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Prequelserie zu den Kinofilmen nach Stephen Kings "Es" remixt Bekanntes und leidet an Überfrachtung
Schauen sie auf die Leinwand - oder blickt die Leinwand auf sie zurück? (v. l.) Phil, Susie, Lily und Teddy haben definitiv keine gute Zeit im Kino.
HBO/Sky
TV-Kritik/Review: "ES: Welcome to Derry": Das Warten auf den Horrorclown/HBO/Sky

Immer Ärger mit Pennywise: Dem Horrorclown aus Stephen Kings bald 40 Jahre altem Erfolgsroman "Es" (1986) wird nach den beiden Kinofilmen ( 2017 und  2019) von Regisseur Andy Muschietti nun ein Prequel spendiert. In der achtteiligen HBO-Serie  "ES: Welcome to Derry" beginnt das Spiel um Kindheitstraumata, individuelle Ängste und das unbegreiflich Böse von Neuem, diesmal in den frühen 1960er-Jahren. Die stark gespielten Abenteuer-Passagen mit den Kids sind wunderbar gelungen, der Rest ächzt leider unter einer Überfülle an Themen und dem Ansinnen der Macher, eine Art King'sches Film- und Serienuniversum zu lancieren.

Wer Kings Roman kennt oder die Filme gesehen hat (oder die populäre Erstumsetzung als  Miniserie), weiß es natürlich: "Es" kehrt einmal pro Generation, alle 27 Jahre, zurück nach Derry, in jene fiktive Kleinstadt in Maine, in der fast so viele Erzählungen von Stephen King spielen wie in Castle Rock. Und so wie sich die Serie  "Castle Rock" als lustvoller Remix zahlreicher Motive und Figuren aus Kings Werk verstehen ließ, lässt sich auch "Welcome to Derry" von King-Nerds auf zahlreiche Anspielungen hin absuchen. Vom Shawshank-Knast ist etwa mehrfach die Rede, und mit Dick Hallorann spielt jene Figur eine zentrale Rolle, die als Chefkoch des Overlook-Hotels in  "Shining" bekannt geworden ist. Hier sucht er, zwanzig Jahre jünger, nach Pennywise. Ohne zu wissen, wer oder was Pennywise eigentlich ist. Aber wir wissen es ja im Grunde auch nicht.

Strukturell ist "Welcome to Derry" ein Prequel - der Filme, nicht des Romans. Das ist wichtig, da die Filme die zweigleisige Handlung ja in die Zukunft verschoben hatten, von 1957 (Kinderebene) und 1984 (Erwachsenenebene) im Roman nach 1989/2016 in den Filmen. Von dort springt die Serie nun die erwähnten 27 Jahre zurück ins Jahr 1962, also fast in die Spielzeit des Romans, womit wir es als Zuschauer nun fast wieder mit jener Epoche zu tun haben, die auch im Buch den Hintergrund lieferte: eine Zeit der US-amerikanischen Prosperität und kulturellen Hegemonie, in der trotzdem hinter all den chromglänzenden Werbebildern das Grauen lauerte, im Horror des Privaten, in Missbrauch und Gewalt.

Das Jahr 1962 bietet Muschietti, der die Serie gemeinsam mit seiner Schwester Barbara und  "Wonder Woman"-Co-Autor Jason Fuchs konzipierte, zusätzliche Hintergründe: den in den USA grassierenden Rassismus und die Protestbewegungen dagegen sowie den sich zuspitzenden Kalten Krieg kurz vor der Kubakrise. Vor dieser zeithistorischen Folie, begleitet von Sixties-Hits und eingeleitet von einem quietschbunt ins Katastrophische abrutschenden Comic-Vorspann, splittet Muschietti die Serie in bewährter "Es"-Manier in zwei Handlungsebenen auf: Kids und Erwachsene. Diesmal spielen sich aber beide zeitgleich ab.

Neu in der Stadt: Charlotte (Taylour Paige, l.), Will (Blake Cameron James, M.) und Leroy Hanlon (Jovan Adepo, r.) merken schnell, dass in Derry das Grauen Einzug hält.
Neu in der Stadt: Charlotte (Taylour Paige, l.), Will (Blake Cameron James, M.) und Leroy Hanlon (Jovan Adepo, r.) merken schnell, dass in Derry das Grauen Einzug hält. HBO/Sky

