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TV-Kritik/Review: "Y - The Last Man": Feierabend für die Männlichkeit in neuer Disney+-Serie

Ambitionierte Comicverfilmung mit Diane Lane hat anfänglich Mühe, über andere Postapokalypse-Serien hinauszuweisen
Unterwegs in einer Welt (fast) ohne Y-Chromosom: Yorick, der letzte Mann auf Erden.
Hulu/Disney
TV-Kritik/Review: "Y - The Last Man": Feierabend für die Männlichkeit in neuer Disney+-Serie/Hulu/Disney

Die Popkultur kennt da keinen Zweifel: Die Apokalypse ist der neue Normalzustand. Das Ende der Welt, wie wir sie kannten, ist seit der Jahrtausendwende sukzessive zum mehr oder weniger handelsüblichen Topos zeitgenössischer Erzählwelten geworden, und jeder Film, jede Serie, jeder Roman, der jetzt noch auf den Zug aufspringt, muss sich schon gehörig strecken, um aus der Masse herauszustechen. Das gilt auch für  "Y: The Last Man", eine sehr solide produzierte und gut gespielte Comicverfilmung, der es in den umständlich erzählten ersten Episoden allerdings kaum gelingt, ausreichend Spannung aufzubauen - was durchaus fatal sein könnte angesichts der vielen Alternativen in diesem Metier. Dabei hat der Zehnteiler, der bei uns via Disney+ abrufbar ist, schon aufgrund seiner originellen Vorlage jede Menge Potenzial.

Der zugrunde liegende Comic von Kult-Autor Brian K. Vaughan (Saga,  "Paper Girls",  "Runaways") und Illustratorin Pia Guerra, zwischen 2002 und 2008 in 60 Heftausgaben erschienen (in Deutschland bei Panini), entwarf das Ende der uns bekannten Welt nämlich als geschlechtlich getrennte Apokalypse: Von einem Tag auf den anderen sterben alle Säugetiere mit Y-Chromosom, von der Ratte über den Hund bis hin zum menschlichen Mann. Nach diesem sogenannten "Androzid" bleiben nur Frauen übrig, die sich zurechtfinden müssen in einer Welt, in der die meisten infrastrukturellen Betriebs- und Instandhaltungsarbeiten nach wie vor von Männern ausgeführt werden. Sprich: Wenn die Männer sterben, entgleisen Züge, fallen Flugzeuge vom Himmel, kollabiert die Strom-, Wasser- und Gasversorgung. Und wie sollen sich die Frauen in Zukunft fortpflanzen? Der Wegfall alles Männlichen würde das Ende der Menschheit zwar nicht direkt besiegeln, aber letztlich nur vertagen.

Zum winzigen Glück haben Vaughan und Guerra jeweils einen einzigen menschlichen und tierischen Y-Chromosom-Träger am Leben gelassen: Yorick, sicher nicht von ungefähr so benannt wie der tote Hofnarr aus Shakespeares "Hamlet", ist ein erfolgloser Entfesselungskünstler aus New York, der an der Seite eines Kapuzineräffchens namens Ampersand durch die Postapokalypse tingelt und sich allmählich der Tatsache gewahr wird, dass er die einzige Hoffnung der verbliebenen weiblichen Menschheit sein dürfte.

Was ein bisschen so klingt wie der feuchte Traum schwiemeliger Maskulisten - "Da könnt Ihr mal sehen, wie arm dran die Welt ohne Männer wäre!" -, war natürlich schon im Comic als Gedankenspiel wesentlich differenzierter aufgezogen als eine solche Verkürzung, auch wenn die hie und da geäußerte Kritik an den überwiegend im Stil von Männerfantasien gezeichneten Frauen ebenso wenig von der Hand zu weisen ist wie die Frage, warum über eine Welt der Frauen ausgerechnet anhand eines männlichen Protagonisten erzählt werden musste.

Power-Blick vor der Flagge: Jennifer Brown (Diane Lane) ist sehr plötzlich neue US-Präsidentin geworden.
Power-Blick vor der Flagge: Jennifer Brown (Diane Lane) ist sehr plötzlich neue US-Präsidentin geworden. Hulu/Disney

Die Serienverfilmung nun, die Vaughan und Guerra für das Label FX on Hulu mitproduzierten, dürfte Maskulisten eher wenig Freude bereiten: Entwickelt von Eliza Clark (die zuvor  "Animal Kingdom"- und  "Extant"-Episoden produzierte) und überdies ausschließlich von Frauen inszeniert und geschrieben, stellt die Serie Yorick nicht als unbestrittene Hauptfigur ins Zentrum des Geschehens. Sie reiht ihn eher gleichberechtigt in ein Y-Chromosomen-freies Ensemble ein. Die aus den Comics bekannten Charaktere werden dabei unterschiedlich gewichtet und um neue Figuren ergänzt.

