ist aber definitiv vorhanden, zumal - der Serientitel kündigt es an - die in den Filmen nur zusammengefasste Erschaffung der magischen Ringe und Saurons Aufstieg konkreter in den Blick geraten dürften.
Was die Streaming-Produktion auf jeden Fall schon nach den Auftaktkapiteln wunderbar transportiert, sind die unglaubliche Komplexität und der Detailreichtum des von Tolkien kreierten Kosmos mit seinen zahlreichen Völkern und ihren jeweils eigenen Backstorys. In der Lichtsetzung, der Farbgebung, im Szenenbild und in den Kostümen arbeiten die Serienverantwortlichen den Reichtum an Ideen und Besonderheiten treffend heraus. Die Welt der Elben schimmert warm und angenehm, wohingegen in Noris Dorf Erdtöne dominieren. Herrlich markant und eigenwillig, noch mehr als in Jacksons Kinoarbeiten, ist die Darstellung der Zwerge. Diversität spiegelt sich nicht zuletzt sehr deutlich in der Schauspielriege wider. Eine Entscheidung, die bereits weit vor der Veröffentlichung für einen - erwartbaren - Aufschrei sorgte. Zweifellos kann und sollte man darüber diskutieren, ob das Ganze manchmal nicht zu sehr nach Quotenerfüllungsdienst riecht. Wer sich über ein diverses Casting maßlos echauffiert, hat aber eines nicht verstanden: In Tolkiens Geschichten geht es auch und vor allem um den Reiz der Vielfalt und ein fruchtbares Miteinander.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden von insgesamt acht Folgen der Serie "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht".
Die ersten beiden Episoden der Serie "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht" werden am 2. September bei Prime Video veröffentlicht. Im Wochenrhythmus folgen dann die weiteren Kapitel.
Leserkommentare
User 65112 schrieb am 05.09.2022, 16.50 Uhr:
Ich fand die ersten beiden Folgen richtig gut. Die Bilder, Dialoge, Figuren, der epische Grundton. Die Serienmacher haben das alles mit viel Liebe zum Detail umgesetzt und Tolkiens Welt zum Leben erweckt. Die Schauspieler waren allesamt klasse und wirklich sehr passend zu ihren Rollen besetzt. Ich freue mich schon sehr auf den Rest der Serie!xena123 schrieb am 05.09.2022, 07.44 Uhr:
Wie schon beim GoT-Abklatsch ist es wohl wichtig, eine diverse und weibliche Sicht auf Mittelerde (bei Haus der Drachen: Westeros) zu bekommen.
Ist das förderlich oder schädlich?
Für ein Quotendiktat, Ruhe in den Medien und Schultergeklopfe von einer Seite ist das sicherlich förderlich - für den Erfolg aber nicht.
Der Herr der Ringe Fan ist ein heterosexueller alter weißer Mann. Jackson wusste das. Und deshalb ist "Der Herr der Ringe" auch das Maß aller Dinge. Immer noch!
ABER: Es ist nicht so schlecht, wie das femininisierte Westeros. Die Bilder sehen nicht so aus, als wäre man in einem Computerspiel, man wechselt kontrastreich oft die grandiosen Orte, dem Diversitätsdiktat wurde maßvoll Schuldigkeit getan (Dienst nach Vorschrift), man bemüht sich nicht zu speedig zu werden, die Musikuntermalung passt (wenn auch nicht im geringsten mit dem Original zu vergleichen einmalig) und die Geschichte fesselt.
Auch wenn man sehr, sehr viel Geld in die Hand genommen hat - es spielen nunmal nicht Elijah Wood, Sean Astin, Viggo Mortensen, Ian McKellen, Andy Serkis, Orlando Bloom, Sean Bean, Liv Tyler, Ian Holm, Hugo Weaving, Christopher Lee, Cate Blanchett, Karl Urban usw. mit. Jedoch könnte die Geschichte und hoffentlich viel Ruhe, Pathos und Würde das wieder ausgleichen.
Die Serie hat eine Chance verdient und bietet vielleicht noch Überraschungen.PJ schrieb am 03.09.2022, 16.40 Uhr:
„Wer sich über ein diverses Casting maßlos echauffiert, hat aber eines nicht verstanden: In Tolkiens Geschichten geht es auch und vor allem um den Reiz der Vielfalt und ein fruchtbares Miteinander.“Richtig. „Vielfalt und fruchtbares Miteinander“ sind bei Tolkien durch das Zusammenspiel von Elben, Menschen, Zwergen etc. gewährleistet.
Wer aus reiner Quotensucht sich an den Mainstream anbiedert, hat das Werk Tolkiens nicht verstanden oder missachtet es absichtlich und sollte seinen eigenen Rotz produzieren, aber nicht die von Tolkien erschaffene Welt verhunzen.Rainer_Stache schrieb am 02.09.2022, 23.53 Uhr:
Kein Wort in der Kritik über das unglaubliche, peinliche Pathos der Serie. Über die ebenso peinlichen, schwülstigen Dialoge. Die häufig unsympathischen Schauspieler. Dafür viel Inhaltsangabe und die merkwürdige Logik, dass Tolkiens Vielfalt rechtfertige, dass plötzlich schwarze Elben und Zwerge die nordische Illusion zerstören, nur um woke Minderheiteninteressen zu befriedigen. Und wo bitte haben die rassistischen Black-Matters-Macher die chinesischen und amerikanisch-indigenen Figuren gelassen? Wenn schon, denn schon. Schwacher Text.Tom_Cat schrieb am 03.09.2022, 10.40 Uhr:
Absolut. Diese hippen, modernen Journalisten drehen sich Ihre "diversen" Ansichten auch zu Recht, ohne sich um Logik zu scheren oder über den Tellerrand zu schauen, wie es in anderen Kulturen aussieht.Plumpaquatsch schrieb via tvforen.de am 02.09.2022, 12.33 Uhr:
"Dank Rechnerunterstützung ist heutzutage im Grunde alles machbar. Und gerade deshalb kommt es immer seltener vor, dass wirklich neuartige, sprachlos machende Bilder entstehen."
---------------DER Satz über die Misere Hollywoods. (Oder einer davon...)Eins können Computer (noch??) nicht: sich gute Geschichten ausdenken und Schauspieler generieren, die beim Publikum hängenbleiben und Emotionen auslösen --> mal schauen also, ob das was ist....Tom_Cat schrieb am 03.09.2022, 10.44 Uhr:
Ebenso richtig. Die Drehbücher von 80 - 90 % der letzten 5 Jahre sind nur noch Dreck.
Dazu kommen kaum markante, auch markige oder gar charismatische Darsteller nach....uns, sagen wir mal, es wird nur noch divers, gender oder marketingtechnisch gecastet.
Game of Thrones hat es noch richtig gemacht. Top Schauspieler und dunkelhäutige Darsteller, wo es auch Sinn macht (eben bestimmt nicht im Norden).Stephan Zürich schrieb am 01.09.2022, 07.26 Uhr:
Hoffe das gute wird nicht nur für den Trailer verbraten. Wäre schade, aber bin gespannt.
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