Im Zentrum steht Familie Hanlon, der später sicher auch der aus Buch und Film bekannte Mike Hanlon entstammen wird. Derlei Verbindungslinien werden in der Serie immer wieder gezogen. Vater Leroy, gespielt von Jovan Adepo ( "Operation: Overlord"), ist Captain der U.S. Air Force und ein hochdekorierter Teilnehmer des Koreakriegs. Seit einer schweren Verwundung gilt er als "Mann ohne Angst" - das trifft sich gut, denn nahe Derry hat die Air Force soeben eine neue Basis eröffnet, auf der streng geheime Dinge vor sich gehen. Männer ohne Angst werden dort gebraucht, besagter Dick Hallorann (Chris Chalk,  "Perry Mason") mit seinen shining-Fähigkeiten erst recht. General Shaw (James Remar, der Harry Morgan aus dem  "Dexter"-Franchise) hat Leroy nicht ohne Grund nach Derry geholt: Die Waffe, die das Militär dort sucht, sei, so erklärt er, ein Wesen, das die Ängste der Menschen instrumentalisiere. "Es"-Kenner wissen, um was für ein Wesen "es" geht.

Gemeinsam mit ihm ziehen Leroys politisch engagierte Frau Charlotte (Taylour Paige aus  "Beverly Hills Cop: Axel F") sowie sein zwölfjähriger Sohn Will (Blake Cameron James) nach Derry. Der macht, als Neuling in der Schule, die Bekanntschaft weiterer Kinder. Damit kommen wir zur zweiten Ebene von "Welcome to Derry": dem Kinderabenteuer. Wie im Roman kündigt sich die Vierteljahrhundertplage der Stadt, das temporäre Wirken des bösen Pennywise, durch das Verschwinden eines Kindes an. Matty (Miles Eckhardt), ein Junge aus prekärer Familie, taucht nach einem Kinobesuch nie wieder auf. Seither steht die Familie des Kinobesitzers Hank (Stephen Rider,  "Daredevil") unter Generalverdacht: Hat Hank - ein Schwarzer - mit Mattys Verschwinden zu tun? Sheriff Bowers (Peter Outerbridge) ist jedes Mittel recht, um Hank verhaften zu lassen. Hanks Tochter Ronnie (Amanda Christine aus  "Black Box") dagegen versucht, seine Unschuld zu beweisen und freundet sich bald mit Will an.

Die restlichen Kids bilden einen Freundeskreis, wie er aus anderen King-Zusammenhängen bestens bekannt ist: auf Fahrrädern durch die Kleinstadt radeln, in Geheimverstecken abhängen, Filme und Bücher verschlingen. Teddy (Mikkal Karim-Fidler), Phil (Jack Molloy Legault), sein Schwesterchen Susie (Matilda Legault), vor allem aber Lilly (Clara Stack), die nach dem Unfalltod ihres Vaters einige Zeit in der Psychiatrie verbrachte und seither gemobbt wird, die um Anerkennung buhlende Marge (Matilda Lawler aus  "Station Eleven") sowie der kubanische Immigrantensohn Rich (Arian S. Cartaya) sind nicht nur allesamt fantastisch besetzt, ihre Darsteller werfen sich auch so charmant wie versiert in ein Geschehen, das ihnen vom Slapstick über Panik bis in hochtragische Abgründe hinein extrem viel abverlangt. Es ist eine Freude, ihnen dabei zuzusehen - obgleich das Drehbuch schon für die erste Episode ein drastisches Täuschungsmanöver vorsieht, das von einer Grausamkeit ist, die im "Es"-Universum ihresgleichen sucht.

Er hat das "Shining" und sucht Pennywise: Stephen-King-Kultfigur Dick Hallorann (Chris Chalk) schaut mal eben aus einer anderen Geschichte vorbei.
Er hat das "Shining" und sucht Pennywise: Stephen-King-Kultfigur Dick Hallorann (Chris Chalk) schaut mal eben aus einer anderen Geschichte vorbei. HBO/Sky

Tatsächlich hält die Serie ein paar sehr brutale Sequenzen vor, doch deren Wirkung fällt unterschiedlich aus. So löblich Muschiettis Ansatz auch ist, im durchdigitalisierten Marvel-Zeitalter vor allem auf handgemachte Spezialeffekte zu setzen, so albern können die bisweilen ausfallen. Fliegende Monsterbabys und abgesägte Basedow-Augen scheinen teilweise eher einer frühen Horrorparodie von Peter Jackson entlehnt zu sein als einer Stephen-King-Story. Andere Szenen dagegen, vor allem jene, in denen Kinder von Pennywises Traum-Variationen behelligt werden, vermögen durchaus jenes Entsetzen hervorzurufen, das aus ersten King-Lektüren im Teenageralter ebenso bekannt sein dürfte wie aus den gelungeneren unter den Verfilmungen.

Ein kurioser Effekt stellt sich ein: Nach dem gigantischen Erfolg von  "Stranger Things", einer Serie, die sich großzügig von Achtzigerjahre-Abenteuern à la  "Die Goonies" oder  "E.T." inspirieren ließ und erst recht vom King-Kosmos (und besonders "Es"), muss sich eine Serie wie "Welcome to Derry" nun ziemlich strecken, um nicht selbst wie ein schlechter Epigone ihres eigenen Quellenmaterials dazustehen. Die Kopie hat das Original an kultureller Strahlkraft überflügelt: Was macht das mit dem Original?