Yoricks Mutter etwa, eine demokratische Kongressabgeordnete, die im Comic nach der Katastrophe als neue Innenministerin dient, wird in der Serie sogar zur neuen US-Präsidentin befördert. Gespielt von Diane Lane ( "Untreu",  "Unter der Sonne der Toskana"), die die Besetzungsliste anführt, ist sie zumindest in den ersten beiden Folgen die unbestrittene Hauptfigur. Nicht nur mit dem Weltendesaster muss sie sich herumplagen, auch mit schnöden Eheproblemen. Marin Ireland ( "The Empty Man") als überforderte Assistentin des gestorbenen republikanischen Präsidenten (Gastauftritt des ergrauten  "Ein Mountie in Chicago"-Stars Paul Gross) hat es im Comic ebenso wenig gegeben wie die Präsidententochter Kimberly, die Amber Tamblyn ( "Die himmlische Joan",  "The Grudge 2") als konservative Matrone mit rechter Agenda verkörpert, die alsbald um ihre beiden Söhne trauern muss.

Zudem beleuchtet die Serie durch die Hereinnahme des Transmannes Sam (Elliot Fletcher aus  "The Fosters") einen durchaus wichtigen Aspekt genauer, der in den Comics nur am Rande gestreift wurde: dass eben auch sich als männlich definierende Menschen, die über kein Y-Chromosom verfügen, die Katastrophe überlebt haben und die Frage aufwerfen, was es für das Konzept der Männlichkeit denn bedeutet, wenn es zwar noch vorhanden, aber von der Zeugungsfähigkeit abgekoppelt ist. Es ist heutzutage ebenso betrübliche wie ermüdend erwartbare Realität, dass allein dieser Aspekt schon im Vorfeld des Serienstarts die üblichen ideologisch motivierten Downvoting-Kampagnen auf den gängigen Filmbewertungsportalen ausgelöst hat.

Dieser verwirrte Typ im Pulli ist niemand Geringeres als Yorick Brown (Ben Schnetzer) - die letzte Rettung der Menschheit.
Dieser verwirrte Typ im Pulli ist niemand Geringeres als Yorick Brown (Ben Schnetzer) - die letzte Rettung der Menschheit. Hulu/Disney

Die Probleme der Serie liegen zumindest in den ersten beiden, von der dänischen Regisseurin Louise Friedberg inszenierten Episoden, allerdings woanders: Quer durch diverse Zeitebenen springend (am Tag vor der Apokalypse, ein paar Tage danach, 33 Tage danach, drei Wochen danach usw.) wird von den Geschicken und Fährnissen der verschiedenen Figuren erzählt, nach ungefähr einer halben Stunde kommt es in der Pilotepisode dann, wie pflichtschuldig eingeschoben, zur Bebilderung des katastrophalen Events. Da rennen dann plötzlich wilde Tiere durch die Straßenschluchten, ein paar Autos crashen, ein CGI-Flugzeug saust im Tiefflug trudelnd über Brooklyn hinweg, Sirenen, Chaos. Doch ebenso wie das Opening, in dem sich Yorick und Ampersand durchs schneebedeckte, von verlassenen Autowracks zugerümpelte New York schlagen, wirken diese Bilder wie aus x-ter Hand. Das, was thematisch ähnlich aus Produktionen von  "The Walking Dead" bis  "The Stand", von  "The Road" bis  "World War Z", oder aus stilbildenden Videospielen wie "The Last of Us" ikonisch geworden ist, ist durch das, was man in "Y - The Last Man" zu sehen bekommt, schlicht nicht einholbar - und das, obwohl Friedberg immer wieder einfallsreiche Einstellungen findet und mit der Kamerafahrt zu Beginn, die aus einer Straßenkreuzung heraus immer weiter in die Höhe führt, bis drei aufeinander zuführende Straßen ein großes "Y" ergeben, einen Sinn für reizvolle ästhetische Spielerei beweist.

Derlei Sinn geht der Serie an anderer Stelle aber leider ab. Denn statt dem Plot zuzugestehen, dass er auf einer Comicreihe besteht, die auch wegen Vaughans augenzwinkerndem Witz verehrt wird, regiert in den Episoden ein recht bleierner Bierernst. Klar, das Ende der Zivilisation ist keine lustige Sache, aber etwas mehr Esprit hätte es schon sein dürfen. Für so etwas wie Gags sorgen eingangs zumindest nur Yorick, den Ben Schnetzer ( "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert") als naiven Simpel spielt, der von einem Fettnapf in den nächsten stapft, und sein (vortrefflich CGI-animierter) Affe Ampersand. Eine Szene, in der Yorick nackt in einer vermeintlich leerstehenden Reinigung nach Kleidung sucht und dabei von drei rabiaten Asiatinnen überrascht wird, ist eine der sehr wenigen, die wirklich so etwas wie Comic-Geist atmet.

