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TV-Kritik/Review: Colony
(01.02.2016)
Neues aus Dystopia: Willkommen in der kolonisierten Welt einer Zukunft, die beunruhigend nah scheint.
Es ist ein faschistischer Militärstaat, den sich Carlton Cuse (
Zugleich herrscht großer Mangel im Land. Kaffee, Speck und Eier gelten etwa als Luxusgüter, die der herrschenden Klasse vorbehalten sind und vom gemeinen Volk nur auf dem Schwarzmarkt ertauscht werden können. Was streng verboten ist. Gewisse Krankheiten sollen aus politischen Gründen nicht mehr behandelt werden, Medizin ist ein knappes Gut. Zu allem Übel sind die Städte dieser beklemmenden Zukunftsphantasie von turmhohen Betonmauern umgeben - ein Bild, das in seiner Gefängnishaftigkeit vom geteilten Berlin über die Wüstenstädte der "Mad Max"-Filme bis hin zur "Wall" im nördlichen Westeros alles evoziert, was Repression und Kriegszustand symbolisiert.
Das Setting, in das "Colony" sehr gemächlich, aber mit vielen Details einführt, ist vielversprechend, und Cuse/Condal steht dafür in den Haupt- und auch in vielen Nebenrollen eine prominente All-Star-Besetzung zur Verfügung: Neben "Lost"-Hunk Holloway und
Clever und behutsam führt die zehnteilige Sci-Fi-Serie in ihre okkupierte Zukunftswelt ein: Die ersten Bilder zeigen die Bowmans im sonnendurchfluteten Eigenheim in Los Angeles. Es wird Frühstück bereitet, die Kinder sind goldig (neben der kleinen Gracie ist das noch Teenager Bram, gespielt von Alex Neustaedter), Mutter Katie ist taff und schön, und Herrenduft-Model Holloway verströmt als Vater Will jene bübische Lässigkeit, die ihn schon als "Lost"-Sawyer kennzeichnete (sogar die Frisur ist dieselbe). Wie der oscargekrönte Regisseur Juan José Campanella ("In ihren Augen") sie inszeniert, wirken diese Bowmans übertrieben perfekt, wie eine Familie aus dem Werbeprospekt. Das muss natürlich so sein, damit die Irritationen, die sich sogleich einschleichen, umso nachhaltiger wirken: Ein zu Bruch gegangenes Ei ist ein mittelschweres Drama, ein Familienfoto an der Wand deutet auf einen verlorenen Sohn hin, der Garten ist mit Stacheldraht abgesperrt. Als die Kamera erstmals in die Vogelperspektive fährt, fallen monströsen Gebäuderuinen auf, die ganz L. A. verunzieren: Sind dies die Relikte des verlorenen Krieges gegen die Aliens? Später dann sieht man endlich die gigantische Mauer, die die Stadt umfasst und sich quer durch die Hollywood Hills fräst - ein irritierender, beunruhigender Anblick.
In einer ersten Spannungssequenz will sich Will (der als Lkw-Fahrer arbeitet) in einem Truck aus der Stadt schmuggeln lassen, um im Nachbarort Santa Monica nach dem verschollenen Sohn zu suchen, doch der Plan geht nicht auf: Eine von der Résistance deponierte Bombe explodiert, Will überlebt den Anschlag nur knapp. Weil sein Plan dabei auffliegt, droht ihm samt Familie der Abtransport in die "Factory", doch dann wird der als Ex-FBI-Agent Enttarnte in die "Green Zone" chauffiert, wo die Elite wohnt und sich auf rauschenden Cocktailparties gütlich tut. Der jovial-sinistre Gouverneur Snyder (Jacobson mit mephistophelischer Lust am abgründigen Spiel) macht ihm ein verlockendes Angebot (das er tags darauf nachdrücklich untermauert - indem er Wills Familie mit duftendem Kaffee, Speck und Rührei bekocht): Wenn Will mithilft, die aufrührerischen Kräfte der Résistance dingfest zu machen, wird seine Familie dafür mit luxuriösen Annehmlichkeiten belohnt. Katie etwa darf ihre ehemalige Bar wiedereröffnen, und auch bei der Suche nach dem verlorenen Sohn wird Unterstützung versprochen. Klar, dass Will schließlich zusagt.
Parallel zu Wills Plot kurvt die Pilotepisode einmal quer durch die Fährnisse und Schikanen der neuen Weltordnung - und zwar anhand der Protagonistin Katie und ihrer illegalen Suche nach Insulin (das Maddies an Diabetes erkranktes Kind benötigt). Und schließlich trifft Katie Quayle (Guilfoyle), den mysteriösen Anführer ihrer Résistance-Gruppe, um sich ihm als Leak-Quelle anzudienen - ihr Mann arbeitet ja jetzt fürs System. Was als ergiebige Prämisse für einen spannenden Plot daherkommt, erweist sich schnell als vielschichtiger als gedacht. Denn die Leute, mit denen Will nun zu tun hat, wirken von der patenten Vorgesetzten (Baker) bis zum Cop-Buddy im Hawaii-Hemd (Weathers) nicht wie die Schergen eines brutalen Regimes, wohingegen die Widerstandskämpfer, die bald schon über Leichen gehen, einen sehr suspekten Eindruck machen. Wer ist "Geronimo", der Anführer des geplanten Aufstands? Was haben die unsichtbaren Aliens im Sinn? "Colony" spielt sehr geschickt mit einer subtil paranoiden Grundstimmung, die durchaus anschlussfähig ist an jene diffusen Denkmuster, die auch Verschwörungstheoretiker umtreiben, die sich sicher sind, dass unsere Regierenden (oder die Medien, oder die Banken) "von oben" gesteuert werden. Die Faschismus-Parallelen sind zudem klar und deutlich gesetzt: Die "Factory" etwa, in die es in der zweiten Episode einen von Wills Kollegen verschlägt, erinnert mit ihren Entmenschlichungs- und Gleichschaltungsroutinen und den gaskammerähnlichen Schleusen ganz direkt an die Konzentrationslager der Nazis.
Wirklich originell ist "Colony" bei alledem trotzdem nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Assemblage beliebter Versatzstücke, um eine überraschend tragfähige, weil engagiert gespielte und spannend inszenierte Kombination aus dem "Alien Nation"-Stoff (ins Pessimistische gewendet), dystopischer Science-Fiction ? la "Die Klapperschlange", aus Résistance-Kriegsdrama und Paranoia-Thriller der Sorte "The Americans". Die mitunter etwas hölzernen Dialoge und einige leicht trashig anmutende Set Pieces dürften zwar verhindern, dass "Colony" dem derzeitigen USA-Network-Hit "Mr. Robot" in die nächsten Award Seasons folgt, doch einer knackigen Staffel Sci-Fi-Suspense steht letztlich kaum etwas im Wege.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Colony".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: USA Network
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