Ein Original aber, nein, das ist "Welcome to Derry" dann tatsächlich nicht. Nach den fünf (von acht) Episoden, die der Presse vorab zugänglich gemacht wurden (und von denen Muschietti nur die ersten beiden inszenierte), ist nicht so ganz klar, ob sich die vielen Handlungselemente am Ende glücklich fügen werden, ob sie also wirklich etwas Neues zu erzählen haben oder nur Altbekanntes neu zusammenwürfeln. Zu viele Themen werden aufgemacht, die für sich genommen hochinteressant und in Kings Roman auch angelegt sind. Insgesamt aber überfrachten sie den Plot. Es geht um Polizeikorruption und Rassismus, um den Kalten Krieg und dann auch noch um die indigene Bevölkerung von Derry, die nicht nur empört darüber ist, dass das Militär ihre heiligen Stätten schändet, sondern auch mythologischen Anspruch auf den Ursprung von "Es" erhebt. All das bleibt (bislang) zu sehr an der Oberfläche, um zwischen den teils wie herauslösbare Geisterbahnnummern wirkenden Schocksequenzen ihre fraglos beabsichtigte Wirkung entfalten zu können: als Reflexionsfläche zu dienen für die sich derzeit ins reaktionäre Vorgestern katapultierenden USA. Für so etwas aber ist, mit Verlaub, diese Gruselclownshow dann doch zu dünn gedrechselt. Pennywise zum Beispiel als Kalter-Kriegs-Metapher? Na ja.

Macht sich rar: Pennywise (Bill Skarsgård) sorgt alle 27 Jahre für Angst und Schrecken.
Macht sich rar: Pennywise (Bill Skarsgård) sorgt alle 27 Jahre für Angst und Schrecken. HBO/Sky

Das Figurenensemble ist sowieso zu groß geraten; erwähnt sei hier der Neunzigerjahre-Kinostar Madeleine Stowe ( "Der letzte Mohikaner") als gütige Metzgersgattin. Trotz der oft mehr als einstündigen Episoden bleibt für die Vielzahl an prinzipiell interessanter Charaktere zu wenig Erzählzeit übrig, zumal Muschietti nebenher den Fanservice pflegen muss, mit den erwähnten Anspielungen, dem roten Luftballon, dem Brunnenhaus, der Kanalisation und so weiter. Und irgendwie will er auch noch die Zukunft vorbereiten. Denn mögliche Folgestaffeln sollen um jeweils eine weitere Generation zurückspringen, weshalb auch jetzt schon einige Szenen anno 1908 spielen. Wer weiß, vielleicht ist längst ein veritables King-Universum geplant, in dem die Hanlons und Halloranns auf noch ganz andere King-Figuren treffen.

"Welcome to Derry" unterhält insgesamt ordentlich (und mitunter auch sehr spannend), leidet aber an der üblichen Prequelitis. So ist die Fallhöhe des Plots zwangsläufig nicht allzu hoch, denn das, was wir aus den Filmen kennen, bleibt davon unberührt: Mike Hanlon wird geboren werden, also müssen wir um Will Hanlon wohl nicht bangen. Die Tatsache, dass fast jede Figur bereits in den ersten Episoden auf Pennywise-Inkarnationen stößt, macht zudem jede weitere Inkarnation weniger schockierend als jene, die man gerade eben schon gesehen hat. Wenn die Realität ständig verschoben und verbogen wird, verliert dieses Verschieben und Verbiegen eben schnell seinen Grusel.

Leider betrifft das auch den ersten Auftritt von Pennywise höchstselbst. Wann und wo er auftritt, dürfen wir nicht verraten - nur dass er, wie in den Filmen, von Bill Skarsgård gespielt wird. Vielleicht aber noch so viel: Man muss ganz schön lange auf ihn warten, und dann ist er auch (fürs Erste) schnell wieder weg. Für eine Serie, die so zentral um diese Figur herum aufgebaut ist, ist das möglicherweise ein bisschen wenig.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten fünf Episoden von "ES: Welcome to Derry".

Meine Wertung: 3.0/5

Die achtteilige Miniserie "ES: Welcome to Derry" wird bei HBO in den USA in der Nacht von Sonntag auf Montag (26. auf 27. Oktober) veröffentlicht. Parallel erscheint sie on Demand durch Sky Deutschland via WOW und Sky GO und läuft ab dem 27. Oktober um 20.15 Uhr bei Sky Atlantic.



 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kom­mu­ni­ka­tions­wis­sen­schaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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