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TV-Kritik/Review: "Unbelievable": Erschütternde True-Crime-Serie, die lange nachwirkt
(31.12.2019)
Zum Glück ist niemand auf die Idee gekommen, den Titel dieser Ausnahmeserie für die deutsche Fassung zu übersetzen: Die Doppelbedeutung des Wortes
Maries Geschichte hing mit mindestens fünf weiteren Vergewaltigungsfällen zusammen, die sich bis 2011 im vom Staat Washington aus südöstlich jenseits der Rocky Mountains gelegenen Colorado zutrugen und dort lange keinen Zusammenhang erkennen ließen: Die Opfer des Täters waren mal jung, mal alt, mal schlank, mal nicht, mal weiß, mal nicht, doch in allen Fällen hatte der Mann die alleinlebenden Frauen in deren eigenen Wohnungen aufgesucht, während der Tat fotografiert und penibelst darauf geachtet, keine DNA am Tatort zurückzulassen. Zwei Polizistinnen und ihre Teams aus benachbarten Bezirken rund um Denver kamen dem Täter schließlich gemeinsam auf die Schliche; 2011 wurde er in Colorado zu 327,5 Jahren Haft verurteilt.
Über diese Begebenheiten war zunächst 2015 ein Pulitzer-Preis-gekrönter Artikel von T. Christian Miller und Ken Armstrong erschienen ("An Unbelievable Story of Rape"), dem ein Jahr später eine Episode der Radiosendung "This American Life" folgte. Aufbauend auf dieser Grundlagenarbeit haben die Drehbuchautorin Susannah Grant (
Die Serie, wie aus einem Guss inszeniert von Lisa Cholodenko (
Mal abgesehen davon, dass hier, ohne dies groß zum Thema zu machen, zwei Frauen als "True Detectives" operieren, ist es vor allem die zentrale Perspektive, die die Serie vom Gros der üblichen True-Crime-Produktionen unterscheidet: Zwar wird auch hier nach einem Täter gesucht und wird am Ende auch darüber gesprochen, um was für eine Gestalt es sich bei diesem (psychologisch) handeln könnte, doch letztlich ist der Täter für die Erzählung zweitrangig. Er wird von einem Nebendarsteller verkörpert und am Ende einmal symbolisch nackt gemacht, spielt aber eigentlich keine Rolle, denn was "Unbelievable" viel mehr interessiert als dieser Mann, ist das, was mit seinen Opfern passiert - nach der Tat.
Beispielhaft gezeigt wird dies an der eingangs erwähnten Marie Adler (in allen nur erdenklichen Facetten zwischen Renitenz, Ungläubigkeit, Verzweiflung, Resignation und Apathie grandios gespielt von Kaitlyn Dever aus
Ab der zweiten Episode wird Maries Geschichte mit den drei Jahre später stattfindenden Ermittlungen von Duvall und Rasmussen parallelgeführt, ehe beide Plotlinien am Ende der grandiosen vorletzten Folge auf erzählerisch clevere (und sehr bewegende) Weise zusammentreffen. Bewundern muss man die Autoren schon dafür, dass sie trotz des bekannten Ausgangs die Spannung stets hochhalten: Wie in jeder wirklich guten Serie ist nicht das "Was?" entscheidend, sondern das "Wie?", und das stimmt hier tatsächlich von Anfang bis Ende. Das gilt für den detaillierten Nachvollzug der polizeilichen Vorgänge, aber auch für klug eingestreute Blicke ins Privatleben beider Ermittlerinnen - so reichen ein paar Szenen mit Rasmussens für den Staatsanwalt arbeitenden Ehemann Steve (Kai Lennox aus
Die Behandlung des jüngsten Opfers Amber (Danielle Macdonald,
Was man "Unbelievable" vorhalten könnte, ist ein gewisser überbeflissener Hang zur journalistischen Akribie: In die Dialoge wird viel statistisches Wissen gestopft, was sicher dem Wunsch der Macher geschuldet ist, eine belastbare Anklage der Missstände im Justizapparat vorzulegen, die Aussagen der Polizistinnen, Pflegeeltern und einer Psychologin allerdings mitunter etwas gestelzt wirken lässt. Das fällt besonders deshalb auf, weil sich die Autoren sonst einer vorbildlichen "Show-don't-Tell"-Dramaturgie bedienen und vieles per Inszenierung klarmachen, was in handelsüblichen Procedurals meist erst zerredet werden muss. Der durchgehend tollen Besetzung ist es jedenfalls hoch anzurechnen, dass sie bis in die letzte Nebenrolle hinein auch bestens mit solchen Erklärtexten klarkommt - von Nick Searcy ("Justified") als ignoranter Cop über Aaron Staton (
Über allem thronen allerdings die drei Hauptdarstellerinnen, die das emotionale Gewicht der Serie mühelos auf ihren Schultern tragen: Für Kaitlyn Dever und Merritt Wever dürfte "Unbelievable" der (endgültige) Durchbruch sein, Collette erbringt einen weiteren Nachweis ihrer immer wieder bestaunenswerten Könnerschaft. Alle drei sind bei den Golden Globes übrigens als "Beste Darstellerin" nominiert, genauso wie die Serie selbst. Zu Recht: Sie gehört, neben
Dieser Text basiert auf der Sichtung aller acht Episoden der Miniserie "Unbelievable".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Netflix
Die Serie "Unbelievable" befindet sich weltweit im Angebot des Streamingdienstes Netflix.
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