Die schauspielerischen Glanzlichter setzen (neben Lane und Tamblyn) drei weitere Frauen: Juliana Canfield ( "Succession") spielt Yoricks Freundin Beth, eine Lehrerin, die gerade auf dem Sprung nach Australien ist und einen aus dem Ruder laufenden Heiratsantrag ihres Freundes über sich ergehen lassen muss; Olivia Thirlby ( "Dredd") gerät als Yoricks Schwester, eine Alkoholikerin und Notfallmedizinerin in New York, in die Bredouille, als sie ausgerechnet im Moment der Katastrophe aus Versehen ihren Lover (Daniel Di Tomasso aus  "Major Crimes") umbringt; und Ashley Romans ( "NOS4A2") könnte als so mysteriöse wie coole Geheimagentin 355, die bei einem Einsatz als Präsidentenbewacherin Zeuge des kollektiven Männersterbens wird, der gar nicht mal so heimliche Star der Serie werden.

Sorgenvoller Blick: Agentin 355 (Ashley Romans) muss Yorick auf seiner Reise beschützen.
Sorgenvoller Blick: Agentin 355 (Ashley Romans) muss Yorick auf seiner Reise beschützen. Hulu/Disney

Erst ganz am Ende der zweiten Episode wird die zentrale Figurenkonstellation zusammengeführt - nach zwei Stunden reichlich umständlichen Hin- und Herspringens zwischen Zeiten und Orten, die keinen nennenswerten Spannungsbogen entstehen lassen. Man folgt dem akribischen Worldbuilding interessiert, doch Thrill, Witz und tiefere Erkenntnis bleiben überwiegend aus. Das ist durchaus verblüffend, da alle Zutaten für ein mitreißendes Endzeitabenteuer mit philosophischer Grundierung vorhanden sind, nicht zuletzt eine kompetente Regie und fähige Darsteller.

Folgt die Serie dem Comic, werden Yorick und Agentin 355, die ihm von seiner Mutter als Bodyguard zugeteilt wird, nun quer durch die USA und schließlich nach Übersee reisen, um sowohl dem (im Comic nie endgültig gelüfteten) Geheimnis der Katastrophe als auch dem Rätsel von Yoricks Überleben auf die Spur zu kommen. Hastig geht die Serie dabei wohl nicht vor: Genetikerin Dr. Allison Mann, die Yorick lange Zeit begleitet, ist bislang zum Beispiel noch nicht einmal aufgetreten. Insofern besteht die gar nicht unberechtigte Hoffnung, dass all jene, die es durch die holprigen beiden Auftaktfolgen geschafft haben, fortan mit deutlich aufregenderen Folgeepisoden belohnt werden. Die vielen unterschiedlichen Figuren, auf die Yorick und Agentin 355 in den Comics treffen, könnten sich, nein: müssen sich, also als Salz in der Suppe erweisen.

Meine Wertung: 3.5/5

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Y - The Last Man".


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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Leserkommentare

  • GlubschAuge schrieb am 26.09.2021, 10.11 Uhr:
    In dieser Serie gibt es den wohl letzten Mann auf Erden, dargestellt als desillusionierten Volldeppen, den man als Mann bei jeder Szene am liebsten in stiller Vorfreude, was in die Fresse hauen möchte. Hier zeigt sich wer das komplette Sagen an dieser Serie Inne hat, denn alle wichtigen Posten sind in weiblicher Hand. Ob das objektiv so günstig war, muß jeder für sich entscheiden, wenn er die Serie sich anschaut. Meiner Meinung nach ist mir das ganze zuviel auf der Welle von MeToo zugeschnitten. Die Idee ist sicherlich nicht so verkehrt, zwar teilweise schon zerkaut aber ausbaufähig.
    Ich muß zudem darauf hinweisen, dass ich die Comics nicht kenne und mir nur Gedanken über die ersten drei Folgen mache.
    In den ersten drei Folgen, eigentlich erst ab der zweiten, wird sofort sichtbar wie angeblich unselbstständig und unstrukturiert die weibliche Führung in allen Positionen doch ist und das finde ich zu übertrieben dargestellt, denn so sind die meisten Frauen nun wirklich nicht, denn sie sind es ja doch die den täglichen Ablauf gewährleisten. Die fiesen und hinterlistigen Gemeinheiten unter ihnen, sind da schon eher als wahrhaft zu beachten.
    Da man sich ein gewissen Spielraum bei Umsetzung des Comic gelassen hat, kann ich, da ich das Comic nicht kenne, nicht beurteilen ob dies eine so gute Idee war.
    Allerdings glaube ich, erstmal basierend auf den ersten drei Folgen, dass es wenn es in dieser Form so weitergeht, es wohl keine zweite Staffel geben wird, ausser vielleicht die MeToo Generation geht aus Protest auf die Straße.